StVO-Novelle: möglicherweise Rückgabe eingezogener Führerscheine
StVO-Novelle: Wer den Führerschein verloren hat, kann auf Rückgabe hoffen

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Seit dem 28. April hat die Polizei viele Führerscheine wegen der verschärften Regeln der StVO-Novelle 2020 eingezogen. Nun können sich deren Besitzer Hoffnungen auf eine schnelle Rückgabe machen!
Angesichts von Formfehlern bei den schärferen Regeln in der umstrittenen StVO-Novelle 2020 wollen alle 16 Bundesländer prüfen, ob bereits eingezogenen Führerscheine zurückgegeben werden können. Darauf verständigten sich die Länder nach Beratungen mit dem Bundesverkehrsministerium, erfuhr die Deutsche Presseagentur (dpa). Weil der Führerscheinentzug als schwerer Eingriff gilt, wollen die Länder solche Entscheidungen einer landesrechtlichen "Billigkeitsprüfung" unterziehen. Die Führerscheine würden zurückgegeben, wenn nach dem alten Bußgeldkatalog kein Fahrverbot verhängt worden wäre, hieß es.Im Saarland und in Bayern etwa werden eingezogene Führerscheine schon zurückgegeben. Noch schwebende Verfahren wollen die Länderbehörden nach dem alten Bußgeldkatalog entscheiden, wie er vor dem 28. April 2020 gültig war. Die Billigkeitsprüfung betreffe aber nur die Regeln mit Bezug auf Fahrverbote. Die neue Straßenverkehrsordnung sieht eigentlich vor, dass ein Monat Führerscheinentzug droht, wenn man innerorts 21 km/h bzw. außerorts 26 km/h zu schnell ist. Zuvor lagen die Grenzen bei Überschreitungen von 31 km/h im Ort und 41 km/h außerhalb. Vor Kurzem wurde allerdings ein Formfehler in der Verordnung entdeckt – daraufhin setzten alle Länder den neuen Bußgeldkatalog vorerst außer Vollzug.
Rechtsgrundlage in Verordnung nicht genannt
Der Grund: In der Eingangsformel der Verordnung wurde die Rechtsgrundlage für die neuen Fahrverbote nicht genannt. Das sieht auch Verkehrsrechtsanwalt Uwe Lenhart aus Frankfurt/Main so: "Als Zitiergebot bezeichnet man die in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) festgelegte Pflicht des Gesetzgebers, bei einer Einschränkung von Grundrechten durch ein Gesetz oder auf Grundlage eines Gesetzes das betroffene Grundrecht unter Angabe des Grundgesetzartikels zu nennen." Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dessen Ministerium zu den Verfassern der Novelle gehört, hält die neuen Fahrverbotsregeln bei zu schnellem Fahren für überzogen. Er will die Beseitigung des Formfehlers nutzen, um die Verschärfung zurückzunehmen, bekommt dafür aber Gegenwind aus dem Kreis der Bundesländer. So hatte sich Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) strikt gegen eine Abkehr von den schärferen Sanktionen ausgesprochen. Der Fehler liege bei Scheuer, der nun auch noch versuche, zu korrigieren, was ihm nicht gefalle, hatte der Grünen-Politiker gesagt. "Die grüne Seite steht da völlig klar: Wir wollen eine schnelle formale rechtliche Korrektur ohne Änderungen der beschlossenen Maßnahmen." Zudem müsse es nun schnell eine einheitliche Übergangsregelung geben.
Merkel setzt auf Kompromisslösung
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ am 13. Juli deutlich machen, dass sie auf einen Kompromiss zwischen Bund und Ländern setzt. Die Gespräche zur Änderung der Straßenverkehrsordnung seien im Gange und notwendig, um einen Kompromiss zu finden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. "Rechtssicherheit ist ein hohes Gut und muss hergestellt werden." Es gebe einen "Formfehler", mit dem die neuen Regelungen nicht in Kraft treten könnten. "Also muss Heilung gefunden werden."
Ganze Novelle oder nur Fahrverbote unwirksam?
Rechtlich umstritten ist, welche genauen Auswirkungen der Formfehler haben könnte. Lenhart: "Es ist denkbar, dass deshalb die gesamte Reform unwirksam ist." Nach ADAC-Auffassung führt das unvollständige Zitieren der Ermächtigungsgrundlage dazu, dass zumindest die neuen Fahrverbote nicht wirksam sind. Eine einfache Ergänzung der Verordnung dürfte nach Ansicht Lenharts nicht ausreichen: "Es ist davon auszugehen, dass das Bundesverkehrsministerium eine neue Regelung anstreben wird, die wiederum der Zustimmung des Bundesrates bedarf."
Experte rät Betroffenen, Einspruch einzulegen
Verkehrsrechtsanwalt Lenhart rät betroffenen Autofahrern: "Auf jeden Fall Einspruch einlegen und eine gerichtliche Entscheidung bis zum Inkrafttreten der Neu-Neufassung der StVO in der zweiten Jahreshälfte herauszögern." (Wie Sie Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid einlegen, lesen Sie hier!)
Mit Material von dpa
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