Siata Formichetta Gaggia
—Café-Express
Kennen Sie den? Wohl kaum, es sei denn, Sie sind Spanier und über 50. In den 1960er Jahren fuhren diese schnuckligen Siata-Transporterchen durch Spanien – auf Werbetour für Gaggia. Hier ist die ganze Geschichte.
Senor Esteban Sala Soler besaß nicht nur Restaurants in Madrid und Barcelona, sondern war als Spanier mit gleich zwei italienischen Unternehmen eng verbunden: Zum einen war er Alleinvertreter des bis heute bekannten Kaffeemaschinen-Herstellers Gaggia für Spanien, zum anderen Verwaltungsratspräsident der Siata Española S.A., dem spanischen Spross der damals bekannten italienischen Automanufaktur. Die Italiener waren in den 1950er Jahren durch interessante Kleinserien-Sportwagen bekannt geworden und fertigten später Spezialaufbauten auf Fiat-Basis. Im spanischen Tarragona tat die 1960 gegründete Filiale dasselbe mit Seats: Bis 1973 fertigten sie eigenständige Karosserien auf verschiedenen Seat-Fahrgestellen, ein Programm von luxuriösen kleinen Personenwagen bis hin zu Lieferwagen.
Ideeller Verwandter: der Renault R4 Kastenwagen
Zurück zu Senor Sala Soler. Der verkaufte seit 1952 Gaggia-Maschinen an spanische Restaurants und Bars – in den ersten Jahren konkurrenzlos, entsprechend gut liefen die Geschäfte. Anfang der sechziger Jahre war der Wind rauher georden, mit Faema hatte er inzwischen einen scharfen Konkurrenten bekommen. Da kam Sala auf die Idee, Siata für seine Verkaufszwecke einzuspannen: es entstand eine praktische Karosserie auf Basis des Seat 600, mit Hochdach, einem um 20 Zentimeter verlängerten Radstand und mit großen seitlichen Fenstern, die als Schaufenster für die dahinter drapierten Kaffeemaschinen dienten. Mit diesem Kaffeemobil rollte Sala Soler durch die Straßen und parkte vor Bars und Cafés. Dann klappte er die Heckscheibe auf, verlegte ein Stromkabel in die Bar und warf die Maschine an. Bald zog ein herrlicher Duft von frischem Express-Kaffee über die Strasse: der Wirt und seine Gäste strömten nach draußen, um ihren frisch gemahlenen Kaffee mit der typischen Cremehaube nicht zu verpassen.
Einer hat überlebt
Besser hätte die Reklame nicht sein können. Eine auffällige Zweifarb-Lackierung des Fahrzeuges machte den Siata zudem unverwechselbar. Insgesamt wurden 25 Stück gebaut. Wie Senor Sala die Spezial-Siatas bezahlte, ist nicht überliefert. Auf jeden Fall füllten sie im Einsatz dessen Kassen. Im Jahr 2002 wurden die letzten vier Fahrzeuge in Reus (Tarragona) zur Verschrottung gebracht. Sie hatten, seit 1977 abgemeldet, in einem Schuppen gestanden. Ein Autoenthusiast erfuhr von der bevorstehenden Verschrottung und konnte den Besitzer überreden, ihm ein Fahrzeug zu schenken.
Krasses Gegenteil: Großraum-Kombis
Siata – noch nicht ganz vergessen
Die Geschichte der Siata Española wurde erst in jüngster Zeit genauer recherchiert. Demnach war die Formichetta, der kleine Lieferwagen auf Seat 600-Fahrgestell, der grosse Wurf der Spanier. Trotz mäßiger Fahrleistungen war sie eine gelungene Konstruktion, viele Käufer überzeugte der großzügige Laderaum unter dem Hochdach. Als letztes Fahrzeugmodell entstand eine ganze Familie von grösseren Lieferwagen mit vorgezogener Fronthaube auf Basis des Seat 850. Bis heute bekannt blieb das kleine Spaß-Cabrio Siata Spring. 1973 musste das Unternehmen ihre spanische Fabrik wieder schliessen. Der Club Siata Tarragona kümmert sich heute rührend um die Erhaltung der verschiedenen in Spanien gebauten Siata und besitzt einige Einzelstücke, insbesonders die wenigen Nutzfahrzeuge, die vor der Verschrottung bewahrt werden konnten.
Autor: ClassicLane International
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