Wenn vor der Saison jemand prophezeit hätte, dass Sébastien Buemi nach drei Rennen nur einen Punkt weniger auf dem Konto haben würde als Weltmeister Lewis Hamilton, dann hätte man denjenigen wahrscheinlich ausgelacht. Doch nach dem heutigen Grand Prix von China steht das Duell Rookie gegen Titelverteidiger tatsächlich 3:4.
"Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er in den ersten drei Rennen schon Punkte holt", erklärte der stolze Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost in Schanghai, "sondern wir waren darauf eingestellt, dass er sich von Rennen zu Rennen steigert und in der zweiten Saisonhälfte mit ein bisschen Glück vielleicht punktet. Aber ich beschwere mich nicht darüber, wie es jetzt läuft, solange er seine Punkte in der zweiten Saisonhälfte verdoppelt!"
Sogar Räikkönen überholt
Buemi fuhr heute von Anfang an in den Punkterängen, schnappte sich mit praktisch gleichem Gewicht Ex-Champion Kimi Räikkönen im gleich motorisierten Werks-Ferrari und fuhr phasenweise sogar an vierter Stelle. Gegen Ende verdiente er sich noch einige Male Szenenapplaus, als er mit Fernando Alonso einen weiteren Ex-Weltmeister gekonnt in Schach hielt und dafür mit dem verdienten achten Platz belohnt wurde.
"Er hat einen fantastischen Job gemacht", lobte Tost den 20-Jährigen. "Bei diesen wirklich schwierigen Bedingungen ist ihm kein Fehler unterlaufen. Einmal hat er Vettel berührt, aber das gehört bei Toro Rosso anscheinend dazu, wenn es regnet! Wenn das Rennen dann trotzdem gewonnen wird, interessiert das nachher eh keinen mehr. Und abgesehen davon war es wirklich ein fantastisches Rennen."
Tost spielte damit auf Buemis Vorgänger Sebastian Vettel an, der in der 20. Runde ausgerechnet von seinem Red-Bull-Kaderkollegen angeschoben wurde. Buemi musste mit abrasiertem Frontflügel die Box ansteuern, Vettel konnte zum Glück unbeschadet weiterfahren und seinen zweiten Sieg feiern. Der Deutsche wird seinem Nachfolger deswegen kaum sauer sein, schließlich weiß er seit der Karambolage mit Mark Webber in Fuji 2007 ganz genau, wie schnell so etwas passieren kann...
Dass Buemi heute überhaupt Toro Rosso fährt, war "eine Kombination aus a) seinen guten GP2-Ergebnissen, b) seinen sehr starken Leistungen bei den Tests und c) seiner Zugehörigkeit zum Red-Bull-Kader", erklärte Tost. "All diese Faktoren zusammengerechnet ergaben unsere Entscheidung, dass wir das Risiko mit ihm eingehen sollten." Bekanntlich erhielt der Schweizer den Vorzug vor dem Japaner Takuma Sato.
Intensive Vorbereitung
Im Winter bereitete sich der Youngster im Red-Bull-Simulator in Milton Keynes vor, außerdem unterwarf er sich einem strikten Fitnessregime. Und dann waren da natürlich noch die Serienbestzeiten bei den Testfahrten mit dem alten Auto. Tost: "Dieses vorherige Einschwören des Teams wird meiner Meinung nach oft unterschätzt. Wenn wie heute schwierige Bedingungen herrschen, dann sieht man, was das wert ist."
"Das war die Basis seiner Vorbereitung auf das erste Rennen. Du kannst heutzutage nicht mehr ohne viele Testkilometer in die Formel 1 kommen. Wir wussten aber, dass während der Saison nicht getestet werden darf, also haben wir ihn im Winter möglichst viel fahren lassen - auch wenn es noch mit dem alten Auto war. So konnte er sich an die Slicks gewöhnen und er konnte lernen, wie in der Formel 1 gedacht wird, wie die Ingenieure arbeiten und so weiter", so der Österreicher.
Doch auch wenn die Freude über Buemi groß ist, so fährt Toro Rosso derzeit noch lange nicht in der Überform der zweiten Saisonhälfte 2008. Derzeit hat die Truppe vier Punkte auf dem Konto, was ex aequo hinter dem BMW Sauber F1 Team und Renault den siebenten Rang in der Konstrukteurs-WM bedeutet. Aber Tost ist davon überzeugt, dass seine Truppe schon bald von neuen Teilen aus Milton Keynes profitieren und nach vorne kommen wird.
"Adrian Newey und sein Team haben meiner Meinung nach das vielleicht beste Auto gebaut. Ich bin davon überzeugt, dass wir einen Schritt nach vorne machen werden, sobald wir den neuen Diffusor bekommen", kündigte der Toro-Rosso-Boss an und sagte über die mögliche Premiere von KERS: "Sobald wir das Gefühl haben, dass KERS die Performance verbessert, werden wir damit fahren. Im Moment sind wir davon nicht überzeugt."
Fotoquelle: xpb.cc