Die ersten 100.000 Kilometer mit einem Mercedes? Ein Klacks. Geradezu lächerlich, wenn wir an unsere weiße C-Klasse im Dauertest denken. Der Dauerläufer knackt im Moment die 350.000-Kilometer-Marke, aufrecht, fast ohne Wehwehchen, kaum Zipperlein. Hier handelt es sich freilich um die E-Klasse, das Taximodell, zugleich Favorit besser verdienender Vielfahrer – aufwendiger, luxuriöser und als E 350 CDI mit 265 Diesel-PS auch viel stärker als der C 180. Wir wählten das T-Modell, den Kombi, weil er Sinn ergibt: richtig viel Platz im Heck (bis zu 1950 Liter), also keiner dieser Lifestyle-Pseudokombis, stattdessen "der Traumwagen für reisefreudige Familien", wie Redakteur Andreas Borchmann im Fahrtenbuch notierte. Zur Tradition gehört freilich auch das Preisgebaren der Marke: So ein Traumwagen kostet ohne Extras schon 55.662 Euro, in der Praxis gehen aber eher die 80.652 Euro über den Tisch, auf die sich der Gesamtpreis unseres Exemplars summiert.
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Die Innenausstattung überzeugt nicht jeden

Mercedes E350 CDI, Innenraum, Cockpit
Innen gibt sich die E-Klasse karg. Dafür überzeugen die gute Übersichtlichkeit und der luftige Raumeindruck.
Ein paar nette Sonderwünsche also (Lederbezüge oder Luftfederung mit Niveauausgleich, elektrisch verstellbare Komforsitze, Anhängerkupplung), schon wird es richtig teuer, immer gemäß der schwäbischen Maxime "Was nix koscht, isch auch nix". Das bedeutet aber keineswegs, dass dafür ein pompöses Gefährt in der Einfahrt steht. Im Gegenteil: Innen gibt sich die E-Klasse protestantisch karg, was manchen Benutzern des Dauertestwagens sauer aufstieß. Ganz klar, den Showroom-Appeal eines Audi oder BMW kann sie nicht bieten, aber das war ja schon immer so. Die Werte eines Mercedes, so die alte Markenphilosophie, stecken im Verborgenen und zeigen sich erst nach andauerndem Gebrauch. Daran hielt sich auch unser Dauertestkandidat. Kurzzeitige Gäste hinter dem Lenkrad waren nicht euphorisch, bemäkelten eine stuckerige Vorderachse und unsportliche Lenkcharakteristik. Oder den Wählhebel der Automatik, weil er sich ungewohnt hinter dem Lenkrad befindet.

Die Kür des E 350 CDI ist die Langstrecke

Mercedes E350 CDI, Kofferraum
Kein Lifestyle-Pseudokombi: Der Laderaum des E-Klasse-T-Modells schluckt bis zu 1950 Liter.
Ebenso ernteten die lahme Automatik des Abblendlichts und der mitunter verwirrte Regensensor Tadel. Als Garant für Kritik erwies sich zudem die Siebenstufenautomatik (zu träge, zu ruppig) – ein Mangel, der mit der neuen Neunstufenbox aber erledigt sein sollte. Erst mit der Zeit, zumal bei längerer Einwirkung, zeigte die E-Klasse ihre Verführerqualitäten. Viele Vorzüge werden oft unbewusst zur Kenntnis genommen – der enge Wendekreis und die gute Übersichtlichkeit zum Beispiel, das schnelle Auftauen der Frontscheibe und die kräftige Heizung, das empfangsstarke Radio oder der luftige Raumeindruck, auch mangels Schalthebel auf der Mittelkonsole. Doch die Kür des E 350 CDI ist die Langstrecke. Dann vermengen sich die Qualitäten zu einem Cocktail, der beim Fahrer große Gelassenheit auslöst. Dann entpuppt sich der Kompromiss der Fahrwerkabstimmung letztlich als gelungen, weil er unangenehme Stöße zuverlässig unterbindet, ohne Fahrbahnkontakt und Fahrstabilität zu verringern (auch bei voller Beladung).
Mercedes E350 CDi, Dauertest, Fahrtbild
Keine Panne, praktisch kein Verschleiß: Abgesehen von der defekten Tür hätte die E-Klasse eine Zwei verdient.
Dann entfalteten schließlich auch die angenehme Akustik, die dauerbequemen Sitze und der kraftvolle V6-Diesel ihre schonende Wirkung. Wobei die satte Motorisierung optimal zum Komfortcharakter der E-Klasse passt. Da verzeiht man ihr sogar den Verbrauch von 9,5 Litern pro 100 Kilometer – auf 100.000, zumeist flott gefahrenen Kilometern. Warum dann, so die quälende Frage, nur die Note 3- in der AUTO BILD-Wertung? Wo doch der Mercedes nie liegen blieb, immer zuverlässig funktionierte und zu allem Überfluss am Schluss so gut wie keinen Verschleiß zeigte? Die Lösung des Rätsels lautet "Türgriff": Dass ausgerechnet das Traditions-Taxi E-Klasse wiederholt den Zugang zum Fond versperrte, das hat schwer genervt. Schon bei 26.000 Kilometern versagte hinten rechts die Mechanik des Bügelgriffs, bei 65.000 erneut, nun aber in verschärfter Form: Die Kindersicherung war aktiv. Folglich ließ sich die Tür auch von innen nicht mehr öffnen.Das beeinträchtigte nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Reparaturmöglichkeiten. Nur chirurgische Eingriffe von außen ermöglichten der Werkstatt den Zugang. Doch nur wenig später hing der Griff schon wieder schlaff in den Angeln. Zum krönenden Abschluss schließlich, kurz vor Testende: defekter Türgriff, nun aber hinten links. Da zweifelt der E-Fahrer dann doch schon mal am Stern und seinem hohen Anspruch.
Weitere Ergebnisse aus der abschließenden Untersuchung des Testwagens lesen Sie in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen Daten und Tabellen gibt es im Online-Artikelarchiv als PDF-Download.

Bildergalerie

Mercedes E 350 CDI T-Modell, seitlich, fahrend
Mercedes E 350 CDI T-Modell
Mercedes E 350 CDI mit Anhänger, Dauertest,
Kamera
100.000 Kilometer mit dem Mercedes E 350 CDI

Fazit

von

Wolfgang König
Traurig, aber richtig: nur Note 3–, weil die Tür des Öfteren nicht aufgeht. Ein derart lästiger und hartnäckiger Mangel ist nun mal unakzeptabel, ganz besonders natürlich bei einem Mercedes. Davon abgesehen hätte er das Prädikat "gut" durchaus verdient, der gute Stern. Ohne das Türendrama wäre eine gute Zwei fällig.