Als Bernie Ecclestone 2003 den Vertrag über ein Formel-1-Rennen nahe Istanbul unterzeichnete, herrschte in der Türkei große Aufbruchstimmung. Doch sechs Jahr später ist davon nichts mehr zu spüren. Rund 175 Millionen Euro hatte man in eine beeindruckende Anlage investiert, die vielleicht schon bald keinen Rennbetrieb mehr sieht. Angeblich soll der 2011 auslaufende Vertrag nicht mehr verlängert werden.
Das schwindende Interesse hat seine Gründe: Die Türkei ist ein Fußballland, andere Sportarten haben es bei der öffentlichen Wahrnehmung sehr schwer. Entsprechend entwickelten sich die Zuschauerzahlen im Istanbul Park. 2005 war das "Otodrom" noch gut besucht, in den Folgejahren blieben immer mehr Tribünenplätze frei. 2008 zählten die Veranstalter 40.000 Zuschauer am Rennsonntag, der Vorverkauf deutet darauf hin, dass es in diesem Jahr noch weniger sein werden. Rund 150.000 Plätze bietet die Anlage.
"Das ist der schlechteste Deal, den ich bisher gemacht habe", gab Ecclestone beim ersten Start 2005 offen zu. "Die Leute halten mich für verrückt, aber ich denke langfristig und glaube an die Türkei." Die Hoffnungen den Formel-1-Machers haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Jährlich schreibt man Verluste im zweistelligen Millionenbereich. Ecclestone selbst hat die Fäden in die Hand genommen, doch auch er hatte kein glückliches Händchen.
Türkei und Formel 1: Kein Lokalheld, keine Basis
"Die Leute, denen das Land hier vorher gehörte, die haben gutes Geld gemacht", wurde Anwohner Sahin Boz von der 'Times' zitiert. "Die Rennen interessieren hier niemanden. Es bringt nur viel Krach." Die MotoGP und die DTM gaben Gastspiele in Istanbul, die sich ebenfalls nicht auszahlten. Entsprechend zogen sich die Serien wieder zurück. 362 Tage pro Jahr liegt die Anlage nun brach, einzige Ausnahme sind die drei Tage mit Grand-Prix-Betrieb.
Eintrittspreise zwischen 40 und 330 Euro für die Formel 1 sind im Vergleich zu anderen Austragungsorten zwar halbwegs gemäßigt, aber schrecken die wenigen türkischen Fans ab. Nicht nur ein türkischer Hoffnungsträger fehlt am Bosporus, sondern gleich die gesamte motorsportliche Kultur. "Ich schätze, unter den Besuchern des vergangenen Jahres waren maximal 5.000 Türken", erklärte Baris Kuyucu, der den Grand Prix 2008 als Reporter von 'CNN Turk' in die türkischen Wohnzimmer übertragen hat.
Der türkische Großsponsor Petrol Ofisi zog sich schnell zurück und wurde durch ING ersetzt. Ob die niederländische Bank ihre Engagement fortsetzt ist mehr als fraglich, denn man wird auch bei Renault als Sponsor Schluss machen. Mit Rockkonzerten und anderen Events versucht man nun, der Anlage wenigstens etwas Leben einzuhauchen.
Testbetrieb auf dem Otodrom: Es grenzt an Wucher
Die Rennstrecke mit ihren vielen schnellen Passagen wäre durchaus für GT-Serien, Motorradsport und Formelsport als Teststrecke geeignet, doch dabei steht man sich selbst im Weg. Die Miete der Anlage ist geradezu unverschämt. Rund 70.000 Euro kostet das Otodrom pro Tag. Zum Vergleich: Ein exklusiver Test in Silverstone schlägt nur mit 16.000 Euro zu Buche. Verständlich, dass niemand in der Türkei testen möchte.
"Es gab eine große Reifenfirma, die dort eine Promotion abhalten wollte", sagte der türkische Ex-Rallyepilot Koray Muratoglu, "doch die waren von dem Preis geradezu schockiert. Sie haben ihren Event dann in Thailand abgehalten. Sie haben sogar noch ein paar Tage Urlaub drangehängt und kamen trotzdem noch viel billiger dabei weg." Streckenchef Can Güclü ist alarmiert: "Wir müssen einen Strich ziehen, uns neu aufstellen und neue Projekte starten."
Vielleicht kommt dieser Sinneswandel schon zu spät. Der Formel-1-Vertrag läuft nur noch zwei weitere Jahre. "Wir befürchten, dass wir 2011 zum letzten Mal Gastgeber für die Formel 1 sein könnten", hatte Güclü erst kürzlich offen eingestanden. "Noch gibt es keine Neuigkeiten über eine Vertragsverlängerung und keine Ansprüche von irgendeiner Seite." Möglicherweise hat Ecclestone bald die Geduld mit der Türkei verloren.
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