In den 60er Jahren erzielte man Leistung für die Oberklasse und bei Sportwagen durch große Hubräume. In den 70ern kamen dicke V8 sogar in der Mitte der Gesellschaft an, zumindest in den USA. Exemplarisch baten wir vier Hubraumriesen aus drei Ländern zum Vergleich: Mercedes 450 SEL 6.9, Cadillac Fleetwood 60 Special, Iso Grifo 7 Litri und Pontiac Catalina. Jeder der vier Hubraumriesen bringt etwas anderes mit, das ihn besonders macht. Der Cadillac versteht sich als Luxusgegenstand. Der Iso liefert viel Leistung in grandioser Form. Der Pontiac bietet massenhaft Raum zum Leben. Der ernste 450 SEL 6.9 schließlich lebt für seinen und mit seinem Motor.

Cadillac Fleetwood 60 Special: Mit Stil und Klasse

Mercedes-Benz 450 SEL 6.9
Cadillac Fleetwood 60 Special: Verkörperung von ultimativem Luxus und Fortschritt.
Groß und gleißend hell wie ein Eisberg steht der weiße Fleetwood da. Im langen Bug arbeitet ein samtiger, flüsterleiser V8. Mit 429 Cubic Inch Hubraum misst er, umgerechnet etwas über sieben Liter. Die Hauptaufgabe des Cadillac-V8: immer genug Leistung liefern, aber nie zu viel. Mit seinen rund 265 DIN-PS fliegt der Ami fliegt damit in zehn Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Passagiere, die mit übereinandergeschlagenen Beinen im Fond sitzen, hören gar nichts. Der Cadillac verwöhnt mit gediegenem Komfort, Fleetwood-spezifischen Edelstoffen und einer Reihe von smarten Technik-Features. Das mit einer Fotozelle arbeitende "Sentinel Light" blendet automatisch das Licht auf und ab, der "Speed Reminder" verhärtet kurz das Gaspedal, wenn die per "Cruise Control" gewählte Geschwindigkeit erreicht ist. Natürlich öffnet der Kofferraumdeckel auf Knopfdruck. Fenster, selbst die kleinen Dreiecksfenster, und Sitzbank funktionieren elektrisch. Und über die groben Lästigkeiten des Alltags legt das flauschig weiche Fahrwerk ein Federungs-Bett aus Watte.

Iso Grifo 7 Litri: Jede Menge Muskeln

Ein Ami schlägt der Daimler
Iso Grifo 7 Litri: Giorgetto Giugiaro schuf die kraftvolle Form für Bertone.
Weder das grandiose Styling noch das Fahrverhalten des Iso Grifo waren 1969 noch auf der Höhe der Zeit. Und der zornige V8 macht aus dem feinen Gran Turismo keinen Supersportwagen. Doch der hoch verdichtete Siebenliter ist das, was Chevy-Fans vor Augen haben, wenn sie Big Block sagen. 1966 erschien der 427-ci-V8 erstmals in der Corvette. Mit speziellen Krümmern und eigener Ölwanne passte er drei Jahre später dann irgendwie in den Iso Grifo. Keine Frage, mit dem Siebenliter wird es eng im Iso. Für Luftfilter und Kühler reichte der Platz nicht mehr unter der Motorhaube, was der Grund für die dramatische Belüftungshutze ist, Penthouse genannt. Dabei scheint die rohe Kraft des Triebwerks dem 7 Litri aus allen Poren zu quellen. Die geduckte Linie mit breiten Schultern, angedeutetem Überrollbügel und bösem Blick aus Doppelscheinwerfern ist ganz großes 60er-Jahre-Bertone-Kino.

Pontiac Catalina Safari: Größe zählt

Ein Ami schlägt der Daimler
Pontiac Cataline Safari: 2,3 Tonnen Glas, Stahl, Chrom und Plastik, rund 200 PS aus fetten 7,5 Liter Hubraum.
Bei uns sah Mittelklasse Mitte der 70er- Jahre aus wie ein Rekord D - in den USA wie ein Pontiac Catalina Safari. 2,3 Tonnen Glas, Stahl, Chrom und Plastik und rund 200 PS aus fetten 7,5 Litern Hubraum. Schon die schiere Größe erschlägt Betrachter mit europäischen Sehgewohnheiten. Dann kommt der extrafette Auftritt: Schlüssel ins Schloss neben der Heckklappe stecken, drehen und die Heckscheibe surrt nach oben ins Dach, gleichzeitig rattert die Klappe in den Wagenboden. "Glide-away-Tailgate" nannte GM die Konstruktion, die auf wenig Raum das Beladen erleichtern sollte. Ein Schildchen am aus extra günstigem Hartplastik gemachten Armaturenbrett verweist auf "Radial-Tuned-Suspension". Soll heißen, dass Radialreifen und Stabis serienmäßig an Bord sind. Ganz von selbst pendelt sich das Wohlfühltempo bei highwaykonformen 65 mph, also 110 km/h, ein. Geradeaus rollen und Langstrecken in quietschweichen Polstern und soften Dämpfern versacken lassen – das kann der Pontiac.

Mercedes 450 SEL 6.9: Mehr geht kaum

Ein Ami schlägt der Daimler
Mercedes 450 SEL 6.9: Solidität und Sicherheit trägt die S-Klasse offensiv zur Schau.
Mit dem Anspruch, das beste Auto seiner Zeit gewesen zu sein, trat der "Sechsneuner" zu diesem Vergleich an. Genau 6834 cm3 misst der Hubraum der letzten Ausbaustufe des M-100-Triebwerks. Im vollgestopften Motorraum ragen nur Luftfilter und Zylinderbänke des V8 im Gewirr an Leitungen, Schläuchen, Wellen, Behältern und Nebenaggregaten an die Oberfläche. Ein Wunder, dass die Haube tatsächlich wieder zugeht. Ist die Tür ins Schloss gefallen, bleiben Welt und Motor außen vor. Still und wuchtig legt der Achtzylinder sich ins Zeug, hebt beim strammen Beschleunigen kurz blubbernd die Stimme. Nur dem großen Mercedes gelingt es, unverkrampft hohe Drehzahlen zu liefern – im Zusammenspiel mit dem samtigen, gut berechenbaren Hydropneumatik-Fahrwerk empfiehlt sich der 6.9 so auch als Fahrerauto. In der Mittelkonsole sitzen Außentemperaturanzeige und Amperemeter, orange Schalter straffen und lockern Gurte. Der Stoff der Sitze stammt aus dem W 108, hinten arbeitete mal ein Prototyp der elektrisch verstellbaren Sitzbank. Viel hilft viel: Dieses Motto gilt beim Mercedes nicht nur beim Hubraum.

Bildergalerie

Vergleichstest: 7 Liter Hubraum
Mercedes 450 SEL 6.9 bei Ebay
Mercedes 450 SEL 6.9 bei Ebay
Kamera
Vergleich: Klassiker mit sieben Litern Hubraum
Ein Cadillac schlägt einen Mercedes - dass wir das noch erleben dürfen! Und es liegt nicht einmal am (kleinen) Hubraum-Plus, dass sich der Fleetwood 60 Special in der Endabrechnung ein paar Punkte vor den "Sechsneuner" schieben kann. Der große Ami übertrumpft den imposanten Schwaben ausgerechnet auf dessen angestammten Kompetenzfeldern: bei Qualität, Komfort und Technik.