Formel 1 2009
—Alonso und Piquet: Fit für die Königsklasse
Gabriele Polcari: "Jeder Fahrer ist anders. Du musst dich intensiv mit ihm auseinandersetzen, um seinen Stoffwechsel zu verstehen und seine Ernährungsgewohnheiten zu kennen. Auf dieser Basis entwickelst du dann ein maßgeschneidertes Fitnessprogramm und bestimmst sein ideales Gewicht. Zu Beginn der diesjährigen Saisonvorbereitungen haben wir entschieden, dass Nelson noch das ein oder andere Kilogramm verlieren kann."
Polcari: "Formel-1-Fahrer brauchen auf jeden Fall eine gute Ausdauer. Während eines Grand Prix liegt ihre durchschnittliche Herzfrequenz etwa auf dem Niveau eines Läufers beim Halbmarathon - rund 170 Schläge pro Minute. Im Cockpit wirken enorme Kräfte auf sie ein, vor allem auf den Nackenbereich. Sie benötigen daher auch ein besonders stabiles Herz-Kreislauf-System. Zudem sollten sie über eine herausragende mentale Stärke verfügen. Die Fahrer konzentrieren sich zum Teil so intensiv aufs Fahren, dass allein dadurch ihr Puls steigt."
Polcari: "Unser Vorbereitungsprogramm besteht normalerweise aus drei Wochen intensiven Trainings, gefolgt von einer 'Cooling down'-Woche, damit sich der Körper erholen und die Trainingsreize umsetzen kann. Während der intensiven Phase beginnen wir den Tag mit etwas Hanteltraining für die Muskeln oder ein bisschen Widerstandstraining für den Nacken. Dabei muss Nelson mit seinem Kopf dem Druck meiner Hand widerstehen, mit der ich die während eines Rennen auftretenden Fliehkräfte simuliere. Am Nachmittag steht dann Ausdauertraining wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren auf dem Programm. Insgesamt umfasst das Training etwa vier Stunden pro Tag."
Polcari: "Ja, vor einigen Wochen besuchte er Flavio Briatores Ranch in Kenia. Fernando Alonso war kurz nach Weihnachten auf dem Anwesen zu Gast. Dort trainierte ich mit Nelson dreimal am Tag bei großer Hitze, um ihn auf die heißen Grands Prix zu Saisonbeginn vorzubereiten. Unter diesen Bedingungen Sport zu treiben, lässt dich stärker schwitzen. Das half Nelson, extrem fit und bestens in Form in die Saison zu starten."
Polcari: "Weil wir viel reisen und in verschiedenen Zeitzonen unterwegs sind, ist es wichtig, die richtige Balance zwischen Training und Erholung zu finden. Nach einem Langstreckenflug gebe ich Nelson in der Regel einen Tag frei, damit er sich vor dem Start des Trainings ausruhen kann. Wir arbeiten speziell auf die einzelnen Grands Prix hin, machen aber nach dem Mittwoch vor einem Rennwochenende nichts Intensives mehr. Auch die Trainingsinhalte sind während der Saison anders als während der Vorbereitung. Wir konzentrieren uns noch mehr auf die Ausdauer. Während der Saison ist das Verhältnis in etwa 70 Prozent Ausdauer, 30 Prozent Muskeltraining."
Polcari: "Ich würde sagen: Kraftraum und Laufen. Manchmal spielen wir auch Squash zusammen."
Fabrizio Borra: "Momentan fährt er besonders gern Rad, ein gutes Training für das Herz-Kreislauf-System. Außerdem spielt er gern Tennis und Fußball. Bei allem, was er tut, ist er extrem ehrgeizig. Bei Testfahrten und an Rennwochenenden spielen wir gemeinsam mit Gabriele und Nelson auch regelmäßig Basketball - vorausgesetzt, wir finden einen Platz mit Korb."
Borra: "Die wichtigsten Regeln lauten: möglichst keinen Alkohol und viele kleine Mahlzeiten, statt weniger großer. Eine vernünftige Ernährung sollte nicht zu einschränkend sein. Du kannst praktisch alles essen, was du willst - so lange du darauf achtest, wann du es tust."
Borra: "Wir starten mit einem gesunden Frühstück, das viele Kohlenhydrate, Fette, Vitamine und Ballaststoffe enthält. Diese Mahlzeit ist eher umfangreich, da der Körper morgens die meiste Energie benötigt. Zum Mittag konzentrieren wir uns hauptsächlich auf kohlenhydratreiche Kost wie Pasta, Gemüse und vielleicht etwas Obst. Am Abend stehen Gerichte auf der Karte, die viele Proteine enthalten, Fisch zum Beispiel. Wir versuchen abends Obst zu vermeiden, weil du den darin enthaltenen natürlichen Zucker bis zum Schlafengehen nicht mehr verbrennen kannst."
Borra: "Während eines Grand Prix geht es immer sehr hektisch zu. Die grundlegende Regel lautet daher, darauf zu achten, dass Fernando seine Energiespeicher durch viele kleine Mahlzeiten wie Sandwiches, Früchte und Joghurts immer gut gefüllt hält. Große Portionen gilt es zu vermeiden, denn durchs Essen verändert sich der Hormonspiegel im Blut. Große Mengen können daher zu Müdigkeit und Konzentrationsverlust führen. Fünf bis sechs kleinere Mahlzeiten pro Tag garantieren hingegen ein konstantes Energieniveau und versorgen den Körper mit den Nährstoffen, den er braucht."
Borra: "Ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, ist extrem wichtig, denn der menschliche Körper besteht zu 70 Prozent aus Wasser. Wir meiden allzu kohlensäurehaltige und süße Getränke und wählen stattdessen Mineralwasser und frische Obstsäfte. Energydrinks sind zudem gut geeignet, um Nährstoffe zu ersetzen, die durchs Schwitzen verloren gehen. Die Trinkflasche im Cockpit kommt eigentlich nur bei Hitzerennen zum Einsatz. Sie enthält zumeist mit Mineralsalzen angereichertes Wasser."