Führerschein-Überprüfung für Senioren: Fahrtauglichkeit, 70+, EU-Kommission
EU-Kommission will Fahrtüchtigkeit von Senioren ab 70 prüfen

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Die EU-Kommission will Autofahrer in ganz Europa ab dem 70. Lebensjahr zur regelmäßigen Prüfung der Fahrtauglichkeit verpflichten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hält wenig davon. Alle Infos!
Bild: Sven Krieger / AUTO BILD
Seit 2013 wird in Deutschland der Führerschein auf maximal 15 Jahre Laufzeit ausgestellt. Geht es nach der EU-Kommission, soll sich das in Zukunft ändern. Wird der Plan umgesetzt, müssten alle Senioren in Europa mit dem 70. Lebensjahr ihre Fahrtauglichkeit regelmäßig nachweisen. Diese Prüfung müsste alle fünf Jahre wiederholt werden. Die Maßnahme ist Teil eines ganzen Bündels von Neuerungen rund um den EU-Führerschein.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist gegen einen verpflichtenden Fahrtauglichkeits-Check ab 70. "Von der Idee, dass sich Senioren ab einem bestimmten Alter ohne weiteren Anlass regelmäßig einem Tauglichkeitstest unterziehen müssen, halte ich gar nichts", sagte er gegenüber der BILD am SONNTAG. Wissing setzt "ganz klar auf die Eigenverantwortlichkeit".

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist gegen eine Pflicht zum Fahrtauglichkeits-Check für Senioren.
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Über die Verkehrstauglichkeit betagter Autofahrer gibt es unterschiedliche Ansichten. Tatsache ist: Die körperlichen Fähigkeiten, zum Beispiel Reaktions- und Sehvermögen, lassen mit dem Alter nach. Und vielen Senioren fällt es schwer, den Führerschein und damit auch die persönliche Freiheit der unbegrenzten Mobilität aufzugeben. Erst wenn ein älterer Autofahrer im Straßenverkehr durch gefährliches Verhalten aufgefallen ist, kann die Verkehrsbehörde die Fahrerlaubnis zwangsweise einziehen.
EU-Kommission empfiehlt Auffrischungskurse
Das grundsätzliche Ziel der EU-Kommission ist es, die Zahl der Verkehrstoten auf europäischen Straßen bis 2030 zu halbieren. 2022 kamen rund 20.600 Menschen im Straßenverkehr ums Leben. Bis 2050 soll es keine Verkehrstoten mehr geben. Ein Schritt auf diesem steilen Anstieg ist der Senioren-Check.
Die Änderungspläne der EU-Führerscheinrichtlinie sehen vor, dass Pkw- und Motorrad-Führerscheine nur noch über einen Zeitraum von zehn Jahren gültig sind. Ab dem 70. Lebensjahr wird diese Frist um fünf Jahre verkürzt. Wie eine Fahrtauglichkeitsprüfung für alte Autofahrer aussehen soll, legt der Entwurf nicht exakt fest. Die Umsetzung ist wie immer Sache der Mitgliedsstaaten. Empfohlen werden "eine regelmäßige medizinische Untersuchung und andere Maßnahmen wie etwa Auffrischungskurse", heißt es in dem betreffenden Entwurf.

Die EU-Kommission schlägt unter anderem regelmäßige Auffrischungskurse für ältere Autofahrer vor.
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Die EU-Kommission definiert sehr exakt medizinische Kriterien, denen auch Senioren am Steuer zu genügen haben: Demnach müssen 70-jährige Autofahrer mit Brille oder Kontaktlinsen mindestens 0,5 Dioptrien aufweisen, damit ihr Führerschein um weitere fünf Jahre verlängert wird. Bei einer Augenkrankheit muss der Autofahrer ein ärztliches Attest vorlegen, ebenso bei Herz-Kreislauf-, Nerven-, Epilepsie-Erkrankungen.
Seitenlange Liste der medizinischen Anforderungen
Bei Krankheiten des Bewegungsapparats, die beim Autofahren behindern können, wird eine Verlängerung nicht empfohlen. Das gilt auch für schwere Diabetes, schwere kognitive und intellektuelle Störungen und Demenz sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch. Die detaillierte Liste umfasst mehrere Seiten (S. 106 ff). Im Prinzip werden dieselben medizinischen Anforderungen an die Verlängerung der Fahrerlaubnis gelegt wie an die Erstausstellung.
Offenbar denkt die Kommission nicht zwingend an eine Prüfung, eher an eine Inaugenscheinnahme: Wer den Führerschein verlängern will, muss vorsprechen und versichern, dass er die Fahrtauglichkeit besitzt. Das entspräche dem Prinzip der Freiwilligkeit, das in Deutschland bisher noch sehr weit ausgelegt wird.
Ob tatsächlich alle fünf Jahre eine verpflichtende Untersuchung durchgeführt wird, muss jeder Mitgliedsstaat selbst entscheiden. Übrigens: In den meisten EU-Ländern müssen Senioren bereits regelmäßig zum Fahrtauglichkeits-Check. Deutschland ist einer der wenigen Staaten, die bisher keine Bedingungen stellen.
Baden-Württembergs Verkehrsminister gegen Pflicht
Auch andere deutsche Politiker sind inzwischen gegen eine Pflicht zur Fahrtauglichkeitsuntersuchung von Senioren. So sprach sich Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) für freiwillige Tests und Fahrsicherheitstrainings aus. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Dörflinger, pflichtete ihm bei. Wenn man darüber diskutiere, den Renteneintritt auf 70 Jahre anzuheben und gleichzeitig Zweifel an der Fahrtüchtigkeit dieser Altersgruppe habe, grenze dies an Altersdiskriminierung, so Dörflinger in einem Beitrag des SWR. Auch die Opposition im Stuttgarter Landtag ist gegen eine Pflicht.
Auch der ADAC hält eine verpflichtende Fahrtauglichkeitsprüfung ab 70 für falsch. "Der EU-Vorschlag zu Fahreignungstests ab dem 70. Lebensjahr geht an der Realität vorbei. Ältere Autofahrerinnen und Autofahrer sind in ihrer großen Mehrheit vorausschauend unterwegs und meiden riskante Fahrmanöver", sagte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand gegenüber der BILD am SONNTAG.
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