Anders als der Audi 100 der ersten Generation gerät sein Nachfolger langsam in Vergessenheit. Zu Unrecht! Hier die Bilanz des Dauertest des Audi 100 Avant. Das Ergebnis: viele Tugenden, kaum Schwächen.
Bild: S. Krieger
Über ein Jahr bewegte der Audi 100 Avant C2 die Redaktion AUTO BILD KLASSIK als Dauertester. Wir haben über alles geschrieben, nur den Vergleich zu seinen Zeitgenossen zogen wir noch nicht. Er ist der einzige Deutsche in unserem Aufgebot, und das scheint sein herausragendes Merkmal zu sein: Er wirkt so unverspielt, so sachlich, so nüchtern, so gut – und, ähäämm, so langweilig. Bei ihm ist sogar das modisch Verwegene, nämlich sein blaumelierter Zackenraschel-Velours (so heißt der Plüsch im Innern) korrekt und wohlerzogen, ein typischer Ausbund Piëch’scher Frivolität eben, denn Ferdinand der Große war der Vater des Wagens, damals als Entwicklungschef bei Audi.
Sicher untersteuernd, aber auch behäbig und langweilig in der Kurve: Diesem Audi fehlt es an Temperament.
Bild: S. Krieger
Der 100, Baureihe C2, leistet sich nach Konzern-Manier kaum Schwächen, wenn wir vielleicht vom hochnotspießigen Image absehen. Der Fünfzylinder klingt kernig, hat einigermaßen Biss, auch wenn die Automatik wie ein Marshmallow zwischen den Vorgängen im Brennraum und der Straße schlabbert. Die Lenkung fühlt sich direkt und präzise an, trotz erheblicher Haltekräfte und der Einflüsse des Vorderradantriebs, die bis ins Lenkrad vordringen. Die Fahreigenschaften geben jederzeit Vertrauen, der Audi ist ein notorischer Untersteuerer, das ist im Zweifel ja sicherer, wenn auch unlustig. Als größte Stärke des Audi haben wir aber Platzangebot und Variabilität notiert. Der Witz der Schräghecks ist ja, einen großen, vielseitig nutzbaren Laderaum zu schaffen, ohne auf die Gemütlichkeit einer klassischen Limousine zu verzichten. Das haben die Audi-Ingenieure prima umgesetzt.
Klassische, klare Formen: Der Ingolstädter Chic des Audi 100 Avant 5E ist Anwärter auf den Nüchternheitspokal.
Bild: S. Krieger
Obgleich der Avant im Vergleich zum Stufenheck erstens 600 Mark mehr kostete, zweitens zehn Zentimeter kürzer war, drittens einen um 108 Liter kleineren, klassischen Kofferraum besaß, konnte er (und das war das Novum) durch Umklappen der Rücksitze und Nutzung des Fahrzeug-Innenraums bei Bedarf 716 Liter Stauraum präsentieren. Das Ingolstädter Marketing ortete damals nämlich einen Trend zu mehr Freizeit, und das dazu notwendige Sperrgut sollte ja irgendwie transportiert werden können. Allerdings sahen das die Kunden nicht unbedingt so. Nur sechs Prozent wählten den schrägen Wagen, weshalb er heute auch eine Rarität geworden ist. Zweitbeste Disziplin ist seine Qualität. Dabei war der zum Einladen einladende, aber dennoch ausladende Wagen ein Leichtgewicht. Nur 1300 Kilo für so ein Schiff! Aber noch heute sehen die Spaltmaße gut aus, sind die Oberflächen auch innen ansehnlich. Audi hat eben gute Materialien verwendet.
Fazit: Viele Tugenden, kaum Schwächen: Unsere Vernunft ist von diesem Audi begeistert, unser Gefühl aber gähnt vor Langeweile. Ein Oldie sollte auch ein bisschen Feuer und Emotionen entfachen.