Tierisch laut. Und saudreckig. Der schwarze Käfer schüttelt sich, startet brüllend, sprotzt und spuckt und bläst gewaltige Schwaden stinkenden Abgases in die Luft. Das ruppige Benehmen passt überhaupt nicht zum schmucken Brezel-Käfer. Von dem hätten wir das vertraute Prasseln des Boxers erwartet, nicht diesen Lärm. Ältere Herren in heller Freizeitkleidung eilen herbei. Eben noch sind sie mit Kennerblick vorbeispaziert, doch dann zusammengezuckt wie wir. Sie empfehlen ungefragt die nächste Werkstatt. Den Käfer kennen sie bestens, aber so etwas haben sie noch nie gehört. Können sie auch nicht, denn dieses Auto gibt es gar nicht. Das heißt abgesehen von diesem einen Exemplar: Dieser Käfer wird von einem Dieselmotor angetrieben, einem luftgekühlten Boxer natürlich.

In Serie ging der Diesel-Boxer nie – viel zu laut

Käfer mit Dieselmotor
Das Prinzip Boxer-Diesel ist selten in der Auto-Geschichte – aber wiederum auch nicht völlig neu. Krupp zum Beispiel baute in den 30er-Jahren luftgekühlte Vierzylinder-Diesel-Boxermotoren. Und 1952 entstanden bei Tatra Prototypen des Tatraplan (T 600) mit Vierzylinder-Diesel-Boxer. Der Motor hatte zwei Liter Hubraum, 42 PS und schaffte über 100 km/h - aber nie den Sprung in die Serie. Genauso wenig wie der Diesel-Käfer. Fährt man den Selbstzünder, wird schnell klar, warum: Das Gerät erzeugt infernalischen Lärm. Die Explosionen haben eine Lautstärke, die die Bundeswehr auf den Plan rufen müsste. Dazu kommen Vibrationen in der Stärke eines mittleren Erdbebens. Verglichen damit läuft ein Ackerschlepper jener Zeit weich wie ein Zwölfzylinder. Experimentiert hat VW mit Diesel-Boxern in den frühen 50ern. Grund waren die extrem günstigen Preise für Diesel-Kraftstoff. Es gab Versuche mit zwei und vier Zylindern, Unterlagen existieren jedoch nicht mehr.
Zum Start quellen fette Abgasschwaden aus dem Endrohr.
Nur noch dieses eine Auto gibt es, und das stammt aus dem Porsche-Museum. Denn die Entwicklung des Vierzylinder-Diesel-Boxers war ein Auftrag von VW an Porsche. Basis war dann auch das dreiteilige Gehäuse eines 1,3-Liter-Porsche-Boxers. 1952 leistete die letzte Ausführung des in Zuffenhausen konstruierten, nahezu serienreifen 1,3-Liters 25 PS bei 3100 Touren mit Potenzial von höchstens 3300/ min – VW-Chef Nordhoff winkte ab: zu lahm, zu laut, zu dreckig sowieso. Gleiches gilt für das Aggregat, das hier zu sehen ist, den Typ 508. Er entstand allerdings erst 1981. Anlass war das fünfzigjährige Porsche-Jubiläum. Das Triebwerk wurde unter Leitung von Robert Binder originalgetreu rekonstruiert – demselben Mann, der es schon 1950 bis 1952 gebaut hatte, um es danach in einen firmeneigenen Brezel-Käfer zu verpflanzen. Aufgeweckt aus dem Museums-Schlaf bewältigt das kostbare Einzelstück die Ausfahrt tapfer, aber gemächlich. Angeblich sollen früher 110 km/h drin gewesen sein. Glaubhafter klingen die 60 Sekunden, die für die Beschleunigung auf 60 km/h vermerkt sind. Vielleicht ganz gut, dass 1976 der erste Seriendiesel bei VW dann im Golf I kein Boxer mehr war.

Tragisches Ende

Rudolf Diesel wurde am 18. März 1858 als Sohn deutscher Eltern in Paris geboren. Schon während des Studiums an der Technischen Hochschule München beschäftigte er sich mit dem Wirkungsgrad von Dampfmaschinen – mit circa zehn Prozent denkbar schlecht. Rudolf Diesel wollte es besser machen und meldete 1892 ein Patent an. Titel: "Arbeitsverfahren und Ausführungsart für Verbrennungsmaschinen". 1897 entstand der erste voll funktionsfähige Diesel in der Maschinenfabrik Augsburg (später MAN), 18 PS stark, Wirkungsgrad: 26,2 Prozent. Damit begann eine Erfolgsgeschichte, 1923 fuhr der erste Lkw mit Diesel, 1936 der erste Pkw. Der Dieselmotor ist bis heute die Wärmekraftmaschine mit dem günstigsten Wirkungsgrad, über 50 Prozent sind möglich. Vom Triumph seines Motors hatte Diesel wenig. Am 29. 9. 1913 ging er in Antwerpen an Bord des Dampfers "Dresden" – und wurde nie wieder gesehen.