Warum ausgerechnet Rot? Das war der erste Gedanke, den die Tester von AUTO BILD hatten, als sie den Honda Accord Tourer am 25. Februar 2009 in ihrem Dauertestfuhrpark begrüßten. Der Kombi sieht ja schnieke aus, aber warum Rot? Und dann auch noch "Milano Red"? Kommt auf Fotos zwar gut, doch das japanische Kastenheck ist trotz 150 munterer Diesel-PS ja kein Sportwagen. Schon gar kein italienischer. Und auch kein Feuerwehrauto. Wie albern! Doch dann kam die erste Dienstreise im Accord. Und ganz plötzlich war seine Farbe egal. Wer nach 1000 Kilometern aus dem Accord aussteigt, fühlt sich fit für die nächsten 1000 – immer vorausgesetzt, man mag die sportlich-straffe Grundhaltung des Fahrwerks und begegnet dem Honda nicht mit vorgeschädigten Bandscheiben.
Honda Accord Tourer
Die Bedienungselemente des Accord weichen vom üblichen Layout ab und sind gewöhnungsbedürftig.
Dann kuschelt man entspannt in den bequemen Polstern und genießt in flotten Kurven den guten Seitenhalt der Sitze – selbst für die Schultern gibt es so viel Unterstützung, dass gefühlt eher der Wagen kippt als der Fahrer aus dem Sessel. Für Redakteur Martin Puthz vorbildlich: "An der Seitenabstützung im Schulterbereich könnten sich viele andere Hersteller eine Scheibe abschneiden." Diesen dynamischen Eindruck unterstützte auch der Motor. Nur beim Kaltstart laut nagelnd, begeisterte der 2,2-Liter-Diesel mit seinen Spurt- und Spartalenten. "Klasse Motor – leise, stark, sparsam", fasste Redakteur Jürgen von Gosen seine vielen Touren im Tourer zusammen.

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Honda Accord Tourer
Der Accord leistet sich ein charaktervolles Design – das hebt ihn vom Einheitsbrei ab.
Weil die sauber rastende Sechsgangschaltung gleichzeitig mit perfekten Anschlüssen glänzte und der Tempomat selbst bei Gangwechseln die eingestellte Geschwindigkeit nicht vergaß, gab sich der Accord über die gesamte Dauertest-Distanz mit 7,3 Litern pro 100 km zufrieden. Respekt! Das könnte auch schon fast das Schlusswort sein. Denn nach 100.000 Kilometern konnten wir am Honda trotz akribischer Zerlegung in seine Einzelteile kaum Mängel entdecken. Gesamtnote 1-, und damit bester Honda im Klassement. Glückwunsch. Und dennoch gibt es hier und da zu kritisieren. Das wahrlich nicht üppige Raumangebot im Fond und im Gepäckabteil geht natürlich aufs Konto der flotten Form – gut finden müssen wir das deswegen aber noch lange nicht.

Wenig Platz für die Füße im Fond

Vielfahrer Manfred Klangwald kommentierte es so: "Der Fond ist für gemeine Mitteleuropäer zu eng – da krieg’ ich ja kaum die Füße eingefädelt." Auch die "bekloppte E-Heckklappe" hätte der Testprofi am liebsten zugelassen. "Der Einklemmschutz ist so sensibel eingestellt, dass schon ein überstehendes Tempotuch das Schließen verhindert." Außerdem öffnet und schließt die fünfte Tür im Zeitlupentempo – es gibt am Accord wohl kaum ein Extra, auf das sich leichter verzichten lässt. Nicht abwählen lassen sich hingegen die vielen Piepstöne, die der Honda zur Kontrolle von sich gibt. Gern abgeben würden wir zudem noch ein paar Knöpfe aus dem Cockpit. Die vielen großzügig über den Innenraum verteilten Schalter verwirren erst mal – es braucht schon Zeit und Muße, sich in alle Funktionen zu fummeln.

Keine Füllstandsanzeige für Wischwasser

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Der Accord machte klag- und pannenlos alles mit. Nach 100.000 Kilometern zeigte er sich noch taufrisch.
Bei der Koppelung eines Bluetooth-Handys mit der Freisprechanlage erreichte ein Teil unserer Testmannschaft dann die Grenzen. "Ohne Handbuch eine echte Herausforderung", schrieb selbst Computerfreak Daniel Gau in seine Reisenotizen. Schlimmer wiegt allerdings Hondas nachlässiger Umgang mit dem Thema Wischwasser, gerade im Winter eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle. Im Accord ist der Wassertank jedenfalls ohne jede Vorwarnung leer und der Fahrer fällt aufgrund mangelnder Sicht ins Notprogramm. Um sich als Krönung beim Nachfüllen des Wischwassers auch noch darüber ärgern zu müssen, dass der Haubenaufsteller voll im Weg steht. Kleinigkeiten? Ja! Und sie schmälern das gute Ergebnis des Honda Accord Tourer über 100.000 Kilometer kein bisschen. Sie sollten Honda aber zum Nachdenken anregen. Damit eine knallige Farbe künftig das Einzige ist, was uns erstaunt.

Diese Assistenten arbeiten im Accord

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Im Dauertestwagen an Bord: "Honda Advanced Safety"-Paket, u.a. mit adaptivem Tempomat und Spurhalteassitent.
Im Dauertestwagen war das "Honda Advanced Safety"-Paket verbaut (2450 Euro). Es unterstützt den Fahrer mit der adaptiven Geschwindigkeitsregelung ACC (Adaptive Cruise Control), dem aktiven Spurhalteassistenten LKAS (Lane Keeping Assist System) und dem präventiven Fahrerassistenzsystem CMBS (Collision Mitigation Brake System). Bedient werden sie über Tasten am Lenkrad, was durch die Fülle der Bedienelemente etwas verwirrend ist. Besonders die radargestützte Tempo-Abstandsregelung funktioniert einwandfrei. Lenkeingriffe vom LKAS werden oft als störend empfunden.

Abschlussbericht des Sachverständigen: keine Mängel feststellbar

Honda Accord Tourer
Kein Rost, keine Mängel: Nach 100.000 km ist der Accord noch topfit.
Kompliment, Honda: Die Qualität dieses Accord ist beeindruckend. Unangenehmer Begleiteffekt für uns: Der Abschlussbericht des DEKRA-Sachverständigen Günther Schiele ist die gedruckte Langeweile. 70 Kontrollpunkte, und an fast allen steht schlicht i.O. – in Ordnung. Aber natürlich kann es für unseren Testkandidaten kaum ein größeres Kompliment geben. Jedes i.O. heißt im Klartext: keine Mängel feststellbar. Motor kerngesund, kein Verschleiß mess- und sichtbar. Getriebe bis zum letzten Zahnrad frei von Dauertestspuren. Der erste Satz Bremsscheiben war bis zum Schluss im Einsatz und hatte locker noch länger durchgehalten. Abgaskrümmer, Katalysator, Auspufftopf und -rohre, alles ohne Beanstandung.

Nur die Massekontakte stören den guten Eindruck

Gibt es denn gar nichts Schlechtes am Accord? Doch. Gunther Schiele beanstandet Korrosion an ungeschützt montierten Masseanschlüssen. Das stört die Optik, bringt die Honda-Verantwortlichen aber nicht ins Schwitzen. Selbstbewusst versichern sie, dass sie trotz des Gammels keinerlei Elektronikstörungen erwarten.

Das sagen die Leser

"Gutes Fahrzeug zu angemessenem Preis". Meine Erfahrung mit dem Accord ist durchweg positiv. Sehr gute Verarbeitung, super Leistung bei niedrigem Verbrauch, perfekte Lenkung und Schaltung. Christian Radicke, per E-Mail (Honda Accord Tourer 2.0 Elegance).

Fazit

von

Manfred Klangwald
So wünschen wir bei AUTO BILD uns eigentlich jeden Dauertest. Zuverlässig die 100.000 Kilometer abgespult, außer ein paar Verschleißteilen und Betriebsstoffen nichts verlangt, keine bösen Überraschungen bei der Schlussuntersuchung – eine reife Leistung. Wir können unserem Honda Accord Tourer mit dem 150 PS starken Diesel jedenfalls ein durchweg positives Zeugnis ausstellen: Note 1–. Womit er sich ganz weit oben in unserer Dauertest-Rangliste und auch im Ansehen bei der Testmannschaft einordnet.

Von

Manfred Klangwald