"Wir brauchen Häuser dringender als Schrauberidylle"

Martin Puthz
Ja, bitte: Frank B. Meyer hält Wohnungen für wichtiger als Hinterhofgaragen.
Immer das Gleiche! Die Leute halten sich für wahnsinnig fortschrittlich, aber sobald sich bei ihnen selbst etwas ändern soll, heben sie die Hände: nicht vor meiner Haustür! Energiewende? Klar, aber baut bloß kein Windrad auf meinen Acker. Mehr Kitaplätze? Auf jeden Fall, nur keinen neuen Kindergarten gegenüber. Günstige Mieten? Unbedingt, aber meine Schrauberhalle muss bleiben. Leute, so funktioniert das nicht. Ich musste schon mehrfach Autos umquartieren und war darüber nicht glücklich. Aber wenn wir in einer solidarischen Gesellschaft leben möchten, gehört dazu, auch mal selbst nachzugeben – wenn es denn dem Gemeinwohl dient. Eines der Hauptprobleme in unseren Städten ist, dass das Angebot für alle knapp wird: für Wohnungsmieter, für Käufer, für Gewerbetreibende. Sie an den Stadtrand zu verdammen, löst keine Probleme, treibt auch dort die Preise hoch und fördert Zersiedelung. Das geringste Übel ist, Städte mit Augenmaß zu verdichten. Ein alter Hof mit Platz für 20 Oldies kann charmant sein – aber mit welcher Rechtfertigung sollte man sich wehren, auf dieser Fläche zwölf Wohnungen zu bauen? Wir müssen ja nicht gleich alles aufgeben. Immer mehr neue Wohnungen werden ohne Garagen gebaut, in Nordrhein­ Westfalen fällt Ende 2018 die landesweite "Pflicht zur Herstellung von Stellplätzen". Lasst uns für neue Garagen kämpfen und nicht gegen neuen Wohnraum.

"Wer öde Wohn-Ghettos baut, erzieht normierte Menschen"

Frederik E. Scherer
Nein, danke: Henning Hinze mag die bunte Stadt.
Die lebendige Oldieszene der Gegenwart hat ihre Wurzeln in den gesellschaftlichen und baulichen Freiräumen der Vergangenheit. Heute ist das ja kaum noch vorstellbar, aber bis vor 15 Jahren gab es fast überall noch räudige Garagenhöfe, alte Handwerker­-Baracken und kleine Hallen. Da wurde geparkt und geschraubt, Musik gehört und Bier getrunken. Das war lebendig, cool und zwanglos. Einen Immobilienboom später sind diese Freiräume fast durchweg verstopft mit vielstöckigen Investorenträumen in Weiß, in die Apartments oder Büros gequetscht sind, was auch immer sich gerade mehr rechnet. Da wohnen und arbeiten ganz viele Leute, und es ist bocklangweilig! Es gibt dazu ein politisches Schlagwort, das heißt Verdichtung. Und, Leute: Wir verdichten uns zu Tode! Ich will da gar nicht mit uns Oldieschraubern langweilen. Das Problem ist viel größer. Das Optimierte und Normierte verdrängt das Bunte und Lustige und Ölige. Wir züchten uns normierte Generationen! Machen wir uns nichts vor:  Wir, die wir schon von einem Hobby begeistert sind, und sei es vom Erhalt automobilen Kulturguts, werden eine Lösung für uns finden. Aber wir nehmen allen, die nach uns kommen, die Möglichkeit, da reinzustolpern, falls sie nicht gerade ganz weit draußen wohnen. Wir müssen endlich den Wert unserer Frei­-Räume achten – und nicht mehr Investoren Abrissgenehmigungen schenken. Soweit die Meinung der beiden AUTO BILD KLASSIK-Kollegen. Was meinen Sie? Stimmen Sie oben ab!

Von

Henning Hinze