Alles wird teurer. Mieten, Sprit, die Krankenkasse. Schön, wenn mal einer den Spieß umdreht. Träumte Vati vom Van mit sieben Sitzplätzen und dickem Diesel, baute sich bislang die 30.000-Euro-Marke vor ihm auf. Beim neuen Chevrolet Orlando muss er nicht mehr auf die Kindergeld-Erhöhung warten. Denn hinter der großen Schnauze mit dem uramerikanischen Bow-Tie-Logo steckt ein Auto aus Korea, das satte 4725 Euro weniger kostet als ein VW Touran. Da fragt man sich natürlich gleich: Wo ist der Haken? Machen wir’s kurz: Es gibt keinen. Unter einem breitschultrigen Blechkleid steckt Technik aus dem Hause Opel – somit kein Fast Food aus Fernost, sondern solide deutsche Ingenieursarbeit.

Überblick: Alle News und Tests zum Chevrolet Orlando

Chevrolet Orlando
Kommt aus Korea, klingt amerikanisch und steht auf einer Opel-Plattform: der Orlando.
Die man in diesem Fall sogar mit den Händen greifen kann: Viele Schalter im Orlando-Cockpit sind aus Astra und Insignia bekannt. Auch die Grafik des Navigationssystems weckt Wiedersehensfreude – die sich noch steigert, wenn man vom freundlichen Chevy-Händler erfährt, dass der elektronische Pfadfinder keinen Cent extra kostet. Tempomat und Klimaautomatik sind übrigens auch schon drin. In Sachen Qualität muss sich der Pseudo-Ami seiner Korea-Herkunft ebenfalls nicht schämen. Die Kunststoffe fassen sich angenehm an, die Verarbeitung leistet sich keine Schnitzer. Gut auch die Sitzposition auf breiten Sesseln mit langer Beinauflage und hoch reichenden Rückenlehnen. Ein echtes Reisewohnzimmer. Osnabrück– Orlando? Wäre kein Problem, wenn nicht der Große Teich dazwischen läge.

Überblick: Alle News und Tests zum Peugeot 5008

Peugeot 5008
Wirkt im Vergleich eher träge: Der Peugeot 5008 setzt auf eine Sechsstufen-Automatik.
Erst in Reihe zwei wird deutlich, dass der 4,65-Meter-Bulle aus seiner Länge weniger macht als der 25 Zentimeter kürzere VW Touran oder der Peugeot 5008, den er noch um zwölf Zentimeter überragt. Die Beinfreiheit im Fond reicht aus, üppig ist sie aber nicht. Peugeot-Passagiere haben vier Zentimeter mehr Luft vor den Knien. Dass sie auf mickrigen Hockern kauern müssen, steht auf einem anderen Blatt. Auch das Raumkonzept des Orlando wirkt für Van-Verhältnisse ideenlos. Bei der Konkurrenz lassen sich die hinteren Einzelsitze umlegen, zusammenklappen und in Längsrichtung verschieben. Wer besonders viel transportieren möchte, kann sie beim Touran mit ein paar Handgriffen sogar ganz ausbauen. Der Chevy dagegen bietet lediglich eine starre, teilbare Rückbank, die sich für den leichteren Zustieg in die dritte Reihe zum Paket falten und gegen die Vordersitze vorklappen lässt. Nach ganz hinten gelangen Fahrgäste hier somit bequemer als bei den zwei Konkurrenten (und sitzen dort auch weniger beengt) – doch wie oft ist das im Alltag wichtig?
Viel öfter ärgert wohl, dass die im Tiefparterre versenkten Extra-Sitze in Tateinheit mit der flachen Karosserie das Kofferraumvolumen einschränken. 458 bis 1499 Liter sind zwar urlaubstauglich, aber damit liegt der Orlando mehr auf Kombi- als auf Van-Niveau. Peugeot und VW packen jedenfalls deutlich mehr ein. Besonders riesig ist der maximale Gepäckraum des Touran, der sich als einzige Schwäche eine kleine Stufe in der Ladefläche leistet. Auch sonst lässt sich über den Wolfsburger fast nur Gutes sagen. Übersichtlichkeit und Funktionalität sind mustergültig. Der Diesel hält trotz Leistungsrückstands mit seinen 23 PS stärkeren Rivalen wacker mit und verbraucht am wenigsten. 5,9 Liter pro 100 Kilometer haben wir im Test gemessen – das BlueMotion-Technology-Sparpaket (unter anderem mit Start- Stopp-Funktion, die den Motor an der Ampel automatisch abstellt und beim Los fahren wieder startet) trägt offenbar Früchte.

Überblick: Alle News und Tests zum VW Touran

VW Touran
Der Schnellste verbraucht am wenigsten: Im VW Touran überzeugt der 140-PS-Diesel.
So sehr er mit Kraftstoff knausert, so wenig geizt der TDI aus Wolfsburg mit dem Fahrspaß: Hellwach hängt er am Gas, dreht gleichmäßig und cremig hoch, läuft vibrationsarm. Der Chevy-Vierzylinder macht nur minimal mehr Radau, muss aber erst aus einem tiefen Turboloch emporkrabbeln und nach jedem Schaltvorgang neu Luft holen. Zudem ist er mit 6,9 Litern nicht ganz so sparsam. Auch der Komfort stimmt beim Orlando. Nur die Vorderachse bringt sich beim Überfahren von Kanaldeckeln und Teerflicken immer wieder polternd in Erinnerung. Der VW könnte kurze Stöße ebenfalls feinfühliger wegstecken, verdaut lange Wellen dafür besonders souverän, auch wenn er dabei stärker als der Chevy in den Federn wogt. 5008-Fahrer haben zuweilen das Gefühl, Peugeot habe gar keine eingebaut. Die straffe Abstimmung führt dazu, dass der Gallier spurstabil und ohne nennenswerte Seitenneigung durch die Kurven eilt. Der Ritt über löchrige Landstraßen rüttelt die Reisenden aber durch wie eine Fahrt in der Postkutsche.
Der 163-PS-Diesel ist beim 5008 an eine Sechsstufenautomatik gekoppelt, die sanft, aber bedächtig schaltet, sodass der Peugeot trotz objektiv guter Messwerte im Vergleich zu den beiden anderen Vans ein wenig träge wirkt. Abgesehen davon erhöht der Wandler den Verbrauch. Mit 7,8 Litern schluckte der 5008 fast zwei Liter mehr als der Touran. Überraschenderweise ist er auch teurer. In der Comfortline-Version kostet der VW einige Hunderter weniger. Der Chevy- Preisvorteil lässt sich sogar in ein paar Tausendern bemessen. Damit hat er bei kühlen Rechnern einen Stein im Brett. Und ein gutes Auto ist er auch.
Martin Puthz

Fazit

Große Schnauze? Ja, aber es steckt auch viel dahinter. Am VW Touran beißt sich der Chevy zwar die Zähne aus. Etablierte Größen wie den Peugeot 5008 hält er jedoch problemlos in Schach. Wer viel Auto fürs Geld sucht und einen Van auch dann akzeptiert, wenn er nur ein Kombi mit erweitertem Funktionsumfang ist, liegt beim Orlando richtig. Gut und günstig, aber nicht billig – Zoff in der eigenen Familie ist da programmiert: Mit solchen Autos kann Chevrolet auch zur Gefahr für Opel werden.