Pro & Kontra: Klassiker, Originalität, moderne Technik im Oldtimer
Darf man Oldies modernisieren?
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Mit einem modernem Fahrwerk fährt der AUTO BILD KLASSIK-Dauertestwagen BMW 3.0 Si ruhiger und souveräner. Soll das Fahrwerk eingebaut bleiben oder nicht?
Bild: Sven Krieger
In der AUTO BILD KLASSIK-Redaktion sträubte sich so manches Nackenhaar, als wir darüber diskutierten, im Dauertestwagen das Serienfahrwerk mit einem Sportfahrwerk zu vergleichen. Kurze Federn und straffe Dämpfer haben in einer großen Limousine nichts zu suchen, fanden die einen. In einem Oldtimer schon gar nicht, fanden die anderen. Auf das Ergebnis waren aber die meisten gespannt – und da klar war, dass wir das Sportfahrwerk nach dem Experiment wieder rausschmeißen würden, waren auch die Originalitäts-Fanatiker beruhigt. Also machen! Dann die Überraschung: Der BMW 3.0 Si fährt sich mit dem neuen Fahrwerk nicht nervöser, sondern ruhiger, souveräner, moderner als mit dem normalen. Sollten wir es vielleicht doch eingebaut lassen? Jetzt entbrennt die Diskussion, ob es überhaupt wünschenswert ist, dass sich ein 40 Jahre alter Oldie anfühlt wie ein 15 Jahre junges Auto.
"Auch mit Sportfahrwerk bleibt der BMW Kulturgut"
Ja, bitte: Frank B. Meyer meint: Das muss erlaubt sein.
Bild: Kersten Weichbrodt
Kein Thema verfolgt uns so hartnäckig wie dieses: Wie original muss ein Oldtimer sein? Darf man, sollte man ihn mit modernen Mitteln technisch verbessern? Diese Fragen beschäftigen uns erstens, weil es um Kulturgut geht. Wer da mitredet, neigt zu Grundsatzdiskussionen, auch wenn es klüger wäre abzuwägen. Zweitens, weil es um Zulassung geht: Wie ein Auto beschaffen sein muss, um ein H-Kennzeichen zu bekommen, klärt der offizielle "Anforderungskatalog" nicht in jedem Detail, und die Prüfer schaffen teilweise noch ihre eigene Realität, indem sie nicht mal diesen Katalog beachten. Drittens geht es um praktische Fragen: Wäre es nicht bescheuert, moderne Rostschutzmittel abzulehnen, wenn es das historische Blech doch schützt? Und viertens geht’s auch um Ästhetik – da lehnt man ein Windschott am 70er-Jahre-Cabrio entschiedener ab als eine versteckt eingebaute Sitzheizung. Den Fall unseres BMW E3 finde ich eindeutig: So ein Sportfahrwerk nachzurüsten, muss erlaubt sein. Nicht weil es das Fahrverhalten verbessert, sondern weil Kunden und Tuner das in den 70ern auch taten. Ob man eine tiefergelegte Luxuslimousine mag – nur Geschmackssache. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, aber das Ergebnis finde ich gut.
"Verbesserungen verwässern den Charakter des Autos"
Nein, danke: Michael Struve liebt die Unvollkommenheit alter Autos.
Bild: Kersten Weichbrodt
An Oldtimern mag ich nicht zuletzt die Unvollkommenheit. Das Fehlen von technischer Perfektion, die an modernen Fahrzeugen langweilt, macht einen großen Teil ihrer Faszination aus. Deshalb bin ich gegen das neue Fahrwerk. Mag sein, dass es früher ähnliche Fahrwerke gab und sich der Dauertest BMW jetzt sportlicher bewegen lässt. Aber wozu? Fürs Cruisen genügte das komfortable Original-Fahrwerk. Und dass es einen bei flotter Fahrweise mehr fordert, hat doch auch seinen Reiz. Natürlich ist das H&R-Fahrwerk eine bemerkenswerte Ingenieurleistung. Aber mit ihm ist der BMW nicht mehr das gleiche Stück Zeitgeschichte. Er erzählt uns nicht mehr, dass die Münchner Entwickler sein aus heutiger Sicht zu weiches Fahrwerk damals als den besten Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort ansahen. Was außerdem fürs Original spricht: Neuerdings setzt der BMW in der Tiefgarage auf, und er gleitet nicht mehr so geschmeidig über Hamburgs schlechte Straßen. Also bitte keine Verbesserungen. Sonst könnten wir ja gleich noch einen neuen Motor – am besten mit Kat – und eine moderne Soundanlage einbauen. Das würde den BMW bestimmt besser machen. Aber auch seinen Charakter verwässern.
So sehen die beiden Redakteure die Modernisierung von Oldies. Wie sehen Sie das?