Kann sein, dass es Bertha ist, die in Mannheim die Fäden in den Händen hält. Die ihrem Mann klipp und klar sagt: Carl, versuch’s doch einfach mal mit einem kleinen, praktischen Wagen. Denn so recht will es noch nicht klappen mit seinen Patent-Motorwagen, damals um 1890. Die Firma Benz & Cie. verdient mit dem Bau von Stationärmotoren immerhin ordentlich Geld. Nur bleibt wenig Zeit um Herumspinnen – dabei stürzt sich Carl Benz so gern in sein Lieblingsthema. Tüftelt, forscht, probiert aus, verbessert. Er baut weiter an seinen Motorwagen, hinter verschlossenen Türen allerdings. Denn die Geldgeber seiner Firma finden diese Marotte ihres Technikus nicht prickelnd: Was soll das alles? Diese Mühen. Nur, damit Wagen ohne Pferde laufen. Ach, Herr Benz.

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Benz Velociped
Doch der spürt den Aufbruch. Alles ist in Bewegung. 1889 reisen 28 Millionen Besucher zur Weltausstellung nach Paris. Dort findet auch die erste aller Automobil-Ausstellungen statt. In den USA kommen Forscher bereits Geheimnissen der Aerodynamik auf die Spur, und Behörden verarbeiten Daten mit Lochkarten. Moderne Zeiten. Auch für Carl Benz in Mannheim, der am 1. April 1894 seinen neuen Motorwagen vorstellt. Ein "Ersatz für Pferde" sei das Modell Velo, das er so nennt, weil dessen Stahlspeichen an Velocipeds, Fahrräder, erinnern. Benz wäre nicht Benz, hätte er die vielen kleinen Eitelkeiten seiner Kunden vergessen. So bietet er von Haus aus eine Menge Zubehör an, Laternen zum Beispiel oder ein "Halbverdeck mit Spritzleder". Das treibt den Preis des Wagens, der schon in Basisversion viel Geld kostet: 2000 Mark. 20 km/h schnell ist das nur 280 Kilogramm schwere Velo. Da müssen Pferdefuhrwerke sich schon beeilen, um dranzubleiben.

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Aber Motorwagen sind ja noch extrem selten. Kutschen nicht, rund 10.000 fahren allein durch Berlin. Romantisch? Kaum, Gestank und Dreck sind schier unvorstellbar. Neugierig schauen die Berliner den wenigen Autos hinterher: "Teufel auf Socken", rufen sie, seitdem diese flüsterleise auf Luftreifen rollen. 111 Verkehrstote beklagt allein Berlin im Jahr 1894. Autos sind an diesen Unfällen nicht beteiligt, obwohl sie Tempo machen. Am 29. April 1899 treibt der verwegene Rennfahrer Camille Jenatzy, der "Rote Teufel", seinen Elektrowagen auf über 100 km/h – schneller war mit einem Auto noch niemand. Da bleibt das Velo weit zurück, trotz Leistungsexplosion. Von 1,5 PS steigert Benz die Motorkraft 1896 auf 2,75 PS, 1899 gar auf gewaltige 4,5 PS. Die Kunden überzeugt das. Rund 1200 greifen zu. Aber zu was? Ein Automobil ist es noch nicht – zumindest nicht überall. 1899 schreibt die "New York Times": Das halb griechische, halb lateinische Wort sei schrecklich. Seinen Weg geht es trotzdem, das Automobil. Bis heute. Rückblick: Elektroautos gab's schon vor über 100 Jahren