Das Duell M5 gegen AMG E 63 geht demnächst in die vierte Runde. Erstmals setzt auch BMW in diesem Segment auf den serienmäßigen Allradantrieb. Warum? Weil nur so Leistung und Drehmoment sicher, effizient, beherrschbar und zuverlässig in Vortrieb umgewandelt werden können. Bei Mercedes hatte sich diese Erkenntnis schon vor Jahren durchgesetzt. BMW zieht jetzt auch deshalb nach, weil sich die Hinterradantriebs-Puristen weltweit längst in der Minderheit befinden. Es wird also Zeit, die beiden Sportlimousinen zu einem neuen Vergleichstest zu bitten.

Trotz Allrad kommen die Reifen an ihre Haftungsgrenze

Mercedes-AMG E 63 S
Kraft satt: Selbst mit aktiviertem ESP zucken sowohl Mercedes als auch BMW gelegentlich mit dem Heck.
An der portugiesischen Atlantikküste ist es Ende November immer noch über 20 Grad warm, die Sonne brennt vom Himmel, die Straßen sind staubtrocken. Das klingt nach viel Grip, doch das Wetter und der Gummiabrieb haben den Asphalt vielerorts bis auf die Grundierung blank poliert. Selbst mit voll aktivem DSC/ESP können sich die beiden Hecks ein gelegentliches Zucken nicht verkneifen. Das liegt auch an der Bereifung, denn die P Zero (M5) und die SportContact von Continental (E 63) mögen es heiß und griffig. Erst auf dem Autodromo de Estoril kommt das schwarze Gold auf Temperatur – und siehe da, schon kann deutlich später gebremst und viel früher wieder beschleunigt werden. Laut Papierform wiegt der Schwabenkeil mit 1880 Kilo kaum mehr als der 1855 Kilo schwere Isarflitzer (ohne Fahrer), subjektiv wirkt der neue M5 auf den engen Bergstraßen und in engen Kurven allerdings leichter und entsprechend agiler.
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Der M5 bewegt sich zwischen fast brav und extrem biestig

BMW M5
Wandlungsfähig: Mit dem neu abgestimmten Allrad deckt der M5 ein breites Dynamikspektrum ab.
Mit dem neuen M xDrive hat BMW ein Antriebskonzept entwickelt, das von 4WD bis 2WD ein ungewöhnlich breites Dynamikspektrum abdeckt. Im Normalbetrieb ist der M5 eine reine 2WD-Limousine. Erst wenn der Fahrzustand die Alarmglocken läuten lässt, schaltet sich die Vorderachse zu – progressiv, behutsam, unmerklich. Wer es lieber knackig mag, wählt 4WD Sport. Der Zusatz Sport steht in Kombination mit dem M Dynamik-Modus (MDM) für eine noch heckbetontere Drehmomentverteilung, die schon bei Dreiviertelgas zu leichten Drifts animiert. Level 3 auf dem Weg zum Übersteuer-Diplom bedeutet den Verzicht auf Netz und doppelten Boden. Ab jetzt ist Schluss mit dem elektronischen Dazwischengefunke. Ohne DSC wird in 4WD Sport bei Querbeschleunigung, Lenkpräzision und Fahrspaß deutlich nachgelegt. Wer noch mehr will und kann, loggt sich in 2WD ein und erlebt so den Quertreiber-Charakter des alten M5 im neuen Kleid.
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Nur BMW lässt seine Sportlimousine ganz von der Leine

BMW M5 Mercedes-AMG E 63 S
An die Leine gelegt: Im Heckantriebsmodus ist beim E 63 S das Tempo limitiert – der M5 kennt keine Grenze.
Was beim Driftmodus, der jedem E 63 S in die Wiege gelegt wird, nach elektronisch unterstütztem Quertrieb klingt, ist in Wirklichkeit jedoch nichts anderes als ein gezielt anwählbarer Heckantriebsmodus. Schon in Sport geben die Hinterräder bei deaktiviertem ESP dann Rauchzeichen. Den Höhepunkt der in Affalterbach festgelegten Choreografie erleben wir freilich erst im Race-Modus. Ab jetzt bestimmt einzig und allein der Pilot die Schaltfolge und den Schwierigkeitsgrad der Darbietung – allerdings nur bis 120 km/h. Danach klinkt sich die Vorderachse wieder ein und animiert zum sauberen Auf-Zug-Fahren. Der M5 dagegen kennt in 2WD-Stellung kein Tempolimit, und das ist auch gut so, denn auf Rennstrecken gibt es genügend richtig schnelle Kurven mit Auslaufzonen. BMW nennt zwar für die neue Achtstufen-Automatik die gleichen Schaltzeiten wie für das einstige Siebengang-DKG, doch dem Hinterkopf fehlt selbst im schnellsten der drei Programme die brutale Hochschaltpeitsche des Doppelkupplers.
Konzeptionell vernäht der Benz seine Gänge fast sportlicher: Seine Automatik setzt auf eine nasse Anfahrkupplung, die des BMW noch immer auf einen Wandler – nur wird selbiger eben schon nach wenigen Metern überbrückt.
Wie sich das in der Performance und in den Messwerten niederschlägt, erfahren Sie in der Bildergalerie.

Fazit

von

Georg Kacher
Der AMG E 63 S ist die Sportlimousine aus dem Darknet – laut, hart, böse. Der M5 ist die Schöne und das Biest – noch souveräner, geschmeidiger und unter dem Strich die eine oder andere Zehntel flinker. Faszinierend sind beide, jeder auf seine eigene Art. Wer im Benz die Auspufftaste drückt, verdoppelt gefühlt die Phonzahl. Wer im M5 das Gleiche tut, schaltet die Abgasanlage von laut auf leise. Das sind sie, die kleinen, aber feinen Unterschiede.

Von

Georg Kacher