Leichte Carbonkarosserie, Öko-Werkstoffe, Heckantrieb mittels Elektromotor – der BMW i3 ist ein revolutionäres Konzept, das völlig neue Wege geht. Bislang gab es dafür reichlich Beifall, auch von AUTO BILD. Nun kontert VW und bringt ebenfalls ein kompaktes Elektroauto, ohne dabei aber gleich einen automobilen Umsturz zu beschwören. Der e-Golf bewegt sich konzeptionell auf den gewohnten Pfaden, hat weder nachwachsende Rohstoffe zu bieten noch ein Leichtbau-Chassis aus Kohlefasern. Der e-Golf bleibt ein Golf. Volkswagen hat ihn nur elektrifiziert. Typisch VW eben, eher konservativ-abwartend als mutig-progressiv.

Unauffälligkeit ist nicht die Domäne des BMW i3

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Video: BMW i3 vs. VW E-Golf

E-Golf entzaubert i3

Bild: AUTO BILD
Doch der Vorwurf, VW sei bei neuen Trends nicht reaktionsschnell, stimmt hier trotzdem nicht. Bringt VW doch kurz nach dem E-Up mit dem e-Golf bereits das zweite Elektroauto in Serie und tritt mit ihm gegen den i3 an: Wolfsburg gegen Wunderauto, VW gegen BMW – welches Modell ist das bessere Elektroauto? AUTO BILD wollte es genau wissen und hat beide E-Mobile einen Tag lang durch den Berliner Stadtverkehr, über Landstraßen und die Autobahn gefahren. Wichtigstes Testkriterium ist natürlich die Reichweite. Rund 190 Kilometer beträgt sie beim e-Golf, die gleiche Distanz verspricht der i3. Los geht's! Agil und flink flitzt der BMW durch die Stadt. Beim Einlenken reagiert seine Lenkung extrem spontan, ja fast schon zu spitz. Hinten drückt kräftig der 170 PS starke E-Motor. Fahrspaß? Keine Frage, der i3 ist ein untypisch-typischer BMW. Beim Wenden beeindruckt er mit kleinem Wendekreis – ein tolles Stadtauto mit sehr hohem Aufmerksamkeitspotenzial. Wo immer der i3 auch parkt, sofort wird er in der Hauptstadt von den Passanten umringt und bestaunt.
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Der Golf-Fahrer kann die Rekuperationsstärke beeinflussen

VW E-Golf
Ein Golf ist ein Golf ist ein Golf: Auch mit E-Motor unter der Haube behält der VW seine typische Optik.
Ganz anders der Golf: Trotz blauer Streifen und spezieller Typschilder bleibt er unauffällig. Dass er elektrisch fährt, behält er für sich – ein Allerweltsauto eben. Gefühlt schießt er fast genauso zügig nach vorn wie der i3, trotz 55 PS weniger Leistung und rund 300 Kilo mehr Gewicht. Beim Fahreindruck wirkt der e-Golf in puncto Dynamik nicht weit vom i3 entfernt, obwohl er laut Werksangabe 3,2 Sekunden länger auf 100 km/h braucht als der BMW. Der größte Unterschied liegt im Pedalgefühl. Während der i3 beim Lupfen stets stark rekuperiert und man fast ohne Bremse auskommt, fährt sich der E-Golf konventioneller und mit langen Ausrollphasen. Anders als im BMW kann der Golf-Fahrer den Rekuperationsmodus über den Schaltknauf  wählen – von Stufe eins bis drei sowie die besonders intensive "B"-Position. In Letzterer wandelt er ein Maximum an Bewegungsenergie um, dann fährt sich der e-Golf ähnlich wie der i3. Diese Möglichkeit ist ein Vorteil für den VW, weil der Fahrer so aktiver mit mehr Optionen unterwegs ist. Es wäre jedenfalls nicht verwunderlich, wenn BMW seinen i3 bei der Modellpflege in ein paar Jahren entsprechend nachbessert.
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Gleiches gilt für das Geräuschniveau. Der e-Golf wirkt leiser. Bei mehr als 80 km/h produziert seine Karosserie weniger Windgeräusche. Elegant, weil fast lautlos, rollt er über die Straße. Fußgänger bemerken ihn oft erst in letzter Sekunde.

Am Ende muss dem BMW sein Range-Extender helfen

BMW i3 VW E-Golf
Vorteil VW: Der Golf ist praktischer als der i3 und er kommt auch weiter als sein Münchner Konkurrent.
Ergonomisch ausgefeilte Sitze, Türinnenkonstruktion, Instrumente und Mittelkonsole des VW umschließen den Fahrer fast perfekt. Im i3 dagegen sorgt die erhöhte Sitzposition zwar für gute Übersicht, doch Beinwinkel und Sitzgefühl sind auf längeren Strecken deutlich ungemütlicher. Auch beim Alltagsnutzen zieht der BMW den Kürzeren. Auf der Rückbank wie im Kofferraum bietet der e-Golf mehr Platz und Komfort. Allerdings rollt der VW auf schlechten Straßen ähnlich straff ab wie der i3. Absätze und Fugen geben die speziell entwickelten Conti-Energiesparreifen als kräftige Schläge in den Innenraum weiter. Und der Verbrauch? Nach 35 Kilometern durch Stadt und Land ist die Restreichweite beider Autos spürbar geschrumpft – deutlicher jedenfalls, als die Bordrechner beim Start kalkuliert haben. Der BMW-Monitor zeigt noch 67 Kilometer an; der Golf würde noch 101 Kilometer weit stromern. Doch nun kommt die Autobahn. Beide Modelle fahren Vollgas. Der BMW erreicht dabei mit angezeigten 155 km/h die etwas höhere Endgeschwindigkeit. Doch die linke Spur mögen weder i3 noch e-Golf. Nach weniger als 20 Kilometern haben sich die Akkus rapide geleert. Nur noch 28 Kilometer will der BMW elektrisch fahren; es wird also knapp, um vom Berliner Autobahnring zurück ins Herz der Hauptstadt zu kommen.
Fairerweise sei gesagt, dass der getestete i3 über einen Range Extender verfügt. Ohne den wäre er ein paar Kilo leichter, 4500 Euro günstiger und seine E-Reichweite vielleicht noch einen Tick besser. So aber rattert sein Verbrennungsmotor sieben Kilometer vorm Ziel los und lädt die Batterie. Der e-Golf dagegen bleibt cool und zeigt 24 Kilometer elektrische Restreichweite. Klare Sache: Der VW hat das BMW-Wunderauto entzaubert.
Technische Daten BMW i3 (Range Extender) Elektromotor • Leistung 125 kW (170 PS) • max. Drehmoment 250 Nm • Hinterradantrieb • Einganggetriebe • Lithium-Ionen-Batterie mit 18,8 kWh • Reifen vorn 155/70, hinten 175/ 60 R 19 Q • L/B/H 3999/1775/1578 mm • Zweizylinder 25 kW (34 PS) • Kofferraum 260–1100 l • Zuladung 425 kg • Spitze 150 km/h • 0–100 km/h 7,2 s • E-Reichweite max. 190 km • Verbrauch (Zyklus) 12,9 kWh/100 km • Preis ab 39.450 Euro.
 
Technische Daten VW e-Golf Elektromotor • Leistung 85 kW (115 PS) • max. Drehmoment 270 Nm • Vorderradantrieb • Einganggetriebe • Lithium-Ionen-Batterie mit 24,2 kWh • Reifen 205/55 R 16 Q • L/B/H 4254/1799/1453 mm • Radstand 2629 mm • Kofferraum 343–1233 l • Zuladung 450 kg • Spitze 140 km/h • 0–100 km/h 10,4 s • E-Reichweite max. 190 km • Verbrauch (Zyklus) 12,7 kWh/100 km • Preis ab 34.900 Euro.

Fazit

Der i3 hat einen echten Gegner bekommen. Wenn es um die technische Leistungsfähigkeit geht, zeigt sich der Golf sogar überlegen. Schade nur, dass VW die überzeugende E-Technik in den Golf eingebaut hat. Eine eigene Leichtbaukarosserie wie beim i3 hätte noch mehr Signalcharakter.