Es gibt Autos, denen man vom ersten Tag an ansieht, dass sie niemals altern. Dass sie keine Falten bekommen und Zeit ihres Lebens eine gute Figur machen werden (vorausgesetzt, ihr Besitzer macht auch eine). Viersitzige Cabrios besitzen gern das Gen der ewigen Jugend, das zum Beispiel auch die offenen Peugeot sich einander bis in die 80er-Jahre vorbildlich vererbt haben. So ein ewig Junger war auch das Cabrio, das Audi im Frühjahr 1991 auf dem Genfer Salon enthüllte. Was für eine Linie! Ein makellos gerader Strich vom vorderen Blinker bis zum Heckdeckel, der damals noch nicht im Windkanal aufgeblasen war.

Das bildschöne Cabrio bescherte Audi einen Image-Schub

Audi Cabrio
Keine Kopfstütze, kein Überrollbügel, der Verdeckdeckel so flach wie ein Waschbrettbauch. Da hatten Ingolstadts Karosserieschneider die Blechschere mit solcher Eleganz an gesetzt, dass man Audi, das Coupé darunter (Technikspender war der Typ 89), und die vier Ringe plötzlich mit anderen Augen sah. Damals begann Audi, cool zu werden. Vermutlich hat das erste Audi Cabrio mehr fürs Image der Marke getan als manch spätere Marketing-Verrenkung. Dieses parkettsichere Auto konnte sich gleich berechtigt neben einem 3er-Cabrio sehen lassen, dem anerkannten Schönheitsideal seiner Zeit. Daran hat sich bis heute wenig geändert – vorausgesetzt, der Besitzer bewahrt die zeitlos-klare Linie vor dummen Modesünden vom Schlage zu breit/zu tief/zu böse. Das breite, häufig peinliche Zubehör-Angebot für den Audi 80 führte zu manchem miesen Tuning, zumal das vergleichsweise schmale Motoren-Programm (90 bis 174 PS) wenig Raum zur Individualisierung bot: Über mehr als zehn Jahre baute Audi das Cabrio fast ohne Veränderungen, eine Ewigkeit für ein Auto.

Beste Wahl: der Fünfzylinder

Und ein Auto für die Ewigkeit, weil Audi Anfang der 90er sich stetig den Ruf solider Langlebigkeit erwarb (das Cabrio ist voll verzinkt). Nur im Detail haperte es noch mit der Anmutung. Eckige Lüftungsdüsen, speckiges Plastik oder der rundum laufende Badewannenrand, hinter dem man im Innenraum versinkt – das macht die Nobelmarke heute besser. Vorbildlich war schon damals die Steifigkeit. Zitternde Dachsäulen oder knisternde Verdeckrahmen sind vom Cabrio auch auf schlechten Pisten nicht zu hören – dank zahlreicher zusätzlicher Blechverstrebungen, die das Gewicht bis über adipöse 1400 Kilo nach oben treiben und Temperament kosten. So war mit den beliebten Vierzylinder-Benzinern kaum mehr als erwachsenes Reisen möglich, aber zum Möchtegern-Sportler taugte der Audi ohnehin nie mit seinem kopflastigen Frontantrieb und der beim Gasgeben zappelnden Lenkung. Nein, souveränes Gleiten und stilles Genießen sind die gefragten Umgangsformen, und die fördert am besten der Fünfzylinder-Benziner mit seinem typischen Klang, dem eingefleischte Audi-Freunde bis heute hinterherweinen. Ein "unkaputtbarer" Motor, der passt zu diesem Cabrio für die Ewigkeit.
Technische Daten Audi Cabriolet 2,3: Fünfzylinder-Reihenmotor • eine oben liegende Nockenwelle • Hubraum 2309 ccm • 98 kW (133 PS) bei 5500/min • max. Drehmoment 186 Nm bei 4000/min • Fünfganggetriebe • Vorderradantrieb • Scheibenbremsen rundum, vorn innenbelüftet • Reifen 205/60 VR 15 • Länge/Breite/Höhe 4366/1716/1379 mm • Radstand 2556 mm • McPherson-Federbeinachse vorn, Torsionskurbelachse hinten • Leergewicht 1370 kg • Beschleunigung 0–100 km/h in 10,8 s • Spitze 198 km/h • Verbrauch 12,3 l Normal/100 km • Neupreis (1991) 53.450 D-Mark.

Von

Joachim Staat