Dieses Jahr sind wieder einmal die Großen an der Reihe. Gemeint sind die großen Geländewagen und SUV, um die es bei unserem diesjährigen Sommerreifentest geht. Ob Mercedes M-Klasse, BMW X5, VW Touareg, Volvo XC90, Jeep Grand Cherokee, Mitsubishi Pajero oder Toyota Land Cruiser – alle diese Fahrzeuge und viele andere mehr können mit der getesteten Dimension 235/65 R 17 oder ähnlichen bestückt werden. Dieses Jahr mit dabei: fünf ausgesprochene Straßenreifen für den Sommer von Bridgestone (Japan), Continental (Deutschland), Goodyear (USA), Michelin (Frankreich) und Vredestein (Niederlande). Weil wir wissen wollten, ob auch in dieser gehobenen Klasse nicht doch vielleicht auch ein No-Name-Fabrikat ausreicht, macht zusätzlich ein Straßenspezialist der italienischen Discountmarke Marangoni bei unserem Test mit.

Der Billigreifen von Marangoni patzt besonders bei Nässe

Weil wir zeigen wollten, wie sich auch Reifentypen aus anderen Kategorien im Vergleich zu den Sommer-Straßenspezialisten verhalten, luden wir zwei weitere Reifen zum Test ein: Als Vertreter der Ganzjahresreifen rollt der bekannte Goodyear Wrangler HP All Weather an den Start. Und um zu sehen, welche Vor- und Nachteile ein Mischreifen für Straße und Gelände im Vergleich dazu hat, kam auch noch der amerikanische Cooper Discoverer ATR zu uns. Die ersten drastischen Unterschiede gibt es bereits beim Kauf, denn die Preise differieren doch erheblich. Die teuersten Reifen sind dabei die Sommerpneus von Michelin und Goodyear, für die der Handel in der Testdimension 235/65 R 17 im Schnitt 200 Euro pro Stück verlangt. Der Continental kommt rund 20 Euro günstiger, mit Bridgestone und Vredestein spart man noch einmal je einen 10-Euro-Schein. Darunter ist bei einem sportlichen Sommerspezialisten einer namhaften Marke wohl nichts zu machen.
Sommerreifen 235/65 r 17
Ein grobes Profil bringt auf Sand keine Vorteile. Straßenreifen liegen hier vorn.
Erheblich günstiger: der Ganzjahresreifen von Goodyear mit einem durchschnittlichen Preis von 155 Euro und der Preisbrecher Marangoni, für ganze 115 Euro wohlfeil. Man kann also beim Kauf eines Satzes satte 340 Euro sparen, muss statt 800 Euro nur 460 Euro hinblättern. Sparen ohne Reue? Nein, denn zum einen macht der Billigreifen mit gefährlich langen Nassbremswegen auf sich aufmerksam. Es ist schon ein Unterschied, ob das Fahrzeug aus Tempo 100 nach 48,7 Metern (Vredestein) zum Stehen kommt oder nach 55,7 Metern (Marangoni). Bis zu zehn Prozent mehr Temposicherheit bei Aquaplaning sind ebenfalls ein gutes Argument für Markenreifen. Aber: Auch einer der teuersten Reifen, der Michelin Latitude HP, bringt bei Aquaplaning und der Nassbremsung nur wenig bessere Werte zustande als der 43 Prozent billigere Marangoni.
Das hat uns doch sehr enttäuscht. Die Qualitäten des französischen Michelin liegen – traditionell bei dieser Marke – woanders: Zum einen hat kein Reifen die strapaziösen Tests mit so wenig  Profilverschleiß überstanden wie der Michelin. Zum anderen spart er nicht nur beim Abrieb, sondern hilft auch beim Spritsparen. Sein besonders geringer Rollwiderstand macht eine Einsparung von rund vier Prozent beim Treibstoffverbrauch gegenüber dem billigen Konkurrenten möglich. Bei einem Fahrzeug, das im Schnitt 12 Liter/100 km verbraucht, spart man mit dem Michelin somit rund einen halben Liter/100 km. Bei einer angenommenen Reifenlaufleistung von 30.000 Kilometern fährt er somit rund 200 Euro wieder herein, was den hohen Preis zumindest teilweise relativiert.

Auf schlammigen Boden versagen die Straßenspezialisten

Sommerreifen 235/65 r 17
Kurven-Aquaplaning: Als Schlusslichter schneiden hier der teure Michelin und der billige Marangoni ab.
Von den Fahreigenschaften des neuen Vredestein Ultrac Sessanta waren wir besonders angetan. Der Holländer mit dem italienischen Beinamen leistet sich in keiner Straßendisziplin eine Schwäche, gehört stets zur Spitzengruppe und führt häufig das Feld an. Sein extrem auffälliges Profil führt zudem oft zu Fragen und interessierten Blicken bei Tankpausen. Die ungewöhnliche Gestaltung verhindert offenbar keineswegs Bestnoten und bringt obendrein den leisesten Lauf. Nur auf matschigschlammigem Untergrund zeigt sich das Rennreifenprofil komplett überfordert, setzt sich sofort zu und erreicht nur noch geringe Traktionswerte. Insgesamt ist mit all den Sommer-Straßenprofilen im Gelände nicht viel zu holen. Schon eine matschige Wiese kann das Ende des Vortriebs bedeuten, erst recht, wenn noch ein Anhänger am Haken bremst.
Sommerreifen 235/65 r 17
Überraschung: Es gibt auch Straßenreifen mit dem Rollwiderstand eines Mischreifens.
Gerade auf einem solch kritischen Untergrund wie feuchtem Grasboden zeigen sich die Vorteile von gröberen Reifenprofilen. Schon der Ganzjahresreifen von Goodyear, der Wrangler HP All Weather, bringt hier spürbar mehr Vortrieb als alle getesteten Sommer-Sportreifen. Noch viel besser greift auf weichem, nicht asphaltiertem Boden der zum Vergleich mitgemessene Mischreifen für Straße und Gelände, der Cooper Discoverer ATR. Auf dem feuchten Gras zieht er mehr als 40 Prozent kräftiger an als die in dieser Disziplin schlechtesten Straßenspezialisten – das sind Welten, die in der Praxis meist über Weiterkommen oder Steckenbleiben entscheiden. Doch kein Vorteil ohne Nachteil: Auf der Straße muss man sich mit dem Misch-Cooper auf ein teilweise dramatisch abgesunkenes Sicherheitsniveau einstellen.

Noch empfehlenswert: Michelin Latitude HP

Die neuralgische Disziplin ist das Bremsen auf nasser Fahrbahn. Hier bremst der AT-Cooper noch einmal weitaus schlechter als der bereits gescholtene Billigreifen von Marangoni. Weniger als 50 Meter brauchen die besten Straßenreifen zum Nothalt aus Tempo 100, bedenkliche 55,7 Meter nimmt sich der Billigreifen, nicht akzeptable 64,0 Meter benötigt der Mischreifen. Wer mit so einem Reifen im Alltag unterwegs ist, muss also zwangsläufig einen enormen Sicherheitsabstand zum Vordermann einhalten und zudem ununterbrochen mit höchster Konzentration den Verkehr beobachten. Schon bei einer kurzzeitigen Unaufmerksamkeit hat man kaum mehr eine Chance, rechtzeitig vor dem Heck eines plötzlich bremsenden Vordermanns zum Stehen zu kommen.
Ganz anders mit den sportlichen Straßenreifen. Selbst Geländewagen, die bekannt dafür sind, ein eher träges Lenk- und Kurvenverhalten an den Tag zu legen, benehmen sich mit vier Sommersportreifen wesentlich präziser und behänder. Fraglich ist nur, ob dies der Fahrer auch wirklich wünscht und anstrebt. Die Kehrseite solcher, auf kurze Bremswege und hohes Kurventempo ausgerichteten Sommerspezialisten ist ihr durchweg überdurchschnittlich hoher Verschleiß. Auch wenn man ihr Tempopotenzial nicht nutzt, fahren sich solche Sportreifen in der Regel schneller ab als herkömmliche Pneus. Eine Ausnahme bildet hier der erwähnte Michelin Latitude HP. Aber der ist eben gerade kein typischer Sportreifen, sondern enttäuscht vornehmlich in den dynamischen Disziplinen.

Fazit von Martin Braun und Dierk Möller-Sonntag

Wer keinen Geländegrip braucht, ist mit den sportlichen Straßenspezialisten gut bedient. Denn hier gibt es die kürzesten Bremswege und das höchste Sicherheitsniveau. Der Billigreifen enttäuscht vor allem durch zu lange Nassbremswege. Noch gefährlicher auf der Straße: der Mischreifen.

Reifentest Intern

Sommerreifentest in der texanischen Wüste. Hier im Süden der USA ist es auch zur Winterzeit tagsüber nicht selten 25 Grad Celsius warm. Die Luft ist trocken, staubig und macht Durst. Typische Bedingungen auf dem riesigen Goodyear- Testareal bei St. Angelo. Die mitgebrachten Jeep Liberty, bei uns Cherokee genannt, wurden bei den Tests voll gefordert. Am meisten hat uns dabei überrascht, dass die Bremsanlagen den Dauerstress mit so vielen Vollbremsungen klaglos überstanden. Keine Ausfälle, kaum Fading. Dass die Cherokee die Tests im Gelände aushielten, hatten wir dagegen einfach vorausgesetzt – und sie hielten auch.

Von

Martin Braun