Lexus LS 400
Zu Unrecht belächelt: Einen Toyota in der Luxusklasse konnte sich 1990 noch niemand vorstellen.
Als 1990 das erste Testexemplar des Lexus LS 400 in der Redaktion landet, lächeln wir milde. Ein Toyota für die Luxusklasse – das kommt uns vor, als wolle Paderborn in der Bundesliga spielen. Obwohl wir damals schon durchaus wissen, dass die Japaner Autos bauen können: Zuverlässige Dauerbrenner wie den Corolla, brave Familienkutschen wie den Carina und sogar Spaßmobile wie den Bonsai-Ferrari MR2. Aber Luxusklasse? Gut, in den USA verkaufen sie den LS 400 schon seit einem Jahr wie warme Semmeln, aber dafür gibt es gute Gründe: Die Amis schätzten schiere Größe schon immer mehr als technische Qualitäten – und der aus europäischer Sicht fast schon absurd anmutende Dumpingpreis von 35.000 Dollar für eine komplett ausgestattete Limousine der Fünf-Meter-Klasse tut ein Übriges. Bei amerikanischen Mercedes-Händlern gibt es damals fürs gleiche Geld gerade mal einen Baby-Benz, also den vergleichsweise winzigen 190er. Aber der hat ja auch einen Stern auf der Haube.

Die Stille im Lexus LS 400 ist überraschend

Lexus LS 400
Stiller Luxus: Im 25 Jahre alten LS 400 überzeugt vor allem das extrem niedrige Geräuschniveau.
Der in Deutschland 89.430 Mark teure Lexus führt ein schlichtes "L" im Grill und ist auch sonst keine stilistische Offenbarung. Glatte Blechflächen enden in langen Überhängen – und diskutiert wird beim Mittagessen allenfalls über die Frage, ob die Frontpartie des LS 400 nun langweiliger ist als die Heckansicht oder umgekehrt. Kurz: Es ist kein wilder Enthusiasmus, sondern eine gefühlsmäßige Mischung aus beruflicher Neugier und Einer-muss-den-Job-ja-Machen, als ich abends in den Lexus steige. Dann der erste Wow-Effekt: Beim Einschalten der Zündung erstrahlen die hintergrundbeleuchteten Instrumente mit unerwarteter Brillanz aus der Tiefe des Armaturenbretts. Dagegen wirken BMW- und Mercedes-Uhren eher blass. Die zweite Überraschung folgt gleich im Anschluss: Ziemlich penetrant rotiert der Anlasser, dann ist wieder Stille. Fängt nicht gut an, denke ich, doch ein Blick auf den Leuchtbalken des Drehzahlmessers beweist, dass sich die Kurbelwelle des Achtzylinders tatsächlich dreht. Fast lautlos und vibrationsfrei rolle ich vom Hof und fasse es nicht: So leise kann Auto fahren sein?

Ein Doppelherz setzt den GS 450h in Fahrt

Lexus GS 450h
Lautloser Gleiter: Der Hybride Lexus GS 450h bleibt bis 30 km/h ein Elektroauto – kann aber auch anders.
Ein Vierteljahrhundert später geht die gleiche Übung noch leiser, denn beim neuen GS 450h F Sport kann man das "fast" streichen. Völlig geräuschlos und vibrationsfrei rollt die jüngste Lexus-Limousine vom Hof, von einem Motor ist erst mal gar nichts zu hören. Schließlich handelt es sich hier um einen Hybriden, der in der Tempo-30-Zone oder im Stop-and-go-Betrieb ab und zu mal rein elektrisch dahinschnurrt, aber auch ganz anders kann: Wird das Gaspedal etwas entschlossener gedrückt, meldet sich der 292 PS starke Sechszylinder unter der Haube dezent zu Wort, sorgt für sämige Beschleunigung bei gleichzeitiger Ladung der Nickel-Metallhydrid-Akkus. Und wer Vollgas gibt, begreift spätestens dann, warum die Designer den GS 450h deutlich aggressiver stylten als den konturarmen Urahn. Aus dem Motorraum erhebt sich ein böses Grollen, die Tonart der sechs Zylinder wechselt von leichtem Swing zu Heavy Metal – und das Resultat ist entsprechend: Die volle Systemleistung von 345 PS beschleunigt den jetzt höchst dynamischen Hybriden in 6,3 Sekunden auf Tempo 100.

Die Trinksitten des alten Luxusschiffes sind etwas derb

Lexus LS 400
Durstig: Der vier Liter große Achtzylinder des LS genehmigt sich bis zum 20 Liter auf 100 Kilometer.
Da konnte und kann der LS 400 nicht mithalten. Schon bei der Messung vor 25 Jahren brauchte er 8,6 Sekunden für den 0–100-Sprint – und diesen Stress wollen wir unserem in Ehren gealterten Fotomodell heute nicht mehr zumuten. Immerhin hat der an der Schwelle zum automobilen Rentenalter rollende Veteran mehr als eine Million Kilometer mit dem ersten Motor geschafft und sich damit eine gemächlichere Gangart verdient. Abgesehen davon war die Konkurrenz früher auch nicht schneller: BMW 735i und Mercedes 420 SE unterboten im Test ebenfalls nur knapp die Zehn-Sekunden-Marke. Doch mal ganz ehrlich: Das reichte damals locker – und heute eigentlich immer noch. Zumal das gute alte Stück erklärtermaßen kein Sportwagen sein wollte, sondern eine Art fliegender Teppich, der das Reisen auf eine bis dahin ungekannt komfortable Weise neu erfand. Der auch bei hoher Drehzahl unwirklich leise Motor, die harmonisch und ruckfrei schaltende Vierstufenautomatik, die weiche Federung und die geschmeidige Dämpfung imponieren noch heute. Die Kehrseite der Medaille ist der hohe Verbrauch: Selbst bei verhaltener Fahrweise schluckt der schön anzusehende Leichtmetall-V8 nie unter zwölf Liter pro 100 Kilometer, und bei vollem Ausnutzen der Leistung können es auch locker 20 Liter werden.

Mit dem jüngeren Lexus ist auch forsches Fahren drin

Lexus GS 450h
Dynamisch: Wenn man den GS 450h von der Leine lässt, kann er auch zum Kurvenräuber werden.
Zudem wird es bei flotter Gangart und voller Beladung – die mit knapp 500 Kilo erlaubter Zuladung schnell erreicht ist – ein wenig ungemütlich im LS 400. Dann schwinden die Reserven der Federwege im gleichen Maß wie das Vertrauen des Fahrers ins Fahrwerk. Der Lenker des aktuellen Modells muss sich über solchen Schwund keine Sorgen machen. "Für den neuen GS haben wir unsere Vorstellungen über das Fahrverhalten einer Luxuslimousine von Grund auf überdacht", sagt Baureihen-Chefingenieur Yoshihiko Kanamori, und das Resultat kann sich durchaus fühlen lassen. Der 450h beherrscht das sanfte Gleiten ebenso wie die harte Gangart, lässt sich selbst im Stadtverkehr locker mit einstelligen Verbrauchswerten bewegen und ebenso agil wie präzise um die Ecken pfeffern. Dazu passen auch die Sitze: Im Unterschied zu den üppig gepolsterten, aber kaum Seitenführung vermittelnden Ledersesseln des LS 400 verwöhnt die Sport-Variante des GS 450h Fahrer und Beifahrer mit gut konturierten und elektrisch verstellbaren Sportsitzen, die auch bei verschärfter Gangart noch ordentlichen Seitenhalt bieten.
Unbedingt überdenken sollten die Lexus-Entwickler bei der Konzeption der nächsten Generation jedoch ihre Vorstellungen von einer ergonomisch einwandfreien Bedienung des Multifunktionsdisplays. Der große Bildschirm steht im krassen Gegensatz zu der winzigen Schaltwippe auf der Mittelkonsole, deren Bedienung während der Fahrt so gut wie unmöglich ist und selbst im Stand einem Geduldsspiel ähnelt. Da muss man kein Traditionalist sein, um die imposante Kollektion von Knöpfen auf der Mittelkonsole des LS 400 als die bedienungsfreundlichere Lösung anzusehen. Früher war nicht alles besser, aber das schon.

Fazit

von

Hermann J. Müller
Heute, 25 Jahre später, spielt Paderborn in der Bundesliga. Lexus hat den Aufstieg schneller geschafft – und daran hat der LS 400 einen Anteil. Klar, dass der neue GS 450h fast alles besser kann. Dennoch laufen die Verkäufe bei uns in Deutschland eher schleppend. Ach, das Image! Manche Dinge ändern sich eben doch nur langsam.

Von

Hermann J. Müller