Achim Heidemann wusste, was er wollte – ein Langstreckenauto, das auch mit Biodiesel läuft. Heidemann, Energieberater und Gebäudetechniker, ist nämlich offen für alternative Treibstoffe. Wie der Autohersteller Volvo. So erwarb der selbstständige Ingenieur im September 2000 einen neuen V70 2.5 D. Zuvor hatte er sich beim Autohaus Emminger in Singen am Bodensee versichern lassen, dass Biodiesel (Raps-Methylester, RME) keine Probleme macht. Vier Monate später. Beim ersten Werkstattbesuch warnt der Meister eindringlich vor dem preisgünstigen Öko-Sprit. Es sei bereits öfter zu Schäden am Einspritzsystem gekommen. Nach einer Volvo-Service-Information könnte der aggressive Pflanzensaft "zu einem späteren Zeitpunkt Motorlaufprobleme verursachen".

Urteil könnte Prozesswelle auslösen

Raps-Methylester
Der Prospekt erlaubt's, das interne Volvo-Papier nicht: Mit diesem entschiedenen Jein mochte Achim Heidemann nicht leben. Er forderte mehrfach eine schriftliche Unbedenklichkeitserklärung vom Hersteller. Doch Volvo schwieg.

Der Ingenieur fühlte sich verschaukelt. Er klagte auf Wandlung des Kaufvertrags – und bekam in zweiter Instanz Recht. Das Fahrzeug habe nicht die vertraglich vereinbarten Eigenschaften und weise somit einen "erheblichen Sachmangel" auf, urteilten die Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe (Az. 9 U 165/01). Ob der V70 tatsächlich RME-tauglich ist, interessierte die Juristen dabei nicht. Entscheidend war, dass Volvo den "begründeten Verdacht" mangelnder Biodiesel-Eignung nicht ausräumen konnte. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig und könnte eine Prozesswelle auslösen. Verdachtsmomente in puncto fehlender Biodiesel-Eignung gibt es nämlich zuhauf. Auch bei anderen Automarken.

"Die versprechen vollmundig die Tauglichkeit ihrer Produkte für Biodiesel", so der Konstanzer Rechtsanwalt Rafael Fischer, der das Urteil erwirkt hat. "Käufer entsprechender Neuwagen sollten sich deshalb von Hersteller und Händler eine Haftungsübernahme für künftige Motorschäden geben lassen."

Der Autofahrer ist meist der Dumme

Ob sie die auch bekommen, ist fraglich. Denn die Autohersteller bewegen sich bei der Biodiesel-Freigabe auf dünnem Eis. Was auf dem Papier als ökologisches Feigenblatt und Verkaufsargument taugt, führt in der Praxis oft zu Problemen.

Die Erklärung ist einfach: Raps-Methylester (RME), dessen Öko-Nutzen Kritiker stark anzweifeln, ist grundsätzlich ein aggressiver Treibstoff. Er verursacht Korrosion und leckende Dichtungen. Er lässt Filter verstopfen, Düsen verkoken und Gummi aufquellen. Er kann Kunststoffe angreifen und Einspritzpumpen killen. Deshalb dürfen nur mit speziellen, RME-resistenten Dichtungen, Schläuchen und Filtern ausstaffierte Autos Biodiesel tanken – ob nachgerüstet oder ab Werk vorgerüstet.

Raps-Methylester
Treten trotzdem Defekte auf, ist der Autofahrer meist der Dumme und bleibt auf seinen Reparaturkosten sitzen. Die Autohersteller machen nämlich stereotyp schlechten Sprit für Probleme verantwortlich. Denn: Bislang existiert keine rechtsverbindliche Mindestqualität für Biodiesel. Trotz DIN-Norm (E 51606) und stichprobenartiger Qualitätskontrollen seitens der Raps-Lobby unterliegt der Pflanzensaft zum Teil erheblichen Qualitätsschwankungen.

Bei Ford herrscht Biodiesel-Skepsis

AUTO BILD liegen allein aus dem Jahr 2002 fünf Fälle defekter Einspritzpumpen an jüngeren VW-Modellen vor. Die betroffenen Halter versichern unisono, ausschließlich Bio-Sprit nach der Norm 51606 gezapft zu haben. Fragen nach Kulanz wimmelte Wolfsburg mit barschen Standardschreiben ab: "Ein Schaden an der Einspritzpumpe durch Biodiesel kann nur dann entstehen, wenn der Kraftstoff nicht die vorgeschriebene Norm erfüllt."

Dass Zulieferer Bosch keine REM-Freigabe für seine Einspritzpumpen erteilt, steht allerdings nicht in den Schreiben. Pumpen-Opfer Stefan Esche, der seinen 98er Golf TDI nur sporadisch mit Biodiesel betankt, kann immerhin einen Teilerfolg verbuchen. Nach Protesten übernimmt VW die Hälfte der Reparaturkosten in Höhe von 1318 Euro. Zufrieden ist Esche, der nur tat, was in der Betriebsanleitung steht, nicht unbedingt: "Erst kurbelt VW mit der Biodiesel-Freigabe den Vertrieb an – dann tragen sie Probleme auf dem Rücken der Kunden aus."

Ford-Sprecher Isfried Hennen bringt die Biodiesel-Skepsis der Branche auf den Punkt: "Wir sind von den Umweltvorteilen nicht überzeugt. Dazu kommt die unsichere Spritqualität. Also, was soll das?" Ja, was?

Weitere Infos zum Thema finden Sie auf der Internetseite www.streithansel.de.