Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder jedes Frühjahr und jeden Herbst selbst zu Wagenheber und Radmutternkreuz greifen und ächzend die schweren Räder wechseln. Oder wechseln lassen, dann aber Termin vereinbaren, freinehmen und Termin einhalten. Halt, es gibt noch eine dritte Möglichkeit: einmalig Ganzjahresreifen aufziehen lassen und dann nie wieder saisonal wechseln. Doch wie weit kommt man mit den Kompromisspneus? Das wollten wir genau wissen und bestellten acht Ganzjahresreifen zum Ganzjahrestest, also winterliche Verhältnisse mit Schnee plus sommerliche Bedingungen mit nassem und trockenem Asphalt. Diesmal dabei: namhafte und bekannte Reifenriesen wie Michelin, Pirelli und Goodyear, aber auch kleinere Hersteller wie die Continental Tochter Uniroyal, der sich in indischer Hand befindende Reifenhersteller Vredestein aus den Niederlanden, Nokian aus Finnland sowie Falken aus Japan, die zu Dunlop/Sumitomo gehören. Ebenfalls dabei ist ein asiatischer Billigreifen der noch jungen Marke Syron, der in Werken des südkoreanischen Reifenriesen Nexen produziert wird.
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Mit entsprechender Kennzeichnung bei Schnee zulässig

Ganzjahresreifen-Test
Einige Ganzjahresreifen zeigen sich echten Winterreifen auf Schnee komplett ebenbürtig.
Für die Entwickler stellt ein Ganzjahresreifen eine ganz besondere Herausforderung dar: Ein solcher Reifen soll unter allen klimatischen Bedingungen verlässlich und sicher fahren und in keiner Disziplin einbrechen. Eine wirklich schwierige Aufgabe für die Gummibäcker, denn Kompromisse sind das täglich Brot bei der Reifenentwicklung. Ein Reifen, der in tatsächlich sämtlichen Disziplinen Höchstleistungen bringt, ist bis heute nicht erfunden worden. Da helfen auch keine EU-Reifenlabel oder nationale Gesetze. Auch in der heutigen Zeit der faktischen Winterreifenpflicht sind diese Ganzjahresreifen zulässig und halten jeder polizeilichen Kontrolle stand. Sie tragen allesamt eine M+S-Kennzeichnung plus Schneeflocke und genügen dem Anhang II Nr. 2.2 der EU-Richtlinie 92/23/ EWG. Ganzjahresreifen erfüllen diese Richtlinie problemlos, weshalb es auch keine Schwierigkeiten mit den Versicherungen beim Unfall auf Ganzjahresreifen gibt. Rechtlich befindet man sich mit den getesteten Ganzjahresreifen also auf der sicheren Seite. Aber auch im realen Leben?
Im Überblick: Alle Ganzjahresreifen-Tests

Ganzjahresreifen sind immer ein Kompromiss

Unser aktueller Test zeigt vor allem, dass der Kompromiss, den die Reifenhersteller bei der Entwicklung eingehen, in die eine oder andere Richtung gehen kann. Im Klartext: Manche Ganzjahresreifen nähern sich dem Winterreifen, manche ähneln in ihren Eigenschaften eher einem Sommerreifen. Und dazu gibt es viele Zwischenlösungen in der Mitte dieser beiden Pole. Der finnische Nokian Weatherproof beispielsweise zeigt sich einem echten Winterreifen in den Schneedisziplinen komplett ebenbürtig. Aber er büßt dafür auf trockenem Asphalt mit weniger exakter Lenkreaktion und durchschnittlichem Bremsvermögen. Der französische Michelin Cross Climate dagegen belegt auf Schnee immerhin sichere mittlere Plätze, läuft aber auf trockenem Asphalt zur Höchstformauf, bremst dort nur minimal schlechter als ein reiner Sommerreifen und hängt auf der kurvigen Handlingstrecke diesen sogar ab. Also muss man selbst entscheiden, was einem wichtiger ist: Sommergrip oder Schneehaftung. Oder noch etwas anderes?

Auch wirklich gute Reifen haben Problemzonen

Ganzjahresreifen-Test
Im Test auf Nässe legt der Billigreifen von Syron dramatische Schwächen an den Tag.
Die Teilnehmer dieses Reifentests zeigen darüber hinaus Sondertalente. Beispielsweise der Uniroyal Allseason Expert, der seinem traditionellen Ruf als Regenreifen in der Aquaplaning-Prüfung alle Ehre macht und hier die höchsten Geschwindigkeiten zulässt, bevor auch er aufschwimmt. Oder der Goodyear Vector 4Season, der bei den Bremsmessungen auf nassem Asphalt nicht nur mit Abstand den Bestwert abliefert, sondern in dieser Disziplin auch noch locker den reinen Sommerreifen besiegt. Auf der anderen Seite zeigt der Test aber auch unbarmherzig die Problemzonen einiger Kandidaten auf: Beispiel Vredestein Quatrac, ein wirklich guter Ganzjahresreifen mit letztlich nur einer einzigen, echten Schwäche: Er schwimmt bei Aquaplaning relativ früh auf. Beispiel Uniroyal Allseason Expert: Dieser Meister im Starkregen überrascht beim Bremsen auf ganz normaler nasser Fahrbahn mit einem verlängerten Bremsweg. Weitgehend misslungen ist der Ganzjahres-Kompromiss des Billigreifens von Syron. Selbstverständlich ist sein Preis verlockend, weil für einen Satz nur rund die Hälfte des Betrages der Markenreifen fällig wird. Aber andererseits relativiert sich diese Einsparung schon dadurch, dass der erhöhte Rollwiderstand des Syron 365 Days den Treibstoffverbrauch ansteigen lässt und damit einen Teil des eingesparten Geldes wieder auffrisst. Das allein wäre vielleicht gerade noch akzeptabel, wenn da nicht wirklich dramatische Schwächen wären: Der Bremsweg aus Tempo 100 auf nasser Fahrbahn beispielsweise verlängert sich mit dem Syron um gefährliche 12 Meter gegenüber dem doppelt so teuren Goodyear. Außerdem rollt der Syron unkomfortabel und laut ab: mehr als vier Dezibel lauter als der angenehm leise Goodyear. Den Unterschied hört jeder in jedem Auto sofort. Der Test zeigt, dass man auf bestimmte Kompromissreifen vertrauen kann. Klar, in einzelnen Disziplinen sind reine Sommer- oder reine Winterreifen saisonal immer noch besser. Aber als Sicherheitsrisiko – wie mancher noch vor Kurzem die Ganzjahresreifen abstempeln wollte – darf man sie ganz sicher nicht titulieren.
Die Bewertung der acht Reifen finden Sie unten in der Tabelle. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Stärken und Schwächen der Reifen gibt's in der Bildergalerie.

Ganzjahresreifen können eine vollwertige Alternative zum saisonalen Räderwechsel sein – wenn sie so gut sind wie unsere Testsieger von Goodyear und Michelin, die auf die gleiche Höchstpunktzahl kommen. Hüten sollte man sich vor vermeintlich günstigen Angeboten aus der asiatischen Billigecke.