Kia Niro/Toyota C-HR/Toyota Prius: Hybride im Test
Hybride: Hightech oder Humbug?
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Hybrid, das klingt erst mal kompliziert. Und teuer. Wir checken die Technik im echten Leben: Wie viel sparen Toyota und Kia wirklich?
Bild: Roman Raetzke
Der Hybrid hat was vom Bio-schnitzel. Wenige Käufer preisen hartnäckig die Vorzüge, die Mehrheit hat beides noch nie probiert. Zu teuer, zu anders, und hinterher geht’s einem nicht besser, so die Vorurteile. Also probieren wir von der automobilen Alternativtheke: Wie funktionieren nun die modernsten Kompakthybride im Alltag? Sind sie Hightech oder Humbug?
Seit zwei Jahrzehnten steht der Prius für das Antriebs-Duo
Hybrid-Urvater: Der Toyota Prius war vor 20 Jahren der Erste, der Ernst machte mit dem Mischantrieb.
Bild: Roman Raetzke
Das Gesicht der Sparerszene ist der Toyota Prius. Vor 20 Jahren ein Pionier, kultiviert die vierte Generation ihr technisches Anderssein außen mit kantigem Eigenwillen. So wird das Schrägheck wieder schick, optimiert im Windkanal, nur übersichtlich geht anders. Die Front liegt im Nirwana, das geteilte Heckfenster steht hinten im Blickfeld wie eine dicke Hornbrille. Da hilft nur die Rückfahrkamera! Luftig wirkt der Toyota, hinten hat er echte Taxiqualitäten. Im Fond schlagen selbst Lange die Beine übereinander, und der Kofferraum (501 bis 1633 Liter) fasst das Gepäck einer gerade aus dem Urlaub gelandeten Familie. Das Cockpit verlangt Gewöhnung, bis die Vorteile klar werden: Der kleine Schaltknubbel räumt die Mittelkonsole frei für Ablagen, die Mittelanzeige wirft das Tempo als große Zahl ins Blickfeld. Endlich gönnt Toyota seinem Aushängeschild weichere Kunststoffe, hoch auflösende Displays und modernen Klavierlack. Wer sparen will, muss nicht darben.
Die Optik des C-HR hat reichlich Hybrid-Avantgarde
Extravagant: Technisch basiert der spacige C-HR auf dem Prius, er hat aber den größeren Wow-Effekt.
Bild: Roman Raetzke
Die gleiche Technik packen die Japaner in ein SUV-Coupé, das aussieht wie eine zerbeulte Mondlandefähre. Vorm C-HR knipsen morgens die Handy-Paparazzi: hier den Dachspoiler im Stil von Draculas Mantelkragen, dort den blauen Leuchtstreifen im Cockpit. Viel wichtiger, dass der Fahrer neun Zentimeter höher sitzt als im Prius, in einem erstaunlich bürgerlichen Interieur. Da gibt es Rundinstrumente, den großen Schalthebel und leider auch im Fond solche Kellerfenster, dass die Enkel sich vorkommen wie eingesperrt. Mit der 79 Zentimeter hohen Ladekante ersetzt jeder Samstagseinkauf den Besuch im Sportstudio. Praktisch? Doch nicht Captain Future! Ist der Niro daneben bieder? Oder erfreulich konventionell? Wer vom Kompakten die paar Zentimeter hinaufsteigt, hat im Kia die geringsten Anpassungsprobleme. Dieses Hybridauto will funktionieren, von der besten Sitzposition bis zur guten Rundumsicht durch das dritte Seitenfenster. Mit dem Erfolg des 1,54 Meter flachen Grenzgängers im SUV-Look hat Kia nicht gerechnet: Der Niro ist ausverkauft bis Dezember – obwohl es ihn nur als Hybriden gibt.
Dabei wählen die Koreaner eine andere Technik als Toyota: Statt eines stufenlosen Planetengetriebes überträgt eine Doppelkupplung zusammen 104 kW von Benziner und E-Motor – der Niro beschleunigt mit leichten, fein verschliffenen Schaltrucken, ohne Gummibandeffekt beim Kickdown. Die Geräuschkulisse reicht vom Straßenbahnsingen des E-Motors bis zum hörbaren Knurren, wenn der 1,6-Liter-Benziner zwar am schnellsten (10,5 Sekunden) auf Tempo 100 kommt, sich auf der Autobahn aber mageren 162 km/h Spitze entgegenmüht.
Das Fahrwerk des Niro passt eher auf die Rennstrecke
Erstaunlich hart: Der Niro vergisst den Fahrkomfort fast vollständig – sein Antrieb kann aber überzeugen.
Bild: Toni Bader / AUTO BILD
Viel mehr stört das bockharte Fahrwerk. Der Niro zittert schon beim Überfahren von Mittelstreifen, auf Landstraßen kommt er endgültig ins Springen und Schütteln – das weckt zusammen mit der Sportgasse am Schalthebel kurz mal den Vettel in dir, schlägt aber auf Dauer auf den Magen. Aber ist das die passende Fahrweise für einen Hybriden? Dann doch lieber den stufenlosen Anzug des C-HR. Dieses geschmeidige, lochfreie Gleiten legt sich schnell wie Baldrian aufs Nervenkostüm. Okay, das Gummiband, ein Geräusch wie Anfahren mit schleifender Kupplung, stört beim Kickdown. Also lässt man es einfach sein. Ist sowieso umweltfeindlich, sagen seine Befürworter. Ein Spaßkiller, jammern die Sportfreunde. Fakt ist: Es geht auch ohne Vollgas flott genug voran. Hat der Gasfuß diese entscheidende Lektion gelernt (und akzeptiert), steht weiteren Lerneffekten nichts im Weg. Wie laufruhig der 1,8-Liter-Benziner arbeitet! Wie sanft der E-Motor einsetzt! Die größte Show ist, genug Batterieladung vorausgesetzt, lautlos aus der Parklücke zu stromern. Spätestens nach einem Kilometer springen die Verbrenner an, im Stop and go übernehmen wieder die Stromer. Bald flutscht es unmerklich. Je mehr Stadtverkehr, desto besser spart der Hybrid.
Klare Kiste: Der Prius spart in dieser Runde am besten, er liegt in allen Verbrauchskategorien vorn.
Bild: Roman Raetzke
Der Prius hilft beim Knausern mit Extra-Anzeigen im Bordcomputer, von der Energiefluss-Anzeige bis zum Protokoll der Tagesverbräuche. Da liegt der Prius mit 4,8 Liter Testschnitt klar vorn, vor allem der Sparverbrauch von 4,2 Litern (C-HR: 4,4 Liter) beweist, dass Toyota die am höchsten entwickelte Technik bietet. Die 5,8 Liter (bzw. 4,7) des Niro sind immer noch gut, so viel schluckt aber auch ein Golf 1.4 TSI mit 125 PS. So weit, so Prius. Aber dass die-er Sparknochen nun auch sanft abrollt, mit seiner Doppelquerlenker-achse hinten die Straße aufmerksam liest und so leise bleibt wie eine Kapelle, das hat uns nach den rumpeligen Vorgängern doch überrascht. Prius Nummer vier ist viel mehr normales Auto geworden – da hat seine Form sogar etwas von neuer Avantgarde: Dieser Toyota ist der Citroën CX von heute. Technik und Image haben inzwischen ihren Preis: Mit 28 150 Euro liegt das Basismodell 3160 Euro über dem einfacheren Niro, bietet dafür schon LED-Scheinwerfer, Rückfahrkamera und Abstandsregelung serienmäßig.
Sieben Jahre Garantie klingen gut bei Kia, während Toyota seine Zuverlässigkeit schon bewiesen hat: Note 1 im AUTO BILD-Dauertest – besser kann Alltag nicht aussehen. Oder doch? Der C-HR bietet Prius-Technik, cooles Design, hohe Sitzposition. Und ist sogar einen knappen Tausender günstiger.
Fazit
von
Joachim Staat
Hybride sind Hightech kein Humbug. Und kommen Benzinern im Alltag immer näher. Im konsequenten Prius steckt das höchste Sparpotenzial, Alltagsfreund Niro senkt die Hemmschwelle beim Umstieg. Dem radikalen C-HR setzt der Hybrid die Krone auf. Fakt ist auch: Die neuen Antriebe sind teurer, man muss sie sich leisten wollen.