Das Budget ist klein, der Raumbedarf groß? Ein Vierthand-Touran und ein Post-Caddy zeigen beim Gebrauchtwagen-Test, was sie noch auf dem Kasten haben.
Freiheit! Dafür steht das Auto. Für die Freiheit, jederzeit mobil zu sein und Transportaufgaben selbst lösen zu können. Da wir auch Freiheit von finanziellen Verpflichtungen wollen, darf unser Traum vom Raum nicht mehr kosten als 4000 Euro. Auf einem Händlerhof finden wir zwei Autos, die trotz ihrer technischen Verwandtschaft zwei völlig eigenständige Typen sind: Der siebensitzige VW Touran 1.6 FSI mit 184.000 km aus dem ersten Produktionsjahr 2003 ist hier der Familienfreund. Kostet 3450 Euro. Der drei Jahre jüngere Caddy (95.000 km, 3290 Euro) mit Lkw-Zulassung kommt mit seiner Eigenschaft als Einsitzer nicht infrage für eine vierköpfige Familie. Aber vielleicht für junge Paare – der Beifahrersitz vom Autoverwerter ist schnell eingebaut.
Der turbolose Pumpe-Düse-Diesel des Caddy arbeitet klaglos
Der Post-Caddy bietet Freiraum statt fester Sitze – und somit Platz für Ideen. Campingausbau? Kein Problem.
Der gelbe Kastenwagen erfuhr bei der österreichischen Post bislang jedenfalls wenig Liebe, lernte dafür umso mehr Streusalz und eilig agierende Fahrer kennen. Davon zeugen etwas oberflächlicher Rost an der Kante der Fahrertür, ringsum Beulen, Dellen, Kratzer, Schrämmchen und ein kleiner Hagelschaden. Sitzt man erst mal drin im Caddy, fällt die aufgerissene Sitzwange gar nicht mehr auf. Man spürt sie nicht. Das Einzige, was am Caddy glänzt, sind das abgegriffene Lenkrad und der speckige Schaltknauf. Schlüssel drehen. Kurzes Vorglühen, der Anlasser orgelt. Aber nur kurz, denn der turbolose Pumpe-Düse-Diesel kommt prompt und pflichtbewusst seiner Arbeit nach. Der Motor ist kerngesund. 70 PS, zwei Liter Hubraum, 140 Nm bei 2200 Touren. Das sind Werte aus einer anderen Zeit. Es saugdieselt sich jedoch völlig relaxt, man versucht gar nicht erst, schnell zu sein. Entspannt bleiben. Dabei hilft auch die Lkw-Zulassung mit nur 124 Euro Jahressteuer. Was zu tun wäre am Post-Caddy? Neue Bremsscheiben vorn und vier neue Stoßdämpfer für die Fahrsicherheit, eine Entrostung und Konservierung des oberflächlich angerosteten Unterbodens für die Zukunftsfähigkeit. Ansonsten ist der Ex-Postler technisch fit.
Benzin, 5,6 l/100km (komb.), CO2 Ausstoß 131 g/km*
In Kooperation mit
Rechtliche Anmerkungen
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).
Der Post-Caddy ist ein echtes Statement
Seine Beulen und Kratzer sind dem Caddy wurscht. Er ist ein treuer Begleiter und verrichtet treu seinen Dienst.
Die alte Postkutsche bietet noch mehr als die bereits erwähnten Freiheiten: nämlich die Freiheit von Status, Ritualen und Zwängen. Der gelbe Caddy ist nicht nur ungemein praktisch und verlässlich. Wer ihn fährt, pfeift auf hitzige Diskussionen nach einem kleinen Rempler auf dem Supermarktparkplatz. Eine nette Einladung zum Essen oder eine Kiste Bier reichen als Wiedergutmachung. An einem sonnenreichen Sommersamstag in die lange Reihe von Autos vor der Waschstraße stellen? Kommt gar nicht infrage, es geht mit Grillgut und Schlauchboot zum See. So ein vom harten Leben gekennzeichneter Post-Caddy ist ein Statement, ähnlich wie es ein Kasten-R4 in den 70er- und 80er-Jahren war. Das Auto als treue Seele, die einen überallhin begleitet und alles mitmacht, selbst aber keine Ansprüche stellt. Seine Beulen und Kratzer sind wie Falten im Gesicht eines älteren Menschen. Charakterprägend, lebenslustig. Post-Caddy-Fahrer sind keine Kunden beim smarten Repairer oder gesichtsliftenden Schönheitschirurgen.
Der Touran ist komfortabler und fahrsicherer als der Ex-Postler, aber auch ohne einen Hauch Abenteuer.
Während der Caddy seine Kampfwunden offen zeigt, steht der Touran in Blackmagic-Perleffekt auf den allerersten Blick noch ganz ansehnlich da, zumindest aus einigen Metern Entfernung. Doch spätestens nach dem Starten des Motors wird klar, dass der Vierthand-Van auf seinen 184.000 Kilometern einiges von seiner Magie verloren hat. Das Geräusch eines klappernden, schlagenden Ventils verschwindet auch nach Minuten nicht. Dazu leuchtet die Kühlwasser-Kontrolllampe. Haube auf. Tick, tick, tick, tick! Motor aus. Eineinhalb Liter Kühlwasser fehlen, wir füllen nach. Bei der anschließenden Probefahrt kann sich der 45 PS stärkere Touran kaum von seinem saugdieselnden Markenbruder absetzen. Wo ist die Leistung geblieben?
Gebrauchtwagen mit Garantie
13.450 €
Volkswagen Touran 1.2 TSI Climatronic+AZV+PDC Bluetooth Klima, Jahr 2015, Benzin
Diesel, 4,6 l/100km (komb.), CO2 Ausstoß 122 g/km*
In Kooperation mit
Rechtliche Anmerkungen
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).
Unsere Vermutung: Da wir ein weiteres Mal Kühlwasser nachkippen müssen, Kühler und Schläuche auf den ersten Blick aber dicht sind, liegt der Verdacht nah, dass es die Kopfdichtung (rund 1500 Euro) zerlegt hat. Wenn nicht sogar der Zylinderkopf hitzebedingt gerissen oder verformt ist (rund 3300 Euro). Die rupfende Kupplung (800 Euro), die heulenden Vorderreifen (200 Euro) und die vier weichen Stoßdämpfer (rund 1000 Euro) sind Peanuts gegen das vermutete Worst-Case-Szenario am Motor, dessen Reparatur beim Motorinstandsetzer den Zeitwert des Siebensitzers locker übertrifft. Ach so, auf den gar nicht mal so gut gespachtelten und spraydosenlackierten Unfallschaden am Seitenteil hinten links mit aufkeimendem Radlauf-Rost wollen wir jetzt nicht weiter eingehen ...
Was bei den AUTO BILD-Testwagen aufgefallen ist, und auf welche Mängel Käufer beim gebrauchten VW Touran und VW Caddy außerdem achten sollten, erfahren Sie in der Bildergalerie.
Auf einem Händlerhof finden wir zwei Autos, die trotz ihrer technischen Verwandtschaft zwei völlig eigenständige Typen sind: Der siebensitzige VW Touran 1.6 FSI mit 184.000 km aus dem ersten Produktionsjahr 2003 ist hier der Familienfreund. Kostet 3450 Euro. Der drei Jahre jüngere Caddy (95.000 km, 3290 Euro) mit Lkw-Zulassung kommt mit seiner Eigenschaft als Einsitzer nicht infrage für eine Familie. Aber vielleicht für junge Paare – der Beifahrersitz vom Autoverwerter ist schnell eingebaut.
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Der gelbe Kastenwagen erfuhr bei der österreichischen Post bislang jedenfalls wenig Liebe, lernte dafür umso mehr Streusalz und eilig agierende Fahrer kennen. Davon ...
Schlüssel drehen. Kurzes Vorglühen, der Anlasser orgelt. Aber nur kurz, denn der turbolose Pumpe-Düse-Diesel kommt prompt und pflichtbewusst seiner Arbeit nach. Der Motor ist kerngesund. 70 PS, zwei Liter Hubraum, 140 Nm bei 2200 Touren. Das sind Werte aus einer anderen Zeit.
Es saugdieselt sich jedoch völlig relaxt, man versucht gar nicht erst, schnell zu sein. Entspannt bleiben. Dabei hilft auch die Lkw-Zulassung mit nur 124 Euro Jahressteuer. Was zu tun wäre am Post-Caddy? Neue Bremsscheiben vorn und vier neue Stoßdämpfer für die Fahrsicherheit, eine Entrostung und Konservierung des oberflächlich angerosteten Unterbodens für die Zukunftsfähigkeit. Ansonsten ist der Ex-Postler technisch fit.
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Grundsätzlich sollte man bei der Auswahl eines alten Post-Caddy einige Dinge prüfen, um sich vor unliebsamen Überraschungen zu schützen. Dazu gehört ein Check des Zahnriemens. Alle 120.000 km oder zehn Jahre muss er getauscht werden. Kosten mit Einbau: 400 Euro.
Wichtiger Punkt bei der Entscheidung: Die alte Postkutsche bietet die Freiheit von Status, Ritualen und Zwängen. Der gelbe Caddy ist nicht nur ungemein praktisch und verlässlich. Wer ihn fährt, pfeift auf hitzige Diskussionen nach einem kleinen Rempler auf dem Supermarktparkplatz. Eine nette Einladung zum Essen oder eine Kiste Bier reichen als Wiedergutmachung.
So ein vom harten Leben gekennzeichneter Post-Caddy ist ein Statement, ähnlich wie es ein Kasten-R4 in den 70er- und 80er-Jahren war. Das Auto als treue Seele, die einen überallhin begleitet und alles mitmacht, selbst aber keine Ansprüche stellt.
Seine Beulen und Kratzer sind wie Falten im Gesicht eines älteren Menschen. Charakterprägend, lebenslustig. Post-Caddy-Fahrer sind keine Kunden beim smarten Repairer oder gesichtsliftenden Schönheitschirurgen.
Während der Caddy seine Kampfwunden offen zeigt, steht der Touran in Blackmagic-Perleffekt auf den allerersten Blick noch ganz ansehnlich da, zumindest aus einigen Metern Entfernung. Doch spätestens ...
... nach dem Starten des Motors wird klar, dass der Vierthand-Van auf seinen 184.000 Kilometern einiges von seiner Magie verloren hat. Das Geräusch eines klappernden, schlagenden Ventils verschwindet auch nach Minuten nicht. Dazu leuchtet die Kühlwasser-Kontrolllampe. Haube auf. Tick, tick, tick, tick! Motor aus. Eineinhalb Liter Kühlwasser fehlen, wir füllen nach.
Bei der anschließenden Probefahrt kann sich der 45 PS stärkere Touran kaum von seinem saugdieselnden Markenbruder absetzen. Wo ist die Leistung geblieben? Unsere Vermutung: Da wir ein weiteres Mal Kühlwasser nachkippen müssen, ...
... Kühler und Schläuche auf den ersten Blick aber dicht sind, liegt der Verdacht nah, dass es die Kopfdichtung (rund 1500 Euro) zerlegt hat. Wenn nicht sogar der Zylinderkopf hitzebedingt gerissen oder verformt ist (rund 3300 Euro).
Die rupfende Kupplung (800 Euro), die heulenden Vorderreifen (200 Euro) und die vier weichen Stoßdämpfer (rund 1000 Euro) sind Peanuts gegen das vermutete Worst-Case-Szenario am Motor, dessen Reparatur beim Motorinstandsetzer den Zeitwert des Siebensitzers locker übertrifft.
Auf den gar nicht mal so gut gespachtelten und spraydosenlackierten Unfallschaden am Seitenteil hinten links mit aufkeimendem Radlauf-Rost wollen wir jetzt nicht weiter eingehen.
Beide Raumwunder stehen auf der Konzern-Plattform PQ35, deswegen teilen sich Touran und Caddy auch einige Problemzonen, etwa die Dieselmotoren. Die Liste der Problemzonen des 1.9 TDI und 2.0 TDI ist lang: gerissene Zylinderköpfe beim 2.0 TDI der Baujahre 2003 und 2004, eingelaufene Nockenwellen und Tassenstößel, defekte Turbolader-Leitschaufeln (1.9 TDI), undichte Pumpe-Düse-Elemente. Die ab 2010 verkauften Common-Rail-Diesel sind laufruhiger und zuverlässiger.
Ruckelt es beim Anfahren, sind oft die Kupplungsscheiben des DSG verschlissen. Der Austausch kostet 1500 Euro. Probleme gibt's auch mit dem Zweimassen-Schwungrad: Ab 100.000 km schlagen die Federn bei den TDI-Modellen durch. Kosten: 1000 Euro.
Ölverlust ist ein typischer Mangel, welcher irgendwann jedes Auto trifft. Schwitzen ist okay, Abtropfen ein erheblicher Mangel beim TÜV. Einige Bastler greifen vor dem Besuch beim TÜV gern zum Hochdruckreiniger.
Ein defekter Mikroschalter im Griff kann das Öffnen der Heckklappe von außen verhindern. Die Einheit (mit Kennzeichenleuchten) ist nicht zerlegbar, der Tausch kostet rund 100 Euro.
Abplatzender Softlack ist bei über zehnjährigen Autos für wenig Geld nur ein Schönheitsfehler. Jedoch ein typischer, der sämtliche VW dieser Ära betrifft.
Fazit von Redakteur Lars Busemann: Bei welchem geht hier noch die Post ab? Klare Antwort: Beide getesteten VW sind ein Fall für Bastler. Der Touran ist mit seinen Reparaturen wirtschaftlich tot. Der simple Post-Caddy ist mit relativ geringem Aufwand technisch wieder fit zu bekommen – als zweisitziger Lieferwagen oder selbst ausgebautes, knallgelbes Wohnmobil. Urteil VW Touran: einer von Punkten; Urteil VW Caddy: drei von fünf Punkten.
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Wer auf der Suche nach einer Alternative zu den beiden praktischen Wolfsburgern ist, könnte Gefallen am Citroën Berlingo I (1996 bis 2009) finden. AUTO BILD-Tipp: ein 1.6 HDi (90 PS, ab 2005) ab 2500 Euro.