"Nein, Gefühlsregungen habe ich nicht, wenn ich mein altes Auto auf dem Weg zur Schrottpresse begleite." Hans-Carl von dem Hagen, 60, sieht die Dinge nüchtern. Schließlich geht er jeden Tag mit Zahlen um. Er ist Abteilungsleiter für Statistik bei einer großen Versicherungsgesellschaft. Und ein Auto, das ist für ihn nur ein Transportmittel: "Es muss bequem und geräumig sein, und der Kundendienst muss zuverlässig sein." Mehr nicht. Es hat zu funktionieren. Keine persönliche Bindung, keine liebevolle Beziehung, kein heimliches Streicheln der glatten Lackierung. Basta. Feldherrenart.
Ein Auto ist nicht mehr als eine Kaffeemaschine, ein Wäschetrockner oder ein Toaster. So sei das auch mit seinem ehemaligen Fiat 131 und allen Autos davor und allen danach gewesen. Der Deutsche und das Auto aus Turin, der historischen Residenz des Prinzen Eugen – da soll sich nichts abspielen, was außerhalb von Zahlen, Statistiken und Technik Gewicht hat? Kaum zu glauben. Herr von dem Hagen bleibt dabei. Interessiert schaut er sich den Schrottplatz des Norderstedter Autoverwerters Kiesow an: "Sehr vernünftig, wie die ausrangierten Fahrzeuge verwertet werden."
Artig greift er noch mal in den Volant des gelben Fiat, begrüßt die anderen drei Besitzer, die nach ihm den Fiat fuhren und schmunzelt mit ihnen gemeinsam die Kamera des Fotografen an. Liegt es am Auto? Peter Kühn, 43-jähriger Schlosser, war Zweitbesitzer. Bei Kilometerstand 57.000 hatte Kühn den Fiat 1980 übernommen, dreijährig, für 4500 Mark: "Weil er praktisch war. Geräumig und bequem." Genutzt habe er ihn als Transportmittel: "Zur Arbeit und mal an die Ostsee." Ohne Gefühle, ohne sonderliche Beziehung. Es muss am Auto liegen. Aber ein Fiat, gegen den muss man doch nichts haben – im Gegenteil, da sind doch viele liebenswerte italienische Details, die den Charme dieses Wagens ausmachten.

Todesursache Rost

Träumer fanden sogar Stilelemente aus dem Hause Alfa in der Karosserie wieder. Das kann sicher am italienischen Rotwein gelegen haben. Trotzdem. Mit preußischer Nüchternheit fuhr ihn auch der dritte Besitzer, Jens Nebermann aus Hamburg: "Als Winterauto, damit ich mein Sommercabrio, einen Fiat Spider, schonen konnte." Der gelbe 131 kann einem doch fast leid tun. Nur noch Altöl hat der letzte Besitzer, Andreas Schmidt, 28, aus Hamburg, aufgefüllt, wenn der Ölpeilstab Nachschub forderte. Die Maschine murrte nicht.
143.661 Kilometer spulte sie klaglos über norddeutschen Asphalt, bis der TÜV keinen Segen mehr gab: Rostfraß. Exitus im Dezember 1986: An einem Sonnabend, dem sechsten. Achtzig Mark gab der Schrotthändler dafür noch. Der Aschenbecher quillt über – was will man da noch erwarten? So viel Lieblosigkeit einem Südländer gegenüber – hat er das verdient? Als der Kran den Fiat zur Schrottpresse hinüberschwenkt, schaue ich Hans-Carl von dem Hagen in die Augen. Sie sind feucht. Unsinn, das ist nur der kalte Ostwind. Tags darauf, am Telefon, gesteht der ältere Herr: "Ich hatte ihn immer Prinz Eugen genannt."