Privatisierung der Autobahn
Begehrter Asphalt

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Deutschland braucht Geld und hat die Straßen im Visier. Doch wie privatisiert man ein komplettes Autobahnnetz, wenn "Maut" ein Reizwort ist?
Die Märkte warten auf den Startschuß
Die Kassen des Bundes haben ähnlich viele Löcher wie die Autobahn. Deshalb denkt die Politik über eine Privatisierung des Netzes nach. Doch wie verkauft man 12.000 Kilometer Autobahn – und an wen?
Interessenten, die die Straßen kaufen, sanieren, erweitern und per Maut refinanzieren wollen, gibt es reichlich, vor allem aus der Bauindustrie und der Finanzbranche. "Die Märkte im In- und Ausland warten nur darauf", meint Friedrich Ludwig Hausmann, Berliner Partner der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die sich seit Jahren mit Infrastruktur-Privatisierung beschäftigt.
Neben den deutschen Groß- und Landesbanken kämen ausländische Finanzkonzerne wie Barclays, BNP Paribas oder Goldman Sachs in Frage, auch Infrastrukturspezialisten wie die Royal Bank of Canada oder die umtriebige australische Macquarie-Bank, die bereits an der privat finanzierten Warnow-Querung bei Rostock beteiligt ist. Auch internationale Fonds zeigen Interesse – das "Transitland" Deutschland verspricht verläßliche Einnahmen.
Die Bauindustrie wünscht sich seit langem einen Umschwung in der Infrastruktur-Politik: Hochtief, Bilfinger Berger oder Strabag – alle würden ihre Mauterfahrungen aus dem Ausland gern auf dem Heimatmarkt einsetzen und wären wohl bereit, tief in die Tasche zu greifen.
Interessenten, die die Straßen kaufen, sanieren, erweitern und per Maut refinanzieren wollen, gibt es reichlich, vor allem aus der Bauindustrie und der Finanzbranche. "Die Märkte im In- und Ausland warten nur darauf", meint Friedrich Ludwig Hausmann, Berliner Partner der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die sich seit Jahren mit Infrastruktur-Privatisierung beschäftigt.
Neben den deutschen Groß- und Landesbanken kämen ausländische Finanzkonzerne wie Barclays, BNP Paribas oder Goldman Sachs in Frage, auch Infrastrukturspezialisten wie die Royal Bank of Canada oder die umtriebige australische Macquarie-Bank, die bereits an der privat finanzierten Warnow-Querung bei Rostock beteiligt ist. Auch internationale Fonds zeigen Interesse – das "Transitland" Deutschland verspricht verläßliche Einnahmen.
Die Bauindustrie wünscht sich seit langem einen Umschwung in der Infrastruktur-Politik: Hochtief, Bilfinger Berger oder Strabag – alle würden ihre Mauterfahrungen aus dem Ausland gern auf dem Heimatmarkt einsetzen und wären wohl bereit, tief in die Tasche zu greifen.
Bieter-Wettstreit auch in Frankreich
Aber auch im Ausland stehen Bewerber am Start, etwa die französischen Baukonzerne Vinci und Eiffage. Vinci hält bereits 23 Prozent am Autobahnbetreiber Autoroutes du Sud (ASF) und ist unter anderem mit "Teerbau" im deutschen Straßenbau vertreten. Sowohl Vinci und Eiffage haben jetzt für die drei Autobahnen in Frankreich geboten, die komplett privatisiert werden sollen. Auch Cofiroute könnte Interesse haben: Die Gesellschaft ist Mitglied von Toll Collect, das die deutsche Lkw-Maut eintreibt.
Aus Italien könnten die Benettons mit ihrer expansionsfreudigen Autobahngesellschaft Autostrade ins Geschäft drängen. "Ein Unternehmen wie Autostrade ist immer aufmerksam, wenn sich etwas im Ausland tut", so CEO Vito Gamberale. Der mit 3408 Streckenkilometern größte europäische Autobahnbetreiber "Autostrade per l'Italia Spa" bietet mit einem italienisch-französischen Konsortium bereits für die Autobahn Paris-Rhônes.
Beim Bieter-Wettstreit in Frankreich sind auch Spanier vertreten. Die Baugruppe Sacyr Vallehermoso wird unter anderem die Brücke über die Meeresenge von Messina bauen. "Wir suchen überall Chancen", so ein Sprecher von Albertis, das in Spanien 1500 Kilometer Mautstrecken betreibt. Dazu käme die zum Baukonzern Ferrovial gehörende Cintra, Betreiber von 16 Autobahnen weltweit.
Aus Italien könnten die Benettons mit ihrer expansionsfreudigen Autobahngesellschaft Autostrade ins Geschäft drängen. "Ein Unternehmen wie Autostrade ist immer aufmerksam, wenn sich etwas im Ausland tut", so CEO Vito Gamberale. Der mit 3408 Streckenkilometern größte europäische Autobahnbetreiber "Autostrade per l'Italia Spa" bietet mit einem italienisch-französischen Konsortium bereits für die Autobahn Paris-Rhônes.
Beim Bieter-Wettstreit in Frankreich sind auch Spanier vertreten. Die Baugruppe Sacyr Vallehermoso wird unter anderem die Brücke über die Meeresenge von Messina bauen. "Wir suchen überall Chancen", so ein Sprecher von Albertis, das in Spanien 1500 Kilometer Mautstrecken betreibt. Dazu käme die zum Baukonzern Ferrovial gehörende Cintra, Betreiber von 16 Autobahnen weltweit.
Die Schattenmaut als Alternative
Wie der Umstieg vom staatlichen auf ein privates Autobahnnetz konkret ablaufen könnte, ist noch unklar. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie arbeitet seit Monaten an einem konkreten Vorschlag. Anfang November 2005 soll das Papier fertig sein. In den Konzernen ist zu hören, daß die Vergabe einzelner Strecken wirtschaftlich wenig Sinn macht. Um das Risiko besser zu streuen und eine Mischkalkulation von teuren und billigeren Strecken zu ermöglichen, favorisieren viele die Vergabe größerer Netze an einen Betreiber oder ein Konsortium.
Wahrscheinlich würde der Systemwechsel schrittweise erfolgen, von einzelnen Strecken hin zu Netzen. Dabei dürften als erstes an den am stärksten befahrenen Strecken Maut-Häuschen oder -Brücken aufgestellt werden: auf Teilen der A1 in NRW, an der A3 rund um Frankfurt und die A8 bei München. Der gefürchtete Alb-Aufstieg der A8 wird bereits als sogenanntes privatisiertes "F-Modell" geplant, als Maut-Insellösung. Bisher gibt es zwei derartige Projekte in Deutschland: die Warnow-Querung und den Herrentunnel in Lübeck.
"Die Autobahn-Privatisierung muß gar nicht zwangsläufig die Einführung einer Pkw-Maut zur Folge haben", meint Jurist Hausmann. Nach britischem Vorbild wäre eine "Schattenmaut" vorstellbar: Der private Investor, der ein Stück Autobahn gekauft oder für 25 Jahre gepachtet hat, bekommt vom Staat für jedes registrierte Auto eine Gebühr, die wie bisher aus Steuern finanziert wird. Der Autofahrer bräuchte weder Kleingeld noch Maut-Vignette.
Wahrscheinlich würde der Systemwechsel schrittweise erfolgen, von einzelnen Strecken hin zu Netzen. Dabei dürften als erstes an den am stärksten befahrenen Strecken Maut-Häuschen oder -Brücken aufgestellt werden: auf Teilen der A1 in NRW, an der A3 rund um Frankfurt und die A8 bei München. Der gefürchtete Alb-Aufstieg der A8 wird bereits als sogenanntes privatisiertes "F-Modell" geplant, als Maut-Insellösung. Bisher gibt es zwei derartige Projekte in Deutschland: die Warnow-Querung und den Herrentunnel in Lübeck.
"Die Autobahn-Privatisierung muß gar nicht zwangsläufig die Einführung einer Pkw-Maut zur Folge haben", meint Jurist Hausmann. Nach britischem Vorbild wäre eine "Schattenmaut" vorstellbar: Der private Investor, der ein Stück Autobahn gekauft oder für 25 Jahre gepachtet hat, bekommt vom Staat für jedes registrierte Auto eine Gebühr, die wie bisher aus Steuern finanziert wird. Der Autofahrer bräuchte weder Kleingeld noch Maut-Vignette.
Europäisches Autobahn-Lexikon
Das deutsche Autobahnnetz ist mit einer Länge von rund 12.000 Kilometern nach dem der Vereinigten Staaten das längste der Welt. Die erste deutsche Autobahn war die A555 zwischen Köln und Bonn, die 1932 eingeweiht wurde. Die berühmte "Avus" (Automobil-Verkehrs- und Übungs-Straße) in Berlin, die 1921 fertiggestellt worden war, diente zunächst nur als Test- und Rennstrecke. In den dreißiger Jahren wurde das "Reichsautobahnnetz" immer weiter ausgebaut – sowohl als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als auch zur Vorbereitung für den Kriegsfall. Heute gibt es etwa 100 Autobahnen. Die in Nord-Süd-Richtung verlaufenden haben ungerade Zahlen im Namen, Ost-West-Verbindungen sind durch gerade Zahlen gekennzeichnet. Der Begriff "Autobahn" wurde erstmals von Robert Otzen, dem Vorsitzenden der HaFraBa (Autobahnprojekt Hansestädte-Frankfurt-Basel) verwendet. Bis dahin war der Begriff "Nur-Autostraße" gebräuchlich.
In Großbritannien ist vor allem unter der einstigen Premierministerin Margaret Thatcher vieles privatisiert worden. Die Philosophie, den Staat aus vielen Bereichen zurückzuziehen, haben auch die Folgeregierungen weitergeführt. Mit British Telekom (BT) oder British Petroleum (BP) war das auch erfolgreich, mit der Privatisierung der Bahn hatte man allerdings keine glückliche Hand. Die Infrastruktur ist unter allen Anbietern aufgeteilt, Unfälle und Verspätungen sind an der Tagesordnung. Angesichts dessen hat die Regierung immer wieder aufkommende Forderungen, auch die Autobahnen zu privatisieren, nicht verfolgt – mit einer Ausnahme: In der Nähe von Birmingham gibt es seit Ende 2006 ein Stück der Autobahn M6, das privat betrieben wird und gebührenpflichtig ist. Eigentümer ist Macquarie Infrastructure, ein australisches Unternehmen, das in Großbritannien auch an Flughäfen beteiligt ist. Kürzlich ging das Gerücht um, das Unternehmen wolle die Londoner Börse übernehmen.
Das rund 11.000 Kilometer lange Autobahnnetz in Frankreich ist größtenteils staatlich. Um es auszubauen und instand zu halten, werden auf 7500 Kilometern von elf verschiedenen Gesellschaften Gebühren erhoben. Die Regierung unter Dominique de Villepin hat allerdings entschieden, die drei bereits börsennotierten großen Autobahnbetreiber Autoroutes du Sud de la France (ASF), Autoroutes Paris-Rhin-Rhone (APRR) und Société des Autoroutes du Nord et de l'Est de la France (Sanef) zu privatisieren. Die Entscheidung, diese Staatsanteile vollständig zu verkaufen, stieß in Frankreich auf zum Teil heftige Kritik: Die Regierung verscherbele ihren schönsten Familienschmuck. An dem immer noch laufenden Bieterverfahren beteiligen sich neben den französischen Baukonzernen Vinci und Eiffage auch Autobahnbetreiber aus Spanien und Italien sowie der australische Investmentfonds Macquarie Inrastructure.
Das italienische Autobahnnetz ist zu 86,2 Prozent privatisiert, lediglich auf den teils holprigen 894 Kilometern im Süden des Landes und einigen Stadtautobahnen fährt man mautfrei. Größter Betreiber ist die von der Benetton-Familie kontrollierte Gruppe Autostrade per l'ltalia Spa. Insgesamt teilen sich 23 Gesellschaften die gut 5500 kostenpflichtigen Kilometer. Etwas mehr als 883 Kilometer lang ist zum Beispiel die Nord-Südstrecke vom Brenner nach Neapel. Pkw zahlen dafür 48,30 Euro, Lkw (etwa mit vier Achsen) 95,80 Euro. Die Gebühren werden an den Kassenhäuschen der Autobahnausfahrt bezahlt oder, bei Abonnenten, mittels eines Senders über das Bankkonto abgerechnet.
In Spanien wird zwischen den gebührenpflichtigen "autopistas" und den kostenlosen, staatlichen "Autovías" unterschieden. Erstere sind in der Regel sehr gut ausgebaut. Die "Autovías" hingegen sind in der Regel kurviger angelegt, sie machen 70 Prozent der Überlandstrecken aus. Die meisten gebührenpflichtigen Autobahnen befinden sich entlang der Mittelmeerküste und im Baskenland. Bei Berufspendlern hat sich mittlerweile der "Telepeaje", eine Art Telepaß eingebürgert, mit dem die Maut direkt vom Konto abgebucht wird. Die Gebüren liegen in der Regel bei sieben bis neun Cent pro Kilometer. In Spanien gibt es drei große Autobahnbetreiber.
In Großbritannien ist vor allem unter der einstigen Premierministerin Margaret Thatcher vieles privatisiert worden. Die Philosophie, den Staat aus vielen Bereichen zurückzuziehen, haben auch die Folgeregierungen weitergeführt. Mit British Telekom (BT) oder British Petroleum (BP) war das auch erfolgreich, mit der Privatisierung der Bahn hatte man allerdings keine glückliche Hand. Die Infrastruktur ist unter allen Anbietern aufgeteilt, Unfälle und Verspätungen sind an der Tagesordnung. Angesichts dessen hat die Regierung immer wieder aufkommende Forderungen, auch die Autobahnen zu privatisieren, nicht verfolgt – mit einer Ausnahme: In der Nähe von Birmingham gibt es seit Ende 2006 ein Stück der Autobahn M6, das privat betrieben wird und gebührenpflichtig ist. Eigentümer ist Macquarie Infrastructure, ein australisches Unternehmen, das in Großbritannien auch an Flughäfen beteiligt ist. Kürzlich ging das Gerücht um, das Unternehmen wolle die Londoner Börse übernehmen.
Das rund 11.000 Kilometer lange Autobahnnetz in Frankreich ist größtenteils staatlich. Um es auszubauen und instand zu halten, werden auf 7500 Kilometern von elf verschiedenen Gesellschaften Gebühren erhoben. Die Regierung unter Dominique de Villepin hat allerdings entschieden, die drei bereits börsennotierten großen Autobahnbetreiber Autoroutes du Sud de la France (ASF), Autoroutes Paris-Rhin-Rhone (APRR) und Société des Autoroutes du Nord et de l'Est de la France (Sanef) zu privatisieren. Die Entscheidung, diese Staatsanteile vollständig zu verkaufen, stieß in Frankreich auf zum Teil heftige Kritik: Die Regierung verscherbele ihren schönsten Familienschmuck. An dem immer noch laufenden Bieterverfahren beteiligen sich neben den französischen Baukonzernen Vinci und Eiffage auch Autobahnbetreiber aus Spanien und Italien sowie der australische Investmentfonds Macquarie Inrastructure.
Das italienische Autobahnnetz ist zu 86,2 Prozent privatisiert, lediglich auf den teils holprigen 894 Kilometern im Süden des Landes und einigen Stadtautobahnen fährt man mautfrei. Größter Betreiber ist die von der Benetton-Familie kontrollierte Gruppe Autostrade per l'ltalia Spa. Insgesamt teilen sich 23 Gesellschaften die gut 5500 kostenpflichtigen Kilometer. Etwas mehr als 883 Kilometer lang ist zum Beispiel die Nord-Südstrecke vom Brenner nach Neapel. Pkw zahlen dafür 48,30 Euro, Lkw (etwa mit vier Achsen) 95,80 Euro. Die Gebühren werden an den Kassenhäuschen der Autobahnausfahrt bezahlt oder, bei Abonnenten, mittels eines Senders über das Bankkonto abgerechnet.
In Spanien wird zwischen den gebührenpflichtigen "autopistas" und den kostenlosen, staatlichen "Autovías" unterschieden. Erstere sind in der Regel sehr gut ausgebaut. Die "Autovías" hingegen sind in der Regel kurviger angelegt, sie machen 70 Prozent der Überlandstrecken aus. Die meisten gebührenpflichtigen Autobahnen befinden sich entlang der Mittelmeerküste und im Baskenland. Bei Berufspendlern hat sich mittlerweile der "Telepeaje", eine Art Telepaß eingebürgert, mit dem die Maut direkt vom Konto abgebucht wird. Die Gebüren liegen in der Regel bei sieben bis neun Cent pro Kilometer. In Spanien gibt es drei große Autobahnbetreiber.
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