Mit dem Rolls-Royce Silver Shadow auf der Silberstraße
Schicht im Schacht

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Die goldenen Zeiten sind vorbei. Für den sächsischen Silberbergbau wie für den britischen Autobau. AUTO BILD spürte im Rolls-Royce Silver Shadow der glänzenden Vergangenheit der Silberstraße nach.
Herr Findeisen baut sich auf. Er spreizt die Beine, streckt die Arme nach vorn, in den Händen eine Karbid-Lampe, wie sie die Bergleute noch Anfang der 60er-Jahre benutzten. "Mein Name ist Programm", sagt der junge Mann in einem Ton, mit dem Vertreter an Haustüren Staubsauger verkaufen. Der 31-Jährige scheint ein guter Geschäftsmann zu sein. Einer mit Sinn für Kunden, die in der Freiberger Filiale mehr erwerben wollen als nur Touristen-Tinnef und Silbersteine. Doch diesmal läuft seine Charme-Offensive ins Leere. Den Rolls-Royce vor seinem Laden hat Findeisen nicht gesehen. Er muss ihn gewittert haben – und mit ihm ein Bombengeschäft. Das platzt. Weil weder ein Millionär noch die Queen zum Geldausgeben nach Freiberg gekommen ist. Sondern wir von AUTO BILD, um Schätze entlang der Silberstraße zu erkunden.
Sonnen wie die sächischen Könige in Pillnitz


So wie unser Rolls-Royce, der normalerweise nur zum Angucken im Privatmuseum von Hans-Günter Zach in Mühlheim am Main steht. Jetzt läuft sein V8 mit stoischer Ruhe durch die sächsische Waldlandschaft und lässt die stolze Kühlerfigur mit ausgebreiteten Flügeln über die Straßen fliegen. Aus dem nachgerüsteten Blaupunkt-Radio singt der blinde Tenor Andrea Bocelli, das zarte, schwarze Rindsleder knirscht. Sonst – nur Ruhe. Wahrer Reichtum kommt von innen, zumindest in Freiberg, der Hauptstadt des Silbers. Im Schacht "Reiche Zeche" unterrichtet heute die Bergbau-Akademie Studenten, kümmert sich der Förderverein um Besucher. Maschinist Rudi hat über 15 Jahre hier gearbeitet, jetzt engagiert er sich ehrenamtlich. "Hier sind alle eingefahren: Humboldt, Goethe", zählt der 65-Jährige im Blaumann auf, "auch Moderator Gunther Emmerlich war da. Dem habe ich gesagt:, Ihr Schicksal liegt in meinen Händen". Vertrauen ist nötig, um in den Aufzug zu steigen. Der taucht geräuschlos 150 Meter in die Tiefe, die Ohren fühlen sich an, als hätten unsichtbare Hände Kopfhörer aufgesetzt, von der Decke tropft es.
Im Frohnauer Museum kreist der Hammer

An der Route liegen heute viele gut erhaltenetechnische Denkmäler wie das Silberbergwerk in Freiberg, der Pferdegöpel in der Nähe von Schwarzenberg oder das Museum Frohnauer Hammer. Goldstückder Ferienstraße ist Dresden. Die Landeshauptstadt bietet mit "Pfunds Molkerei" (Neustadt, Bautzener Straße 79) nicht nur den schönsten Milchladen der Welt, sondern im Sommer italienisches Lebensgefühl. Weiteres Dresden-Highlight: Ganzjährig rollen handgefertigte VW Phaeton aus der Gläsernen Manufaktur am Straßburger Platz. Die größere Auto-Historie besitzt aber Zwickau. 1909 legte August Horch den Grundstein für die spätere Auto Union aus Horch, Audi, Wanderer und DKW. Daran erinnert das August-Horch-Museum Zwickau, das – hört, hört! – selbstverständlich in der Audistraße steht.
Der Rolls-Royce Silver Shadow
Der Silver Shadow ist "der" Rolls-Royce schlechthin, auch aufgrund seiner Stückzahl. Von 1965 bis 1981 verkauften die Briten mehr als 28.000 Stück. Als erster RR besaß die 5,2-Meter-Limousine eine selbsttragende Karosserie und einzeln aufgehängte Räder. Der anfangs eingesetzte V8-Motor mit 6,2 Liter Hubraum wurde 1970 durch ein Aggregat mit 6,8 Litern ersetzt. Traditionell umschrieb RR die PS-Zahl mit "ausreichend", eine genaue Angabe machte der Hersteller nicht. 1977 erhielt der Silver Shadow einen neuen Kühlergrill und schwarze Stoßstangen.
Technische Daten
V8 • zwei Horizontalvergaser SU 8 • Bohrung x Hub 104,1 x 91,4 mm • Hubraum 6750 ccm • Leistung 146 kW (199 PS) bei 4000/min • Hinterradantrieb • Dreistufenautomatik mit Drehmoment- wandlergetriebe • Einzelradaufhängung mit Schraubenfedern vorn und hinten • Reifen 235/70 HR 15 • L/B/H 5170/1800/1520 mm • Leergewicht 2160 kg • Tankinhalt 107 l • Höchstgeschwindigkeit 184 km/h Preis (1977): ca. 150.000 Mark
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