Und dann passiert's doch. Sollte nach so langer Zeit nicht mehr sein, aber wir kommen hier nicht umhin, empört-erschrocken "umzurechnen". Und zu rufen: Waaas – das waren mal über 61.000 Mark! Die neue A-Klasse kostet als 180 d nämlich mindestens 31.398 Euro und sprengt damit den Rahmen für ein Kompaktauto. Okay, zu Zeiten der Mark (ist ja immerhin fast 20 Jahre her) gab es weder so etwas wie einen automatischen Notbremshelfer noch waren Funktionen wie schlaueste Sprachbedienung oder Navi mit Videobild-Hinterlegung in Echtzeit verfügbar. Für die Menge Geld steckt also auch eine Menge Technik in einem A 180 d. Hat Mercedes damit automatisch eine Menge Abstand zur Konkurrenz gewonnen? Wir prüfen das.

Preislich ist die A-Klasse definitiv ein echter Mercedes

Mercedes A-Klasse
Unglaublich teuer: Als 180 d kostet die Mercedes A-Klasse mindestens 31.398 Euro – das ist eine Ansage.
Die neue A-Klasse gibt es ausschließlich als Fünftürer. Der kleinste Motor im Programm leistet 116 PS. Damit stehen die Gegner fest: Von Audi kommt der A3 Sportback mit ebenfalls 116 PS starkem 1.6 TDI. BMW stellt in dieser Liga den 1er als 116d Fünftürer mit 1,5-Liter-Dreizylinder und identischer Leistung zur Verfügung. Trotz gleicher Eckdaten auf dem Papier konnten wir Unterschiede im Detail ausmachen. So trinkt der Audi mit 5,2 Litern/100 Kilometer einen satten Schluck mehr Kraftstoff als die Konkurrenten (beide bleiben je unter fünf Litern). BMW baut dagegen die stärkste Maschine ein. 116d fahren heißt – obwohl ja ein Zylinder fehlt –, 270 Newtonmeter im Ärmel zu haben. Bei Audi zum Beispiel sind es gleich 20 Nm weniger. In bessere Fahrleistungen kann der 1er das allerdings nicht umsetzen. Das Auto wirkt schwer, der Motor beim Hochdrehen etwas lustlos – am Ende können sowohl Mercedes als auch Audi den Fünftürer von BMW im Zwischenspurt abhängen.

Der A3 Sportback gefällt mit seiner Ausgewogenheit

Audi A3 Sportback
Wenig zu meckern: Bis auf den etwas vorlauten Diesel ist der A3 Sportback ein ziemlich gutes Auto.
Gleiches Spiel beim Bremsen: Trotz sportlicherer Grundauslegung muss der 1er wertvolle Punkte an A3 und A-Klasse abgeben. Speziell der Mercedes ankert giftiger, steht zum Beispiel aus Tempo 100 mit heißen Scheiben fast zwei Meter eher als der BMW. Objektiv unterscheiden sich die drei feinen Kompakten – wenn auch in Maßen – also durchaus. Okay, wenden wir uns den subjektiven Kriterien zu. Und da fallen die Differenzen schon größer aus. Dem Audi ist außer einem mechanisch vorlauten TDI nicht viel vorzuwerfen. Zwar arbeitet die Lenkung im Comfortmodus mit zu deutlicher Servounterstützung, was sich ungenau leichtgängig anfühlt. Doch das kann man "reparieren": Im Fahrmenü finden wir ein Programm für mehr Kraftbedarf, das wählen wir – dann passt's. Insgesamt fängt die Federung des Audi Bodenunebenheiten zu straff ab, dafür entschädigen sehr sorgfältig konstruierte Sitze. Auch gut: Die Anzeigen sind übersichtlich, der Audi fühlt sich vorn besonders und hinten erträglich luftig an.
Dagegen engt der BMW ein wie die berühmte Sardinenbüchse. Außerdem dröhnt der Motor bei Drehzahlen unter 1500 Umdrehungen pro Minute. Genau in diese Regionen hinein sortiert die ansonsten tadellos arbeitende Achtstufenautomatik jedoch häufig die Motordrehzahlen. Zusätzlich vibriert der Dreizylinder des 116d im Stand spürbar. Tipp von uns: Wählhebel der Automatik an der Ampel auf P stellen, dann verschwindet das sachte Rütteln.

Im BMW 116d kommt wenig Freude am Fahren auf

BMW 1er
Mit zu losem Heck, aus der Mitte ungenauer Lenkung und spröder Federung macht der 1er wenig Freude.
Im BMW geht es nicht nur enger zu als in den Innenräumen der Gegner, auch die Sitze halten dem Vergleich nicht stand. Eher lieblos aufgeschäumt, klein dimensioniert, zu weich im Unterbau, zu wenig Seitenführung an Fläche und Lehne – in dieser Liga erwarten wir besser gebautes Mobiliar! Die Federung arbeitet angenehm sanft – tut es aber nicht immer. Für derbe Bodenwellen fehlt Eintauchweg, auf Kanten prallt der BMW meist störrisch und rollt entsprechend lieber spröde drüber. Unerwartet hölzern erledigt auch die Lenkung ihren Job. Ihr fehlt jegliche Rückstellkraft, aus der Mitte heraus erfolgt das Kurshalten ungenau. Dazu kommt: Beim Ausweichen sowie als Reaktion auf Lastwechsel in schnelleren Kurven möchte das Heck des 116d am liebsten vor dem Rest des Autos die Fahrspur wechseln – so etwas muss dann das ESP unter rigorosem Regeleingriff einfangen. Kurz: So richtig Laune bereitet dieser BMW nicht.

Der Dynamiker dieses Vergleichs trägt einen Stern im Grill

Mercedes A-Klasse
So geht Fahrspaß: Die griffigen Reifen kleben die A-Klasse in die Kurve, Fahrwerk und Lenkung passen.
Das schafft die A-Klasse besser. Mit viel Klebekraft unter den Reifen stürzt sie sich in Kurven, sehr trittsicher spielt die Vorderachse mit, zackig ändert der kleine Mercedes die Richtung, die Lenkung vermeldet präzise, ob die Räder geradeaus zeigen oder einen neuen Kurs einleiten. Die Vordersitze halten dabei auch den Oberkörper passend fest. Keine Diskussion: So etwas verstehen wir unter Fahrspaß. Schade, dass der Dieselmotor unter Last derbe ackert, beim Hochdrehen nur lustlos schrammelt und bestenfalls beim Dahinrollen sanft vor sich hinmurmelt. Das passt dann zum feinen Federungskomfort. Wie schlecht die Straße auch sein mag, die A-Klasse schafft es fast immer, einen angenehmen Schmusekurs zu finden. Erwachsen könnte man das nennen – wären da nicht die vielen kleinen Fehler, die die Abstimmung mit sich schleppt. Gelegentlich poltert die Vorderachse. Das mag noch als akustischer Makel durchgehen. Nach derben Absätzen jedoch fällt der Wagen lautstark knallend in die Tiefe – nach solchen "Schlägen" könnten empfindliche Fahrer glatt die Werkstatt aufsuchen. Überhaupt liegt der Wagen arg tief. Schnell setzt die Nase auf, über steile Parkhausrampen schiebt der voll beladene A 180 d seinen Unterboden hörbar schrammend.
Noch etwas hat Mercedes sich garantiert problemloser ausgemalt. Hat sich der Fahrer mühsam durch die komplexe Bedienung (ausgenommen die umfangreiche Sprachsteuerung) gekämpft, muss er mit reichlich Spiegelungen und Reflexionen im Cockpit klarkommen. Selbst die in Kniehöhe angebrachte Klimaregelung ist bei Tageslichteinfall nicht immer zu erkennen. Ähnlich kopfschüttelnd haben wir uns die Preisliste vorgeknöpft. Wichtige Fahrassistenzfunktionen wie das aktive Spurhaltesystem oder auch die Multi-LED-Scheinwerfer kosten reichlich zusätzliches Geld. Übrigens: Wir haben die Preispolitik in der Theorie bis zum Ende durchgespielt und auch Luxus und Zubehör "berücksichtigt". Eine A-Klasse mit allen Extras kostet dann 60.000 Euro. Also über 117.000 ... Ach, lassen wir das. Denn sie gewinnt.

Fazit

Die Abgasreinigung, das hohe Maß an Multimedia-Ausstattung sowie reichlich Assistenzsysteme zahlen auf das Konto der A-Klasse ein. Somit gewinnt der Mercedes. Das rundum beste Auto ist er jedoch nicht – zum Beispiel baut Audi den talentierteren Alltagsbegleiter.

Von

Berend Sanders