Recht und Schilderwald

Du hast irgendwo geparkt, kommst zurück, und es flattert ein Zettel unterm Wischer. Ein Knöllchen. Kein Drama, denkst du. Aber ärgerlich. Ärger faltete auch die Stirn von Maris Damroze (58) aus Seevetal bei Hamburg, als er im Dezember 1998 von einem Besuch in einem Hamburger Seniorenheim kam. An seinem weißen Honda Civic klemmte ein Knöllchen. Dass dies das Vorspiel eines Dramas in drei Akten war, ahnte er nicht.

Erster Akt: Dem Ingenieur für Verfahrenstechnik flattert die Verwarnung ins Haus: "Sie parkten auf dem Gehweg..." 30 Mark will die Hamburger Bußgeldstelle dafür sehen. Doch so nicht mit Damroze: "Ich habe nicht auf dem Gehweg geparkt", verteidigt sich Maris Damroze. "Der Wagen stand wie andere auch auf dem Seitenstreifen zwischen Straße und Bürgersteig", schreibt der 58-Jährige der Bußgeldstelle.

Doch die versteckt sich im Schilderwald: Tatsächlich parken in der ganzen Straße Autos auf dem Streifen neben dem Gehweg. Aber die legale Parkzone endet kurz vor der Stelle, wo der Honda abgestellt war. Dass von den kleinen blauen Schildern (Zeichen 315), die den Parkbereich markieren, eines verdreht und das andere bis zur Unkenntlichkeit verwaschen ist, interessiert nicht. Zum 30-Mark-Knöllchen gesellen sich nun die Verwaltungspauschale von 25 Mark und die Kosten für die Postzustellungsurkunde von elf Mark. Damroze legt Einspruch ein. "Ich bin kein Querulant", sagt der Seevetaler. "Meine Strafzettel habe ich immer bezahlt. Doch ich zahle nicht für etwas, das ich nicht getan habe."

Haftbefehl folgt prompt

Bei der Bußgeldstelle soll der Einspruch jedoch nie angekommen sein. "Uns lag kein Einspruch vor", so Sprecher Norbert Smekal. Sieben Monate später - Vorhang auf zum zweiten Akt. Auf grauem Altpapier teilt das Amtsgericht Hamburg lapidar mit, dass für Verkehrssünder Damroze Erzwingungshaft beantragt wurde, "weil Sie die Ihnen auferlegte Geldbuße von DM 30 nicht gezahlt und ... auch nicht dargelegt haben, dass Ihnen ...dies nach Ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist". Vorgesehen seien drei Tage Haft. Knast für ein Knöllchen!

Der Häftling in spe lässt sich nicht einschüchtern. Er schreibt ans Gericht, weist wieder den Vorwurf zurück. "Ich habe denen sogar Fotos geschickt. Die hätten mich doch wenigstens mal anhören können", findet Damroze. Doch die Justizmühle mahlt unbeeindruckt weiter und schwelgt im Amtsdeutsch: "Der Bußgeldbescheid ist rechtskräftig, und eine inhaltliche Überprüfung kann nicht mehr stattfinden. Sie sind verpflichtet, die Buße zuzüglich der Kosten zu zahlen." Andernfalls werde "ohne weitere Vorwarnung die Erzwingungshaft verhängt werden". Peng! Der Unbeugsame legt Beschwerde ein. Damit wandert der Fall vors Landgericht. Nun soll Damroze seine Einkünfte darlegen, um eine mögliche Zahlungsunfähigkeit zu belegen. Was er liefert, reicht dem Gericht nicht. Es bleibt dabei: Geld oder Knast.

Der Vorhang zum dritten Akt ist bereits eine schwedische Gardine: Die "Ladung zum Antritt der Erzwingungshaft" verlangt, "in sauberem und nüchternem Zustand" in der Justizvollzugsanstalt Lüneburg zu erscheinen. Damroze bleibt zu Hause. Die Folge: Haftbefehl. Kriminalbeamte holen ihn ab und bringen ihn in die JVA. Drei Tage sitzt der Aufmüpfige. Vom Bußgeld befreit ihn das nicht. Doch er will stur bleiben. Bleibt das Gericht dies auch, hat demnächst der Zwangsvollstrecker seinen großen Auftritt. Und alles wegen eines kleinen Knöllchens.

Rat vom Rechtsexperten

AUTO-BILD-Rechtsexperte Rolf-Peter Rocke: "Auf Gehwegen darf nur geparkt werden, wo es durch ein Zeichen 315 erlaubt ist. Auch der nicht durch Gehwegplatten markierte Streifen zwischen dem eigentlichen Fußweg und der Bordsteinkante gehört zum Gehweg. Wer dort parkt, riskiert ein Knöllchen.

Ist erst einmal ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid da, werden Geldbuße, Gebühren und Auslagen nach einer Schonfrist von zwei Wochen "beigetrieben". Nur wenn genügend deutlich ist, dass der Betroffene nicht zahlungsfähig ist, kann angeordnet werden, das die Vollstreckung unterbleibt. Bessern sich aber die wirtschaftlichen Verhältnisse, kann die Vollstreckung nachgeholt werden. Bei Geldbußen bis zu 2000 Mark verjährt die rechtskräftige Forderung erst nach drei Jahren.

Zahlt der Betroffene nicht und ist seine Zahlungsunfähigkeit nicht belegt, kann das Gericht eine Erzwingungshaft von maximal sechs Wochen anordnen. Wegen desselben Betrages darf die Erzwingungshaft nicht wiederholt werden. Mit der Haft wird die Schuld allerdings nicht abgegolten. Zahlt der Betroffene, wird auch eine bereits angeordnete Haft hinfällig."