Am Verso ging über 100.000 Kilometer so gut wie nichts kaputt. Der Van beendet seinen Dauertest mit der vorbildlichen Note "Eins". Ein Toyota wie früher also? Auf jeden Fall – wenn der Rost nicht wäre.
Der Verso führt seinen Besitzer zurück in die gute alte Zeit. In die Zeit, als ein Toyota vor allem praktisch, anspruchslos und unverwüstlich war. Damals zeigten uns die Werbespots der Japaner ein paar Affen ("nichts ist unmöööglich"), weil ihre Autos meist graue, gesichtslose Mäuse waren. Auch der Verso wird wohl nie zum Herzensbrecher, doch über 100.000 Kilometer ging an dem Van so gut wie nichts kaputt. Eine Glühlampe, eine Innenleuchte, die Tankklappe gerichtet, das war's. Im AUTO BILD-Dauertest bekommt er die Note "Eins". Eine schöne heile Welt, die nur getrübt wird von auffälligen Flecken, die bei der abschließenden Zerlegung zutage traten: Wir fanden Rost. Rost am Anlasser, am Ölpeilstab, in Schwellern und sogar innen am Scharnier der dritten Sitzreihe. Das heißt: verteilt übers ganze Auto. Zu oft und zu viel, um von Einzelfällen zu reden. Offensichtlich haben die Japaner am Korrosionsschutz gespart.Note "Eins" und Rost – wie passt das zusammen? Ganz einfach: Der AUTO BILD-Dauertest prüft ausschließlich Funktion und Zuverlässigkeit, beides hat beim Verso nicht gelitten. Zudem dürften zwei harte Winter die Korrosion verstärkt haben. Vom Rost ist beileibe nicht nur Toyota betroffen. Derzeit kehrt bei asiatischen Autos dieses Problem zurück, das längst besiegt schien: Ob Toyota Auris, Mazda3 oder der Hyundai i30cw aus Korea – es zieht sich ein neuer brauner Faden durch unsere jüngsten Dauertest-Resultate. Toyota nennt den Rost nur "oberflächlich", wir halten dagegen: Der getestete Verso war erst zwei Jahre alt! Sicher fällt der Rost auch deshalb auf, weil der Van über 100.000 Kilometer den Japaner spielte, wie er im Buche steht: unauffällig bis unscheinbar.
Saubere Testbilanz: Nur drei Minuspunkte gab es für den Verso über 100.000 Kilometer.
So wie der Verso "Life" zum Dauertest antrat, mit 1,8-Liter-Benziner, 147 PS, Handschaltung und in Platinsilber-Metallic, so kaufen ihn die meisten Kunden. Zusammen mit Festplatten-Navi inklusive Rückfahrkamera (1900 Euro extra), Alurädern (650 Euro) und Life-Plus-Paket (dann ist für 800 Euro auch Zwei-Zonen-Klima an Bord) kostete der Testwagen laut Liste 28.540 Euro. Viel Geld für ein Familienauto. Dafür bietet der Toyota neben reisetauglicher Ausstattung handfeste Vorzüge. Eine dritte Sitzreihe haben auch VW Touran, Renault Scénic oder Opel Zafira, doch nur im Toyota fallen die längs verschiebbaren Mittelsitze mit einem Griff zur ebenen Ladefläche um. "Sehr angenehm bei Umzügen", notiert Redakteur Claudius Maintz. Nach schräg hinten sollte man jedoch besser sehen können, auch der große Wendekreis (12,1 Meter) fällt im Stadtverkehr unangenehm auf. Doch je länger die Strecke, desto erfreuter klingen die Eintragungen im Fahrtenbuch. Da loben Fahrer die ausgewogene Federung, komfortable Sitze (trotz kurzer Sitzflächen), gute Geräuschdämmung und den überraschend leisen Benziner – "das beste Stück am Verso", wie Redakteuer Michael Voß findet.Der 1,8-Liter-Benziner läuft leise und vibrationsarm, mag schaltfaules Fahren ebenso wie flottes Ausdrehen und verlangte auf 100.000 Kilometer nicht einen zusätzlichen Tropfen Öl. Wer es ruhig angehen ließ, drückte den Verbrauch unter sechs Liter, ein flotter Fuß trieb den Verso auf über zwölf Liter und bei Tacho 205 in den Begrenzer – Werte wie von einem Diesel, wie er im Touran oder Scénic deutlich beliebter ist. Im Toyota hat niemand den teuren Selbstzünder vermisst, zumal der Testverbrauch mit 9,1 Litern trotz der schrankwandgroßen Frontfläche im Rahmen blieb. Kollege Mario Puksec begann sogar zu träumen, "wie viel Spaß dieser Motor in einer kleinen Knallbüchse wie dem Yaris machen könnte". Doch niemand kauft einen Van wegen seines Motors. Auch nicht wegen aufregender Fahr-Dynamik, die dem Verso komplett abgeht. "Eines der freudlosesten Autos überhaupt", urteilte Testredakteur Gerald Czajka und bemängelte die gefühllose Lenkung, träges Handling und das vorsichtige ESP, das selbst nach dem Ausschalten sofort wieder eingreift. Da trifft japanisches Naturell, den Fahrer möglichst nicht zu behelligen, auf eine defensive Fahrwerkabstimmung.
Günther Schiele vom DEKRA (rechts) und Dirk Goliath von Toyota bei der abschließenden Untersuchung.
Was benzingeschwängerte Naturen stört, freut die Familienväter. Typisch Toyota eben. "Versowas kauft, erwartet nicht mehr", kalauerte der Oldtimer spezialist Frank B. Meyer von AUTO BILD KLASSIK. Deutlich mehr hätte AUTO BILD – bei diesem Preis und Toyotas gutem Ruf – von der Qualität erwartet. Die Kunststoffe zerkratzten im Dauertest schnell, auf schlechten Straßen knisterte es gewaltig im Plastik-Gebälk. Zudem störte die störrische Mittelarmlehne aus Hartplastik beim Reisen. Sie trägt seit Mai 2010 werksseitig einen Stoffüberzug. Überhaupt auffällig, wie Toyota den Van Schritt für Schritt nachgebessert hat: am Lenkrad (März 2010), Schalthebelkappe (5/10), Innenlicht (12/10) oder Heckklappen-Dämpfern (9/11).
Das spricht für Sorgfalt, aber auch für erkannte Mängel. Ernsthaft geärgert haben uns das Radio-/Navisystem und der Touchscreen. "Das Einzige, was man bei Sonneneinstrahlung sieht, sind die Fingerabdrücke", so Testredakteur Jan Horn. Die teure Anlage bot nur schlechte Empfangsqualität, grobe Grafik und fehlende Logik: Wo beendet man eine Zielführung, ohne die neue zu starten? Zudem scheiterten viele daran, die Bluetooth-Freisprecheinrichtung fürs Handy zu aktivieren. Kunden haben sich angeblich nicht beschwert, dennoch führt Toyota eine neue, verbesserte Navi-Generation ein. Vielleicht kehrt damit ein Stück heile Welt zurück.Alle Bilder zum Dauertest mit dem Toyota Verso finden Sie oben in der Bildergalerie. Den vollständigen Artikel mit allen Daten und Tabellen gibt's im Online-Artikelarchiv.
Fazit
von
Manfred Klangwald
Wir wollen es nochmals betonen: Der Verso absolviert den Dauertest mit vorbildlicher Zuverlässigkeit! Keine Schäden, kein Öl nachgefüllt – mit Note "Eins" landet der Toyota auf Platz neun unserer ewigen Dauertest-Hitliste. Darauf kann die Marke zu Recht stolz sein. Dennoch zeigt der Musterknabe auch eine Kehrseite. Der Rost, der nach zwei Wintern auftrat, spricht für nachlassende Sorgfalt in der Produktion – bitte dringend abstellen, Toyota! Materialauswahl und Unterhaltungs-Elektronik machen den Eindruck, als hätte der Hersteller lieblos seine Pflicht erfüllt. Nur haltbare Autos zu bauen reicht nicht aus.