Endstation Schrottplatz
Im toten Winkel

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AUTO BILD Archiv-Artikel 06/1987: Es war einmal ein Opel Kadett C, Baujahr 1975. Jetzt landete er auf dem Schrott – ein Autoschicksal. Zur Beerdigung trafen sich die Angehörigen.
"Na", kam es spitz von Ingeborg Erler, "Sie haben ja auch nicht nachgedacht. Eigentlich hätten Sie doch einen Kranz mitbringen müssen. Mit Schleife, von der Friedhofsgärtnerei." AUTO BILD-Reporter als Bestatter eines schrottreifen Vehikels, Typ Opel Kadett Coupé, Baujahr 1975, Friedhofsadresse "Am Umspannwerk" in Norderstedt bei Hamburg, beim Autoverwerter Kiesow. "Nein, liebe Frau Erler, die Beerdigung eines Autos, das war doch nur der Arbeitstitel für unsere Reportage." Nicht für Ingeborg Erler. Sie lief immer wieder um das weiße Coupé herum. Es stand nicht mehr, es lag schon auf dem Schrottplatz: hilflos, atemlos, leblos – Frau Erler nickte: "Ja, eben tot."
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Die Räder rollen inzwischen schon an den Achsen eines anderen Kadetten. Irgendjemand hat sie abmontiert und für ein geringes Entgelt vom Schrotthändler erworben. "Weißt du noch", Frau Erler will, dass sich alle daran erinnern, obwohl nur ihr Mann Karl-Heinz dabei war, "weißt du noch", ruft sie noch etwas resoluter zu Karl-Heinz hinüber, "wie wir das gefeiert haben, unser erstes Auto, das wir bar bezahlen konnten. Ohne Pump, bar auf den Tisch des Hamburger Opel-Händlers." Man habe das damals, vor elf Jahren, ausgiebig gefeiert. Frau Erler möchte das beweisen. Ein kleines Schwarzweißfoto fingert sie dazu schnell aus ihrer Handtasche.
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Es zeigt einen Küchentisch mit geleerten Flaschen geistiger Getränke. Zusammen mit Freunden habe man eben das gebraucht, was die kleine 52-PS-Maschine des Kadetten auf hundert schluckte: neun Liter. Man muss klar erkennen: Die Erlers haben 'ne Menge Freunde. Karl-Heinz Erler, der 45-jährige Berufs-Kraftfahrer, interessiert sich mehr für den Zustand der Maschine als für die Vergangenheit: "Immer noch trocken, kein Ölverlust", stellt er zufrieden fest, so als sollten sich heute die Schranken des Schrottplatzgeländes für den kleinen Kadett noch einmal öffnen und die Erlers würden – wie damals – nach Rimini fahren.
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