Bei Citroën ist die Fantasie zurückgekehrt. Die Franzosen bringen immer neue, eng verwandte Kompakte und Raumautos. So viele, dass man schnell durcheinander käme, trügen die Autos nicht so markante Namen wie Picasso, Nemo oder jetzt Cactus. Dieser Fünftürer, ab Ende Mai zu bestellen, setzt sich mit seinem ungewöhnlichen Auftritt zwischen so ziemlich alle Stühle und will vor allem eins sein: einfach anders. Moment, für diese Art Nonkonformismus hat Citroën doch einen Evergreen: Also Zündschlüssel drehen für die erste gemeinsame Ausfahrt mit der Ente.

Schon vor 30 Jahren war der 2 CV ein Oldie

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Video: Citroën Cactus vs. Ente

Neues Kompakt-SUV trifft 2 CV

Er ist selten geworden, der 2 CV. Die Zeit, der Rost. Unser Charleston darf ein H-Kennzeichen tragen, doch ein Oldie war er schon vor 30 Jahren. Man steigt ein, greift zur Revolverschaltung, und alle Bilder von damals sind schlagartig wieder da. Die offenen Seitenscheiben flattern im Fahrtwind, abenteuerliche Schräglagen werden zur Schulstunde in praktischer Physik. Ältere bekommen Wehmut, Jüngere erkennt man daran, dass sie nicht verstehen, wie man sich mit sowas bis zum Mittelmeer trauen konnte. Die Ente ist ein Simplicissimus. "Das Auto, das am besten unsere Kernwerte trägt", sagt Citroëns Chefdesigner Marc Lloyd. "Leicht, reduziert und kreativ. Wie der Cactus." Aber ist der Neue tatsächlich so einfach, wie Citroën verspricht? Zumindest seine Linien sprechen eine klare Sprache: kräftige Nase, die Radhäuser verkleidet, auf dem erhöhten Dach modische Träger – solche halben SUV ohne Offroad-Antrieb nennen sich Crossover. Mit 4,16 Meter Länge passt der Cactus am besten in die Schublade der Kompakten, darunter steckt weitgehend die Technik des Peugeot 208.

Die großflächige Beplankung gibt dem Cactus Robustheit

Citroën Cactus
Beplankt: Die "Airbumps" geben dem Cactus einen robusten Look und helfen gegen Parkrempler.
Robust erscheinen auch die umlaufenden Plastikpolster, die zumindest Schutz bei Parkremplern versprechen. Diese Prallkissen, von Citroën "Airbumps" genannt, gibt es in vier Farben, darunter im modischen "Dune" oder "Chocolate". Außerdem bietet die umfangreiche Preisliste zehn Lackfarben und drei Innentöne – zumindest die Auswahl wird schon mal nicht einfach, das kennen Kunden jedoch vom DS3. Wohltuend aufgeräumt wirkt das Interieur. Aus der Mittelkonsole sind beim Foto-Cactus mit Automatik fast alle Knöpfe verschwunden, stattdessen bedient der Fahrer den iPad-großen Touchscreen in der Mittelkonsole. So radikal hat BMW mit seinem iDrive auch angefangen, bis später Radio und Klima doch wieder eigene Tasten bekamen. Reizvoll im Citroën: der Kontrast von Türgriffen, die aussehen wie Kofferschlaufen, und dem reduzierten Digital-Tacho. Im Fondherrscht beinahe Enten-Kargheit. Eine Teilung der Rückbank fehlt ebenso wie Fensterkurbeln – es gibt nur Ausstellfenster.
Erwachsene sitzen hinten erstaunlich bequem, auch der Kofferraum (358 bis1170 Liter) taugt trotz der hohen Ladekante für den Alltag. Auf den Praktiker-Bonus als Lastesel zielt der Franzose sicher nicht. Wenn Weglassen die Maxime war, hätte Citroën besser gleich den klobigen Handbremshebel weggelassen, der zwischen den Sitzen hervorragt.

Die Preise des Citroën sind durchaus selbstbewusst

Citroën Cactus
Die Preisliste des Cactus beginnt bei ab 13.990 Euro, wie beim DS3 ist die Aufpreisliste lang.
Unterm Blech erleben wir noch am ehesten den simplen Geist der Ente. Zum Verkaufsstart im September gibt es vier Motoren mit maximal 99 PS, ein 120-PS-Benziner soll zum Jahresende folgen. Ampelrennen will das schlichte Stachel-Auto sowieso nicht gewinnen, entsprechend genügsam (3,4 bis 4,6 Liter Normverbrauch) gibt sich der Cactus – ganz seinem Namen entsprechend. Dass die beiden Benziner nur die Abgasnorm Euro5 erfüllen und als Automatik nur das ruckelige EGS-Getriebe bereit steht, passt wenig zum modernen Anspruch und den selbstbewussten Preisen. Kopfstützen hinten gibt es erst ab 15.140 Euro, die Klimaanlage ab 16.290 Euro. Dafür werden Käufer lange beraten, ob das Polarweiß außen zur Inneneinrichtung in Habanabraun passt. Auf einen zweifarbigen Charleston werden wir vergeblich warten. Da ist der Cactus eben nicht einfach, sondern vor allem anders.
Technische Daten Citroën C4 Cactus e-VTi 82 ETG: Dreizylinder, vorn quer • Hubraum 1199 cm³ • Leistung 60 kW (82 PS) bei 5750/min • max. Drehmoment 118 Nm bei 2750/min • Vorderradantrieb • automatisiertes Fünfganggetriebe • L/B/H 4157/1729/1540 mm • Leergewicht 1050 kg • Kofferraum 358– 1170 l • 0–100 km/h 15,0 s • Spitze 172 km/h • Tank 50 l • EU-Mix 4,3 l S • CO2 98 g/km • Preis: ab 17.190 Euro
Technische Daten Citroën 2 CV Charleston: Zweizylinder-Boxer, vorn längs • Hubraum 602 cm³ • Leistung 21 kW (29 PS) bei 5750/ min • max. Drehmoment 39 Nm bei 3500/min • Vorderradantrieb • Vierganggetriebe • L/B/H 3830/1480/1600 mm • Leergewicht 615 kg • Kofferraum 250 l • 0–100 km/h 41,8 s • Spitze 117 km/h • Tankinhalt 30 l • Verbrauch 6,6 l S • CO2 156 g/km • Preis: 8590 Mark (1981)

Fazit

von

Joachim Staat
Der Cactus ist ein Kompakter im SUV-Look: robuster als der Renault Captur, modischer als der Peugeot 2008. Die Motoren atmen den einfachen Geist der Ente, viele Extras verführen zum Luxus.

Von

Joachim Staat