Mercedes SL 500 (R 107) im Check: Rost, Technik, Motoren, Marktlage
So schlägt sich der Roadster Mercedes SL (R 107) als Oldtimer

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Beim Mercedes SL der Baureihe R 107 gilt die Faustregel "je jünger, desto besser". Wer bei frühen Exemplaren nicht in die Rostfalle tappen will, der sollte diese Problemzonen des Roadsters kennen!
Bild: Dieter Rebmann / AUTO BILD
Wer SL heißt, kommt als Klassiker zur Welt. Aber welch steile Karriere dem Nachfolger der Pagode in die Wiege gelegt war, konnte bei der Premiere 1971 niemand absehen. 18 Jahre Bauzeit, heute drittbeliebtester Oldtimer in Deutschland: Der Mercedes SL R 107 ist auch für Daimler-Verhältnisse ein außergewöhnliches Auto. Für seine Beliebtheit gibt es viele Gründe. Neben angeborenen Stärken wie der markentypischen Langlebigkeit ist einer von ihnen die gute Ersatzteilversorgung.
Die R6-Motoren: 280 SL und 300 SL
Die V8-Motoren: Vom 350 SL bis 420 SL
Die stärksten R 107: 450 SL bis 560 SL
Wo rostet der R 107 am meisten?
Weitere neuralgische Rostpunkte des R 107
Ersatzteilversorgung
Marktlage
Umrüstung eines R 107 aus den USA
Die V8-Motoren: Vom 350 SL bis 420 SL
Die stärksten R 107: 450 SL bis 560 SL
Wo rostet der R 107 am meisten?
Weitere neuralgische Rostpunkte des R 107
Ersatzteilversorgung
Marktlage
Umrüstung eines R 107 aus den USA
Das magische Kürzel SL steht plötzlich nicht mehr für "Super Leicht", sondern für "satt" und "luxuriös". Die Kunden mögen es – weltweit. In 18 Jahren wird der R 107 insgesamt 237.287 Mal verkauft: bis heute Rekord!
Die Sechszylinder-Versionen: Mercedes 280 SL und 300 SL
Der Reihensechszylinder (Motortyp: M 110 E 28) des 280 SL mit 185 PS hat wenig Kraft im Keller, ist aber drehfreudig. Vor Einführung der Schubabschaltung (Okt. 1981) ist er auch durstig. Als Schalter durchaus lebhaft, mit Automatik eher schlapp. Ihn zeichnet ein kerniger, obenheraus rauer Motorlauf aus. Grundsätzlich ist der Motor sehr robust, aber wartungsintensiver als der spätere 300 (Ventilspielkontrolle!). Schwächen sind eingelaufene Nockenwellen, Rasselgeräusche und Ölverlust.

Reihensechszylinder im 300 SL mit 188 PS: der beste Kompromiss aus Fahrleistung und Wirtschaftlichkeit.
Bild: Dieter Rebmann / AUTO BILD
Der Reihensechszylinder (Motortyp: M 103 E 30) des 300 SL ist der beste Kompromiss aus Fahrleistungen und Wirtschaftlichkeit und die laufruhigste Maschine im R 107. Mit Kaltlaufregler auch Euro 2-fähig. Im unteren Drehzahlbereich ist er deutlich kräftiger als der 280, außerdem hat er einen geringeren Wartungsaufwand. Ein Motor mit warmen, volltönendem Klang. Bis September 1988 gab es teilweise Probleme mit eingelaufenen Nockenwellen und gerissenen Thermostatdeckeln.
Der V8 (Motortyp: M 116 E 35) des 350 SL mit 200 PS ist klangstark und drehfreudig, aber versoffen (15-17 Liter/100 km). Ihn zeichnet eine gleichmäßige Kraftentfaltung über das gesamte Drehzahlband aus. Zudem war er der einzige V8-SL, der auch mit Schaltung erhältlich war. Die Dreigang-Automatik schluckt viel Leistung und treibt den Durst weiter nach oben. Als Grauguss-V8 wie der 450er ist er von legendärer Haltbarkeit, aber auch wartungsintensiv. Der V8 (Motortyp: M 116 E 38) des 380 SL mit 218 PS hat einen bulligen Antritt aus niedrigen Drehzahlen, gefühlt ist er fast auf Augenhöhe mit dem 500er. Ab Oktober 1981 als 204-PS-Version deutlich (um drei bis fünf Liter) sparsamer. Schwachpunkte sind (wie bei allen Leichtmetall-V8): bruchgefährdete Gleitschienen (altersbedingt, durch gelängte Steuerketten und/oder fehlerhafte Kettenspanner). Der V8 des 420 SL mit 218 PS ist eine Weiterentwicklung des 380ers, aber ohne Leistungsvorteil. Der Verbrauch liegt sogar etwas höher. Der hohe technische Reifegrad macht die mit Abstand seltenste R 107-Variante besonders reizvoll für Sammler.
Der V8 (Motortyp: M 117 E 45) aus dem 450 SL mit 225 PS ist durstig, dem 350er in Sachen Leistung aber weiter voraus, als die Papierform vermuten lässt. Im Vergleich zu den Leichtmetallmotoren (380, 420 und 500) erhöhter Wartungsaufwand (bis Ende 1975 Wechsel der Unterbrecherkontakte und Ventilspielkontrolle). Hohe Produktionszahl, daran gemessen aber relativ geringes Angebot. Der V8 (Motortyp: M 117 E 50) aus dem 450 SL mit 240 PS ist ein souveräner und agiler Antrieb, der den R 107 (fast) zum Sportwagen macht. Das Energiekonzept (ab Oktober 1981) brachte eine deutliche Verbrauchssenkung. Der nominelle Leistungsverlust der Kat-Versionen fällt in der Praxis weniger stark ins Gewicht als auf dem Papier. Der V8 (Motortyp: M 117 E 56) aus dem 450 SL mit 230 PS ist ein damals bei uns nicht erhältliches Exportmodell für Nordamerika, Japan und Australien. Gegenüber den europäischen 560ern aus der S-Klasse W 126 zwar leistungsreduziert, aber sehr drehmomentstark und dank kürzerem Achsantrieb als beim ab Oktober 1981 verkauften 500er spurtkräftig.
Wegen der stetigen Weiterentwicklung im Laufe seiner langen Bauzeit gibt es zwischen frühen und späten Exemplaren des Mercedes-Roadsters große Unterschiede. Eine Zäsur markiert die Modellpflege im Herbst 1985. "Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die 107er ohne Innenkotflügel ausgeliefert", sagt Harald Vollmer, Inhaber eines auf Mercedes-Oldtimer spezialisierten Reparatur- und Restaurierungsbetriebs in Barmstedt bei Hamburg. Spätere Autos, bei denen diese dann schon werksseitig verbaut waren, seien im Hinblick auf Rostprobleme im Bereich des Vorderwagens deutlich weniger kritisch.

Handarbeit: Dachentriegelung mit zwei Spezialschlüsseln.
Bild: Dieter Rebmann / AUTO BILD
"Mechanisch machen die SL der 70er keinen außergewöhnlichen Ärger", berichtet Vollmer. Die 280er-Sechszylinder sowie die V8-Graugussmotoren im 350 und 450 SL stellten lediglich etwas höhere Wartungsansprüche als die späteren Triebwerke. Hauptproblem beim 107er sei Korrosion im Karosseriebereich. Worauf zu achten ist, zeigt Vollmer auf der Hebebühne am Beispiel eines weißen 450 SL von 1978. Der Blick hinter die Bugschürze offenbart Rostansätze am vorderen Querträger, an dem die Stoßstangen befestigt sind. Hier ist bereits gut erkennbar, welche Spuren der Beschuss mit Straßenschmutz und Steinchen am Blech hinterlassen hat. Eine Schottwand, wie sie ab 1985 an dieser Stelle verbaut wurde, hätte das verhindert. Nachrüsten ist möglich, sagt der Fachmann, und rät auch dazu.
Der Blick auf die Frontmaske und den Bereich um die Scheinwerfer entlarvt einen weiteren typischen Rostherd früher 107er-Modelle. Aufgewirbelter Dreck lagert sich auf den Oberseiten der Scheinwerferkästen ab und saugt Feuchtigkeit auf. Irgendwann drückt der Rost dann von unten durch die Kotflügel, die sich, weil geschraubt, jedoch leicht tauschen lassen. Ein weiterer neuralgischer Punkt sind die vorderen Schwellerspitzen und die dahinter liegenden Wagenheberaufnahmen. Auch der Zustand der Innenschweller ist nicht leicht zu beurteilen; sie sind zum Fußraum hin mit Teppich verkleidet. Eine Klopf- und Drückprobe kann helfen, mürben Bereichen auf die Spur zu kommen

Ordentlich Stauraum hinter den Vordersitzen, Notsitze hinten gab es nur gegen Aufpreis.
Bild: Roman Raetzke / AUTO BILD
"An den hinteren Radläufen sollten sich keine Verdickungen ertasten lassen", sagt Vollmer beim weiteren Rundgang unter dem Fahrzeug. Spuren schlampiger Sanierungen fänden sich oft im Übergangsbereich zur Tür und Richtung Heckschürze. Dort roste der Bereich, in dem die seitlichen Riffelbleche und die Kofferraumwanne aneinanderstoßen. "Auch die Wanne selbst kann von innen her durchgammeln, wenn durch poröse Dichtungen der hinteren Leuchteinheiten Nässe eingedrungen ist", warnt der Experte. Sicherheitsrelevante Rostschäden unterm Auto fänden sich im schlimmsten Fall rund um die Anlenkpunkte der hinteren Radaufhängungen. Alles Weitere fällt meist in die Kategorie Verschleiß. "Wer den puren Charme der frühen 107er schätzt, hat potenziell umso mehr mit Rost zu tun, je niedriger das Baujahr", sagt Vollmer. Soll es dagegen ein problemloser Klassiker sein, gelte beim Kauf die Faustregel "je später, desto besser".
Sogenannte Bestandsanpassungen haben das Herstellersortiment zwar auch beim R 107 ausgedünnt. Lebenswichtige Lücken versucht das hauseigene Classic Center aber zu schließen. Zusätzlich kümmern sich Klubs und freie Anbieter um Nachfertigungen. Engpässe gibt es laut Günter Hoferer, Präsident des "R/C 107-Club", derzeit vor allem bei Interieurteilen in exotischen Farben und bei Schließsystemen. Letzteres betrifft auch die zeitgleich produzierten Baureihen W 116 und W 123. Ein H-Kennzeichen darf inzwischen jeder R 107 tragen. Selbst bei den jüngsten Exemplaren liegt die Erstzulassung mehr als 32 Jahre zurück. Somit spielt die Frage, ob ein Kat an Bord ist oder nicht (letztere Modelle heißen im Mercedes-Fachchinesisch "RÜF" für "Rückrüstfahrzeug" zumindest bei der Steuer keine Rolle mehr. Auch auf den Preis hat die Abgasentgiftung immer weniger Einfluss, sagt Marius Brune vom Marktbeobachter Classic Data. Aktuell betrage der Unterschied bei sonst typ- und zustandsgleichen Autos nur noch 700 bis 1200 Euro.
Das Stadium des günstigen Gebrauchtwagens währte beim SL der 1970er- und 80er nur kurz. Gut erhaltene Exemplare kosten nach einer Phase stetiger Wertsteigerung heute zwischen etwa 30.000 und knapp 50.000 Euro – frühe etwas weniger als späte. Momentan stagnieren die Preise oder fallen sogar wieder leicht – auch eine Folge des üppigen Angebots. Laut Marius Brune von Classic Data betrug der Wertzuwachs bei manchen Varianten seit 2011 mehr als 50 Prozent. Pagoden haben aber noch stärker zugelegt, teilweise um 80 Prozent. Nach wie vor wird die 50.000-Euro-Marke vom R 107 nur in Ausnahmefällen getoppt. Eine späte Pagode in ordentlichem Zustand startet da oft erst.

Riffelglas: Mit dem R 107 führte Mercedes die verschmutzungsresistenten Leuchten ein.
Bild: Frank Stange / AUTO BILD
Bei Beliebtheit und Bestandszahlen stellt der Roadster das Coupé zwar nach wie vor in den Schatten, der Preisabstand ist aber geringer, als der Popularitätsunterschied vermuten lässt. Laut Brune sind überwiegend gepflegte Fahrzeuge im Angebot. Wartungsstau ist beim R 107 seltener ein Thema als bei anderen Klassikern. Auch kämpft die Szene weniger mit Nachwuchsproblemen. Der Typenclub verzeichnet sogar steigende Mitgliederzahlen, selbst in mittleren Altersklassen. Bei US-Fahrzeugen gibt es eine Trendumkehr: weg vom Umbau auf Europa-Optik, hin zum originalen Ami-Look.
Reimportierte SL aus den USA sind oft verlockend günstig im Vergleich zur Europa-Ausführung. Gute Ami-107 gibt es häufig schon für deutlich unter 30.000 Euro. Die massiven US-Stoßfänger mit integrierten Pralldämpfern und die Sealed-Beam-Doppelscheinwerfer sind jedoch nicht die einzigen Unterschiede zum Europa-SL. Unter anderem ist auch der Rohbau der US-Autos im Bereich der Stoßfänger-Befestigung anders. Wer erwägt, einen US-107 vollständig mit neuen Originalteilen auf "europäisch" umrüsten zu lassen, muss mit Kosten von bis zu 14.000 Euro rechnen.

In 18 Jahren wurde der R 107 insgesamt 237.287 Mal verkauft.
Bild: Dieter Rebmann / AUTO BILD
Allein der Umbau auf H4-Scheinwerfer verschlingt rund 3600 Euro, neue Stoßfänger vorn und hinten mit Rohbau-Änderungen kosten weitere 7000 Euro. Dazu kommen noch Details wie die Rückrüstung der dritten Bremsleuchte auf dem Kofferraumdeckel, der Lichtscheiben der Rückleuchten und des Meilen-Tachometers (alles jeweils etwa 1000 Euro). Die Minimallösung für eine deutsche Zulassung – Umrüstung der Sealed-Beam-Scheinwerfer-Einsätze, Ausbau der seitlichen Positionsleuchten, neue Reifen und ein Vollgutachten (§ 21 StVZO) – schlägt insgesamt mit rund 1100 Euro zu Buche.
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