Was mussten wir 1995 im Gestern kramen. Mit Wehmut erinnerten wir uns an eine ferne Zeit, in der Fiat die Kunst der leichten, offenen Spaß-Autos beherrschte. 850 Spider und 124 Spider hießen sie, doch Mitte der 90er-Jahre waren sie schon längst Geschichte. Unsere Lust auf Luft war geblieben. Und Fiat servierte das Punto Cabrio. Das bot Luft, keine Lust. Wir wagten kaum zu hoffen, dass die Turiner noch Einsicht haben könnten. Bis im April 1995 die Einladung des Fiat-Händlers im Briefkasten lag. "Der Barchetta ist ein Liebhaberstück, das dem Mythos der großen Fiat-Spider-Tradition neues Leben einhaucht", stand da. Nichts wie hin.

Fiat hat eine lange Spider-Tradition

Fiat 850 Spider
Und was da zwischen Tipo und Tempra stand, wärmte tatsächlich unser Herz: ein Zweisitzer zum Schwärmen. Sanft wölbten sich die Kotflügel zu einer romantischen Silhouette, die eine scharfe Falte an den Flanken parierte. Barchetta-Designer Andreas Zapatinas hatte sich in der reichen italienischen Auto-Ahnengalerie umgesehen. Und fündig geworden war er beim legendären Ferrari 166 Mille Miglia. Das war der Ur-Barchetta, eine Ikone, gebaut 1948 von der Carrozzeria Touring. Mit "kleinem Boot" lässt sich Barchetta wörtlich übersetzen. Als Auto heißt das: Spaß und Sport zugleich. Beides übernahm Zapatinas, der später bei BMW den Z8 entwarf, als Motiv und goss für Fiat die Leidenschaft in eine neue Form.

Der Barchetta zitiert Ferrari-Vorbilder

Fiat Barchetta
Die Details verraten es: Da sammeln sich moderne DE-Scheinwerfer unter aerodynamischen Plexiglas-Abdeckungen, wie wir sie von Ferrari-Modellen und dem Alfa Spider kennen. Im Cockpit zeugen Rundinstrumente mit schneeweißen Skalen vom Stil der Zeit. Die filigranen, versenkten Türgriffe mögen zwar unpraktisch sein, sind aber leicht und grazil. Und das dünne, ungefütterte Verdeck verschwindet elegant unter einem Deckel. Raffiniert. Und feiner als der Mazda MX-5, der 1995 noch ohne Rivalen war. Wie Mazda griff auch Fiat zu bewährter Großserientechnik. Die Plattform B, die auch für den Punto die Basis bot, kam beim Barchetta im Radstand verkürzt und in der Spur verbreitert zum Einsatz. Die Sitze rutschten um zehn Zentimeter nach hinten. So stimmten die Proportionen für einen Zweisitzer.

Dauer-Stress mit Motor

Auch den Motor hatten die Fiat-Ingenieure nicht einfach aus dem Regal gezogen. Sie nutzten den Baukasten und entwickelten einen 1,8-Liter-Vierzylinder mit vier Ventilen und variabler Einlassnockenwelle. Die versprach bereits ab 2000 Umdrehungen 90 Prozent des maximalen Drehmoments. Ärgerlich nur, dass der Phasenwandler, der diese Aktion steuerte, so gern kaputt ging. Das ahnten wir 1995 noch nicht. Wir waren glücklich, dass uns Fiat wieder Dolce Vita zum Volkstarif versprach. "Alle ach so vernünftigen Einwände wird der Wind verwehen", lasen wir im Prospekt. Das gilt heute noch – es lohnt sich, im Gestern zu kramen.
Technische Daten Fiat Barchetta: Vierzylinder-Reihenmotor • vorn quer • zwei oben liegende Nockenwellen • Antrieb durch Zahnriemen • vier Ventile pro Zylinder • elektrische Einspritzanlage (Hitachi) • Hubraum 1747 cm3 • 131 PS bei 6300/min • max. Drehm. 164 Nm bei 4300/min • Fünfganggetriebe • Vorderradantrieb • Scheibenbremsen vorn und hinten • Länge/Breite/Höhe 3916/1640/1265 mm • Radstand 2275 mm • Leergewicht ab 1060 kg • Spitze 200 km/h • Beschleunigung 0–100 km/h in 8,9 s • Verbrauch 7,9 Liter Super/100 km • Neupreis 36.800 D-Mark (1995).