Als echter Italiener kann der Gamma die damaligen Klassenkameraden locker abhängen. Spontanes Hochdrehen, kurz übersetzt (auch der Fünfte ist kein Schongang), großer Jubel über Drehzahlen, dazu energisches Rucken am Lenkrad, tatsächlich: Hier waltet Vorderradantrieb. Dabei schlägt Gammas sportliches Herz ziemlich exotisch: Das 140-PS-2,5-Liter-Triebwerk ist erstens ein Boxer, zweitens ein Vierzylinder. Jeder Kolben hat zehn Zentimeter Durchmesser. Da legt sich die Stirn in Falten. So etwas im Fiat-Konzern? Manche nennen den rätselhaften Gamma den letzten aller wahren Lancia, ein echtes Ingenieurauto ohne die Technikdiktatur der Mutter Fiat, denn die hat in einem schwachen – vielleicht war’s auch ein besonders starker – Moment die Lancia-Techniker von der Leine gelassen. Die haben auf die mütterlichen Simpelbausteine verzichtet und etwas Eigenes gemacht: einen Boxer wegen des tiefen Schwerpunkts, der eleganten Vermählbarkeit mit dem Vorderradantrieb und der schönen Laufruhe. Einen Vierzylinder wegen der besseren Effizienz und kassenschonenden Herstellung. An sich alles ganz prima.
Lancia Gamma Coupé 2500
Der Gamma bremst gut, bewegt sich elegant, kurvt leichtfüßig, lenkt prima. Wenn nur nicht das böse Q-Wort wäre.
Bild: Uli Sonntag
Aber die Ausführung! Die Qualität des Antriebs war zum Heulen, zu weiche Nocken- und Kipphebelwellen, vor allem eine unterdimensionierte Kühlung brachten viele Gamma bei rund 80.000 Kilometern um. Auch deswegen sind Gamma selten wie Ferrari, die damals ja so ähnlich aussahen, sie stammten aus der gleichen Feder. Lancia hat nur 6789 Gamma Coupé gebaut. Lag es an Pininfarinas Design? War es zu kantig, die Linien zu schnörkellos? Gestreckt und flach sieht der Wagen aus, fast schwebend wie ein Ufo. Auch im hellen, freundlichen Innenraum hat sich der Designer ausgelebt – wobei allerdings die graphisch irrlichternden Instrumente und das harte Plastik am Armaturenbrett die Kunst-Note drücken. Der Motor klingt wie alle Boxer ganz musikalisch, er hat’s aber mit dem Trinken (14 Liter im Test). Das Fünfganggetriebe würde noch heute gute Noten bekommen, ebenso die Straßenlage. In der Kurve ist der breite, ausladende Zweitürer nämlich wieder echter Italiener, wendig und flink, mit feiner Lenkung, das fühlt sich noch immer präzise an und im Grenzbereich so neutral, als wäre er Schweizer. Im Grunde passt aber das Geflitze nicht zum Boulevard-Stil der ganzen Eleganz, zu der gehört nämlich Komfort. Doch auch hier enttäuscht uns der ausgewogene Lancia nicht, und so wird das Eckige dann doch noch rund.

Kaufberatung: Lancia Delta Integrale