Citroën HY
—Der hat schöne Falten
Der Citroën Typ H sieht aus wie eine rollende Notbehausung. Trotzdem ist er praktischer als manch anderer Transporter. Rendezvous mit einem Minimalisten.
Vielsitzige Klassiker | ||
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Alfa Romeo F12 | Barkas B 1000 | Chevrolet Suburban |
Lloyd LT 600 | Mercedes O 319 | VW T1 Samba-Bus |
Helden des Wirtschaftswunders: Nachkriegstransporter
Beinahe-Ente für kleines Geld: Citroën Dyane
Technische Daten
Citroën HY Motor: Reihenvierzylinder, vorn längs • seitliche Nockenwelle, von Steuerkette angetrieben • 2 Ventile pro Zylinder • ein Fallstrom-Vergaser Zenith 28 INL • Hubraum 1911 ccm • Leistung 42,66 kW (58 PS) bei 4000/min • max. Drehmoment 137 Nm bei 1750/min, Antrieb/Fahrwerk: Dreigangschaltgetriebe • Vorderradantrieb • Einzelradaufhängung rundum, vorn mit Dreiecksquerlenkern, Drehstabfederung vorn längs, hinten quer, hydraulische Dämpfer rundum • Trommelbremsen rundum • Reifen 17 x 400 Maße: Radstand 2510 mm • L/B/H 4270/1990/2300 mm • Leergewicht 1350 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: Spitze 100 km/h • Verbrauch 13–14 l/100 km • Neupreis: 9900 Mark (1963).
Historie
1939 stellt Citroën den TUB vor, einen plattnasigen Kleintransporter mit 850 kg Nutzlast, basierend auf dem Traction Avant. Nur knapp 1750 Exemplare entstehen bis 1941. Seinen letzten Auftritt erlebt er auf den Pariser Salon 1946, als der neue Typ H schon in den Startlöchern steht. Der erlebt seine Präsentation im Oktober 1947 und wird ab Juni 1948 verkauft, als Citroën endlich genug Rohstoffe für die Fertigung zugeteilt werden. Zunächst gibt es nur die beiden Ausführungen HZ mit 850 kg und H mit 1200 kg Nutzlast; der wird 1958 durch den HY mit 1500 (später 1600) kg Nutzlast ersetzt. Die meisten H-Modelle gibt es ab Werk mit langem oder kurzem Radstand sowie offenem oder geschlossenem Aufbau; alle anderen Varianten liefern externe Karossiers. Ab 1960 ist ein Perkins-Diesel verfügbar, den 1964 ein 50-PS-Selbstzünder von Indénor ersetzt. Im selben Jahr weicht auch der Benziner mit ursprünglich nur 35 PS dem neueren Motor mit 42 PS. 58 PS markieren ab 1968 den Leistungs-Höchststand. 1975 verlagert Citroën die Fertigung vom Quai de Javel nach Aulnay-sous-Bois, wo die Produktion erst 1981 nach 473.289 Exemplaren ausläuft.
Plus/Minus
Der Typ H ist ein Sympathieträger allererster Güte. Winkende und lachende Menschen heben die Laune am Steuer, der Kultfaktor ist ähnlich hoch wie bei der Ente. Mit ihr teilt er auch die Eigenschaft, nicht ganz wind- und wasserdicht zu sein. Seine Freunde können damit leben. Nerviger ist die niedrige Anfass-Hemmschwelle beim Publikum: Dass Besucher von Oldtimertreffen ihre Fahrräder am Stoßfänger anschließen, sich reinsetzen, ohne zu fragen, oder auch den Besitzer mit Kaufangeboten bewerfen, ist keine Seltenheit. Denn gute Autos sind rar, weil sich die Karosserie im Gegensatz zur Technik nur schwer instand setzen lässt. Speziell die Reparatur des stabilisierenden Sandwich-Bodens ist äußerst schwierig. Und: Das Sickenblech ausbeulen oder auch spurenfrei schweißen zu wollen, grenzt an wilden Idealismus. Entsprechend häufig ist hier grober Pfusch.
Ersatzteile
Überzeugte H-Fahrer hamstern Karosserieteile, denn die gibt es nicht immer, schon gar nicht als Originale. Wie auch Reifen, die gern mal mit bis zu 500 Euro zu Buche schlagen können – pro Stück! Da stimmt nur der bunte Technik-Mix versöhnlich, der bei den mechanischen Komponenten problemlose Versorgung garantiert.
Marktlage
Wer glaubt, in Frankreich stünden H, HZ und HY noch an jeder Ecke, liegt damit richtig – und doch daneben. Vielerorts lassen sich Transporter-Reste zum Kilopreis zusammenfegen, doch "gute Autos" entpuppen sich meist als geschönte Bastelhöhlen für viel zu viel Geld. Denn der HY-Hype ist in vollem Gange, die Nachfrage weit größer als das Angebot.
Empfehlung
Maximaler Nutzwert, bedingungslose Zuverlässigkeit und hoher Fahrspaß entschädigen für einen höheren Kaufpreis – wenn die Substanz stimmt. Pritschen-Aufbauten sind noch häufig anzutreffen, aber nicht sehr gefragt. Fensterbusse, wie der hier gezeigte, sind eine ausgesprochene Rarität. Die Frage nach dem Aufbau ist also eine Frage nach den persönlichen Vorlieben. Das gilt auch für die Motorisierung: Späte Benziner mit 58 PS lassen sich am kultiviertesten bewegen. Die beiden Diesel sind reine Arbeitstiere ohne Laufkultur.
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