Mercedes 300 SL
Alle beweglichen Teile der Karosserie bestehen aus Aluminium. Ausnahmen: 28 Vollalu-SL und ein Prototyp mit GFK-Aufbau.
Unsterblich wird der Reihensechszylinder bereits Mitte der 50er, als er jene Sportwagen-Ikone befeuert, deren 82 Kilo leichter Rohrrahmen die Designer zur wohl legendärsten aller Notlösungen – den Flügeltüren – zwingt.Der Dreiliter mit leicht langhubiger Auslegung stammt zwar in seinen Grundzügen aus der 300er-Limousine, fällt im SL jedoch völlig aus dem Kontext seiner Zeit. Faszinierend für damalige Verhältnisse ist neben der Trockensumpfschmierung und der Benzindirekteinspritzung, die nicht vor Ende der 1990er-Jahre in Großserie gehen wird, vor allem die Leistung, deren Tragweite sich erst erschließt, wenn man bedenkt, dass die allermeisten Mitte der 50er noch mit maximal 25 PS unterwegs waren. 215 PS weist der SL mit optionaler Sportnockenwelle offiziell aus. Durch die Frischzellenkur von HK Engineering dürfte in unserem Testwagen jedoch das eine oder andere Extra Pferdchen galoppieren.
Federleicht flügeln die in Amerika als "gullwings" (Möwenschwingen) bezeichneten Portale auf, nun heißt es Lenkrad wegknicken und Glieder einfädeln. Ein Zugschalter aktiviert die Benzinpumpe, der Taster nebenan schießt Luft dazu, dann stupst der Anlasser den Motor in einen ruhigen Ruhepuls. Keine Rhythmusstörungen, kein Wiederbeleben. Drinnen dünstet nach und nach der Schweiß der Mechanik aus, zieht zusammen mit gewittrigen Klängen übers malerische Armaturenbrett, ehe sich der höckerige Haubenhorizont Richtung Messstrecke schiebt.
Sind die 15 Liter Öl temperiert, darf die Maschine aus dem Keller fulminant hochröhren, kurz nach sechs jäh in sich zusammensacken und wieder loslegen, sobald der nächste Gang reingestochert ist. Geraden verschlingt der SL, Kurven wollen niedergerungen werden. Obwohl die bissschwachen Trommeln hier den Scheiben des späteren Roadsters gewichen sind, stemmt man die Bremswirkung regelrecht aus dem Pedal. Erst wehrt er sich ein bisschen, wird im Hintern leicht, dann zieht er sich am Lenkrad, das man wie eine Zeitung in den Händen hält, ins Eck. Willig, exakt, aber stets begleitet vom mulmigen Gefühl rund um die Pendelachse, der man ihre Tücke nicht zu Unrecht nachsagt.

Fazit

von

Stefan Helmreich
In der Papierform fährt der Flügeltürer etwas hinterher. Aus der Fahrerperspektive jedoch, wenn man den Direkteinspritzer zornig am Gasfuß hängen spürt und Gang für Gang durchs Drehzahlband fräst, fühlt man sich auf einmal ganz, ganz vorn. Wirklich gebändigt bekommt den SL nicht mal die nachgerüstete Scheibenbremse, deren Werte ahnen lassen, wie abenteuerlich die Trommelanlage sein muss.

Von

Stefan Helmreich