Saporpshez 965A, Fiat 600D, Innocenti Mini 850, NSU Prinz 4L
Die vier Kleinwagen sind Zeugen einer Zeit, in der die Entwickler noch nach der idealen Formel für Volks-Automobile suchten.
Bild: U. Sonntag
Gar nicht so lang ist's her. Anständige Autos waren Hecktriebler, ließen sich also von ihrem Motor schieben. Untenrum trugen sie noch Schmiernippel, die Betriebsanleitungen enthielten Elektrik-Schaltpläne und ausführliche Pannenhilfe-Tipps, die erklärten, wie der Kraftfahrer Ventile und Scheinwerfer selbst einstellen kann. NSU lieferte sogar Hinweise zum Zwischengas-Geben – zwecks Schonung des vollsynchronisierten Getriebes. NSU Prinz 4, Fiat 600 und der russische Saporoshez 965 stehen für die typische Kleinwagen-Machart der 60er-Jahre. Doch mittendrin lauert bereits Trendsetter Mini. Eckig und grün, nur 3,06 Meter kurz. Hier zwar ein von Innocenti in Lizenz gebautes Exemplar, aber schon 1959 mit dem zukunftsweisenden Konzept aller kommenden Platzsparer: Quermotor vorn, Wasserkühlung, Vorderradantrieb. Doch Käferland Deutschland kaufte damals konservativ. Noch. Kanzler Adenauers Wahlkampfparole "Keine Experimente" traf den Geschmack der kleinen Leute. Autos wie NSU Prinz und Fiat 600 gingen weg wie Scharnow-Bahnreisen an die damals noch ferne Adria. Dem Mini hingegen misstraute die Masse, obwohl der Floh 1964 den Gesamtsieg bei der Rallye Monte Carlo einfuhr. Er war seiner Zeit zu weit voraus. Östlich der damaligen Zonengrenze fiel der Saporoshez auf: Front wie der Fiat 600, luftgekühlter V4 im Heck und Kinderkrankheiten serienmäßig – aber schneller zu haben als Wartburg oder Trabant. Auch im Westen wurde der raue Russe – montiert in Belgien – angeboten. Gar nicht so lang ist’s her. Die ausführlichen Einzeltests der Kleinwagen aus den 60er-Jahren finden Sie hier:
Saporpshez 965A, Fiat 600D, Innocenti Mini 850, NSU Prinz 4L
BMC hatte das Patentrezept schon – weshalb der Mini ganz knapp vor dem NSU Prinz gewinnt.
Bild: U. Sonntag
Ein Saporoshez durfte in dem Film "Goldeneye" mitfahren und James Bond in St. Petersburg abholen. Der NSU Prinz sieht fast so cool aus wie ein Chevrolet Corvair, Kopie hin oder her. Der Fiat 600 mobilisierte nicht nur Italien – und über den epochemachenden Mini müssen wir keine lobenden Worte mehr verlieren. Vier Berühmtheiten also aus einer Zeit, in der sich für einen Herrenfahrer hielt, wer nach dem Parken die gelochten Handschuhe angeberisch übers Lenkrad hängte. Drei echte 67er fahren in diesem Vergleich mit. Der NSU Prinz stammt von 1971, seine Konstruktion aber ist ein Jahrzehnt älter. Nur der Mini steht hier für die Moderne: Er trug schon früh die richtigen Zukunfts-Gene unterm Blech. Aber seien wir nicht ungerecht. Simple Fahrwerktechnik war damals normal: vorn zwar schon Einzelradaufhängungen, hinten trampelten aber noch Starrachsen an Blattfedern herum. Ein Stabilisator führte schon zu Komfortgewinn. So gesehen waren die an Querlenkern einzeln aufgehängten Hinterräder von Saporoshez, Fiat und NSU eine große Errungenschaft. Die aber leider nichts am schrecklichen Kurvenverhalten änderte. Geht es mal etwas zu flott um die Ecken, dann klappt das kurvenäußere Rad x-beinig zusammen, das Heck rutscht ohne Warnung weg.

Klassiker mit Heckmotor: Die heißen Heckschleudern

Innocenti Mini 850
Damals die absolute Nummer eins, heute ist der Mini immer noch ein alltagstaugliches Schnäppchen für Dynamiker.
Bild: U. Sonntag
Es braucht Erfahrung, um damit klarzukommen, aber gerade diese Kleinwagen waren oft in der Hand von Anfängern – und häufig in hässliche Unfälle verwickelt. Verdrängen wir die Nachteile und freuen uns, dass unsere vier Test-Kandidaten die Jahrzehnte so gut überstanden haben. Den größten Fahrspaß bereitet – damals wie heute – der epochale Mini. Natürlich könnte die Sitzposition bequemer sein, das Lenkrad besser in der Hand liegen. Aber mit seinen 33 PS, dem straffen Fahrwerk und der direkten Lenkung fährt er heute noch in der Liga kleiner Straßenräuber ganz vorn mit. Auf Platz zwei steht der kleine Prinz. Er sammelt im Kuschel-Kapitel ordentlich Punkte, ist nicht lahm und wirkt insgesamt erwachsener als die Rivalen. Dem Fiat 600 fehlt diese schwäbische Ernsthaftigkeit, was ihn aber nicht weniger liebenswert macht. Im Gegenteil. Einen Ehrenplatz hat der Saporoshez verdient. Form und vor allem Technik machen den kleinen Russen zum interessanten Sammlerstück. Die seltene V4-Motorkonstruktion mit vom Fiat 600 kopierter Karosserie (der Nachfolger 968A nahm sich den Prinz zum Vorbild) zeigt heute noch, wie bemüht die Sowjetunion war, den von ihr verteufelten Kapitalismus und seine Errungenschaften einzuholen.

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Ist es nicht schön, das Rad der Automobil-Geschichte zurückzudrehen? Und mal hautnah zu spüren, wie sehr unsere Väter und Opas mit ihrem mühsam Ersparten den Luxus der neu erworbenen Mobilität genossen haben? Lächeln ist zu simpel. Die vier Kleinwagen sind Zeugen einer Zeit, in der die Entwickler noch nach der idealen Formel für Volks-Automobile suchten. BMC hatte das Patentrezept schon – weshalb der Mini ganz knapp vor dem NSU Prinz gewinnt.