"AUTO BILD arbeitet hier grob mangelhaft, die Bewertung ist kaum nachvollziehbar." Starker Tobak, den Holger Böhm in seinem Leserbrief losließ, der in dem Vorwurf gipfelte: "Es gewinnt doch immer nur der Golf." Das saß! So sehr, dass wir Böhm eingeladen haben, zusammen mit sechs weiteren Golf-Kritikern zwei Tage lang selbst zu testen – für den Vergleich zwischen fünf Kompakten. Trägt AUTO BILD wirklich eine VW-Brille? Testen die Leser objektiver? Und: Was können wir besser machen?
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Video: Ford Focus, BMW 114i, VW Golf

Bärenstarke 100 PS-Klasse

Respekt, es waren echte Autofans, die bei drei Grad Außentemperatur stundenlang durch Autos krochen. Ihre Aufgabe: die subjektiven Kriterien in unserer Tabelle zu punkten, von Raumgefühl bis Traktion. "Im Auris hatte ich die Verkleidung in der Hand", berichtet Tom Witzgall aus Berlin. Roman Lingys, 45 Jahre lang Kfz-Mechaniker, scheitert im Ford daran, die Scheinwerferbirne zu wechseln. "Wer baut so was?" Mit deutlichen Worten wurde nicht gespart. Da galt die Tankklappe am Focus als "eingebaute Beule" oder die miserable Rücksicht im Opel Astra "als eine Katastrophe". Und immer wieder bekam der Golf sein Fett weg: "Der gähnt einen doch geradezu an", so Rechtsreferendar Philipp Esser. Doch wie in jedem Vergleich zählte nicht Geschmack, sondern das nachvollziehbare Bewerten etwa von Sitzposition, Bedienbarkeit oder Federung. So zirkelten die Lesertester um Pylonen oder beurteilten die elektronischen Fahrhilfen im Elchtest. Jeder in jedem Auto, im Zweifel auch ein zweites, drittes und viertes Mal. Denn erst das direkte Umsteigen (und zunehmende Erfahrung) öffnet die Augen. Kerstin Hain: "Mir gefällt der Focus mit seinem sportlichen Fahrwerk."

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Fünf Kompakte im Lesertest
Überrascht: "Mir war nicht klar, welcher Aufwand hinter einem Vergleich steht", sagt Holger Schilli.
Auch danach auf der Landstraße? Wie spricht die Federung an? Lärmt der Motor? "Mir war nicht klar, welcher Aufwand hinter einem Vergleich steht", so Holger Schilli. Nach den Fahrtests folgten Überstunden, als die Kritiker abends stundenlang Preislisten und Prospekte studierten. So unterschiedlich die Autos, so speziell sind auch unsere Leser. Von "Der Preis ist unwichtig, ich kauf nur Jahreswagen" (Tom Witzgall) bis "Ich will auch den Testwagenpreis wissen" (Kerstin Hain) war alles zu hören. Die Diskussion drehte sich bald um Grundsätzliches. Sollten Bedienbarkeit und Variabilität bei Kompakten stärker gewichtet werden als etwa bei Vans? Was AUTO BILD intern oft diskutiert, ebenso oft verwirft: Wir wollen auch verschiedene Konzepte vergleichen. So redeten sie stundenlang, punkteten und stellten fest: Das Ergebnis lag ganz nah an AUTO BILD. Die Leser geben dem Golf sogar einen Punkt mehr, der Honda wird bei den Lesern Zweiter statt Dritter.
Die Runde zweifelt. "Ihr schummelt", hieß es. "AUTO BILD hat Messwerte und Kosten so vorgepunktet, dass der Golf gewinnen muss." Falsch, denn als die Leser nur ihre subjektiven Punkte addierten, lag der VW noch deutlicher vorn. Alessandro Gebhardt gab zu: "Bieder, aber ein sicheres, konstantes Auto." Was nimmt AUTO BILD als Anregung mit? "Wie wäre es mit einer genormten Parklücke als Testkriterium?", so Kerstin Hain. Roman Lingys wünscht sich die Sprudelkiste als Messgröße im Kofferraum. Wir denken drüber nach, versprochen. Am Ende bleibt nur Philipp Esser entschlossener Golf-Gegner. "Anderssein ist auch ein Mehrwert." Stimmt. Das gilt auch für unsere Leser. Danke fürs Kommen.
Das detaillierte Lesertest-Ergebnis gibt es in der Bildergalerie. Wie die Profis gewertet haben, lesen Sie in AUTO BILD 15/2013.

Fazit

von

Joachim Staat
So haben sie gewertet: Sieben Leser bewerten einzeln, addieren und teilen durch sieben. Ihr Ergebnis liegt verblüffend nahe am AUTO BILD-Resultat. Der Golf gewinnt, der neue Auris landet hinten. Deutschland, einig Auto-Land? Keineswegs, zu heftig war die Kritik unserer Leser, zu kompetent ihre Sicht aus dem Auto-Alltag. Bei diesem ersten Vergleich gewinnt ihr Heft: AUTO BILD. Gut so!

Von

Joachim Staat