Legendäre Reihensechszylinder: Mercedes 300 SL
Mercedes 300 SL - der Innovative

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Unsterblich wird der Reihensechszylinder bereits Mitte der 50er, als er die Designer zur wohl legendärsten Notlösung – den Flügeltüren – zwingt.
Bild: Christian Bittmann

Alle beweglichen Teile der Karosserie bestehen aus Aluminium. Ausnahmen: 28 Vollalu-SL und ein Prototyp mit GFK-Aufbau.
Federleicht flügeln die in Amerika als "gullwings" (Möwenschwingen) bezeichneten Portale auf, nun heißt es Lenkrad wegknicken und Glieder einfädeln. Ein Zugschalter aktiviert die Benzinpumpe, der Taster nebenan schießt Luft dazu, dann stupst der Anlasser den Motor in einen ruhigen Ruhepuls. Keine Rhythmusstörungen, kein Wiederbeleben. Drinnen dünstet nach und nach der Schweiß der Mechanik aus, zieht zusammen mit gewittrigen Klängen übers malerische Armaturenbrett, ehe sich der höckerige Haubenhorizont Richtung Messstrecke schiebt.
Sind die 15 Liter Öl temperiert, darf die Maschine aus dem Keller fulminant hochröhren, kurz nach sechs jäh in sich zusammensacken und wieder loslegen, sobald der nächste Gang reingestochert ist. Geraden verschlingt der SL, Kurven wollen niedergerungen werden. Obwohl die bissschwachen Trommeln hier den Scheiben des späteren Roadsters gewichen sind, stemmt man die Bremswirkung regelrecht aus dem Pedal. Erst wehrt er sich ein bisschen, wird im Hintern leicht, dann zieht er sich am Lenkrad, das man wie eine Zeitung in den Händen hält, ins Eck. Willig, exakt, aber stets begleitet vom mulmigen Gefühl rund um die Pendelachse, der man ihre Tücke nicht zu Unrecht nachsagt.
Fazit
In der Papierform fährt der Flügeltürer etwas hinterher. Aus der Fahrerperspektive jedoch, wenn man den Direkteinspritzer zornig am Gasfuß hängen spürt und Gang für Gang durchs Drehzahlband fräst, fühlt man sich auf einmal ganz, ganz vorn. Wirklich gebändigt bekommt den SL nicht mal die nachgerüstete Scheibenbremse, deren Werte ahnen lassen, wie abenteuerlich die Trommelanlage sein muss.
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