1976, verdammt lang her. Schmidt ist Kanzler, Gladbach holt die Meisterschaft, Volltanken kostet vierzig Mark, der Wiedehopf wird Vogel des Jahres, über den Autor war noch nicht mal nachgedacht, und in den VAG-Dependancen steht der Golf erstmals auch als GTI. Es ist der Coup des Jahres und von der Außenwirkung anfangs wohl fast so, als würde Inge Meysel auf einmal in Hot Pants über die Mattscheibe tingeln. Ganz ohne Risiko ist die Nummer aber nicht, wenn man bedenkt, dass sich BMW mit der Turbo-Ausgeburt des 2002 zwei Jahre zuvor mal so richtig in die Nesseln setzte.
VW Golf GTI 35
Sechsundsiebzig, verdammt lang her. Schmidt ist Kanzler, und in den VAG-Dependancen steht der Golf erstmals auch als GTI. Mittlerweile im 35 Jahr.
Inzwischen ist er wohl der Einzige, der es mit 35 noch als Poster ins Jugendzimmer schafft. Ohne Nachahmer bleibt die GTI-Idee über die Jahre natürlich nicht. S3, Cupra, Mégane RS – sie alle reiten auf genau der Welle, die VW 1976 losgetreten hat. Und sie alle sind natürlich dabei, wenn dieser Moment gefeiert wird. Ein Test zum Jubiläum also, nur dass hier niemand etwas geschenkt bekommt. Für seinen halbrunden Geburtstag – wir gratulieren hiermit nachträglich – hat sich der Golf wie üblich noch mal hübsch gemacht: bulligere Schürze samt Winglets, kräftig aufgepumpte Schweller, glanzschwarze Spiegelkappen, dazu frischer Räderschmuck in 18 oder 19 Zoll. Edition 35 nennt ihn VW, seine Fans dürfen aber wie schon immer auch Jubi sagen. Testrelevant ist wie so oft jedoch nur das, was sich unter dem ganzen Sondermodellbrimborium abspielt. Interessant vor allem, dass man den stärksten aller bisherigen GTI – motorisch gesehen – gar nicht als GTI, sondern als Ableger des Golf R verstehen muss.

Überblick: Alle News und Tests zum Audi S3

Audi S3
Prädikat S3: Seit 1999 stellt der kompakte Audi mit dem S am Heck die stärkste Ausprägung dar. Ausnahme: der RS3 (seit 2011).
Im Gegensatz zu seinem Namensvetter, der seine 211 PS aus dem jüngeren Zweiliter-Turbo – interne Bezeichnung EA 888 – schöpft, bekommt das Jubi-Modell noch den älteren, gleichsam 1984 Kubik großen, aber leistungsfesteren EA 113 implantiert, wie man ihn derzeit auch für Cupra R und S3 einsetzt. Vor- oder Nachteile? Allenfalls, dass die symbolischen 235 PS, die VW der Edition 35 elektronisch anerzieht, eher als Minimalwert gelten dürften. Entsprechend knapp geht's innerhalb der Familie zu: Bis 100 trennt ihn von seinen nominell stärkeren Kollegen nicht mal ein Wimpernschlag. 6,5 Sekunden braucht er für den Stammtischsprint, womit er ein Zehntel hinter dem Seat, aber immerhin vier vor einem ordinären GTI rangiert. Die Konzernbestzeit geht an Audi, obwohl die Drehzahl des S3 aufgrund der unerbittlichen Traktion des Allrads beim Lossprinten erst mal leicht in sich zusammensackt. Auch der Renault spurtet im gleichen Fenster: Trotz 15 Minder-PS egalisiert er den Null-auf-hundert-Wert des S3, hat bei 160 sogar leicht die Nase vorn, um danach aber hinter die VW-Bande zurückzufallen.
VW und Audi entfalten ihren Turboschub eher geschmeidig, klingen kernig, aber soft und wirken spürbar geschliffener als ihre ausländischen Konkurrenten, die einem gerade in den kurzen Gängen immer wieder in die Lenkung fuchteln. Begeisterung entfacht dennoch vor allem der Seat. Rautensteppsitze, wie sie sonst eigentlich nur von Lamborghini kommen, der Drehzahlmesser als Hauptattraktion, dazu ein martialisiertes Blechkleid mit drei Schlitzen unterm Nasenloch sowie dieser wunderbare Auspuffsound, der einem auch dann noch tief bassig um die Ohren grollt, wenn seine Rivalen schon wieder ins hohle Vierzylindern entgleisen. S3 und GTI mögen sportliche Gölfe sein, der Seat ist der Sportwagen im Golf-Format. Und er zieht die Nummer eiskalt durch. Motto: Konsequenz statt Kompromiss. Der Wendekreis nimmt wegen der 19-Zöller groteske Dimensionen an, das Cockpit wirkt mit seinen krustigen Kunststoffen und lapidaren Passungen eher zweckmäßig als liebevoll, und während man seinen Geschwistern mit Hilfe adaptiver Dämpfersysteme auch eine gefühlvolle Seite antrainiert, rüpelt der Leon stets staubtrocken über jede noch so winzige Verwerfung hinweg. Summa summarum: hart, aber herrlich.
Renault Mégane RS
Den Mégane RS lässt Renault seit 2006 auf den Rest der Kompakt-Bande los.
Dem Renault fehlen lockerbare Kennlinien zwar ebenso, trotzdem dämpft er eine ganze Ecke gesitteter als der Cupra R. Zu brav? Keine Sorge. Als RS ist er das genaue Gegenstück zu dem, was man sonst so unter einem Mégane versteht. Kein quarkiges Ansprechen, kein Fahrwerkstorkeln, keine Plüschsitze, und statt einem beim Schalten stets das Gefühl zu geben, man rühre gerade einen Topf Knetgummi an, rasten seine sechs Gänge – wie übrigens auch die der Konkurrenz – blitzsauber und definiert. Mit anderen Worten: Obwohl man sich in seiner gestreckten Karosserie nicht ganz so umwachsen fühlt wie bei der VW-stämmigen Konkurrenz, liegt er insgesamt prima in der Hand. Die Lenkung agiert exakt, am Heck tanzen die Lastwechsel mit, und das Bremspedal presst auch dann noch vehement gegen die Sohle, wenn es sich bei Audi und VW bereits matt getrampelt in den Bodenteppich verzieht. Nett außerdem: die Untersteuer-Kontrolle (USC) des – im Gegensatz zur Konkurrenz – völlig abschaltbaren ESP. Sie reguliert Gasbefehle genau bis an die Schwelle zur Gleitreibung heran, um einen dann wie an einer unsichtbaren Leitplanke entlang durch Kurven zu ziehen. Rutschfest, narrensicher und in Wahrheit um einiges spaßiger, als es sich jetzt womöglich liest.

Begeisterung entfacht vor allem der Leon

Seat Leon Cupra R
2001 bringt Seat den Leon Cupra. 2002 den ersten Cupra R.
Doch all das ändert nichts daran, dass ihm der Seat auf dem Sachsenring deftige 1,3 Sekunden überbrät. Woran's liegt? An zweierlei. Erstens am Fehlen des optionalen Cup-Pakets, dessen mechanische Vorderachssperre den Traktionsverlust in den engen Bögen etwas eingedämmt hätte. Zum anderen an einem kleinen Fehler, der Renault bei der Reifenwahl wohl unterlaufen ist. Konkret: An der Hinterachse montierte man Dunlops SP SportMaxx in der griffigen GT-Mischung, vorn – also dort wo's beim Fronttriebler zählt – beließ man es bei deren hölzernerer Standardfassung. Tippfehler im Sekretariat? Eigenwillige Auffassung von Mischbereifung? Egal wie, korrekt bereift hatte der Mégane einst (AUTO BILD SPORTSCARS Ausgabe 12/2010) eine Zeit erzielt, die mal eben eine gute halbe Sekunde unter dem liegt, was wir heute – so grausam können Vergleichstests sein – werten müssen. Wie sich die vier Kompakt-Kracher auf der Piste schlagen erfahren Sie in der Bildergalerie. Den komplette Vergleich mit allen Daten und Tabellen finden Sie als Download im Heftarchiv.

Fazit

von

Stefan Helmreich
Vier Rivalen, fünf Disziplinen und am Ende nur vier Dezimalsterne zwischen Sieg und Niederlage. Deshalb alles ganz langsam und der Reihe nach: Im Längsdynamikkapitel eliminieren sich die Vor- und Nachteile gegenseitig. Der S3 sprintet voraus, Seat siegt beim Wettbremsen, VW im Durchzug, während der Renault überall ganz vorn mitmischt. Klarer wird die Sache erst bei der Querdynamik, die der Cupra R derart dominiert, dass dem Renault wohl auch die korrekte Bereifung nicht viel geholfen hätte. Am Sachsenring bringt sich auch der GTI um die gute Ausgangsposition, die er sich mit den klassischen Golf-Tugenden erarbeitet. Audi wird mal wieder Opfer seines Preises, der gute 10.000 Euro über dem eines genauso flotten Mégane RS liegt.

Von

Stefan Helmreich