Oldtimer-Grand-Prix 1990 am Nürburgring. Hinter der Zielgeraden lenke ich meinen flammneuen, roten MX-5 auf den Campingplatz. Der Weg zum Zelt gleicht einem Spießrutenlauf. "Reisschüssel!", "Scheiß-Japs!" , "Was will 'n der hier?", tönt es da, besonders von Alfa-Spider- und Triumph-Fahrern. Ihr Ignoranten! Wollen die nicht erkennen, dass da ein Auto die Bühne betritt, das die großen Roadster-Traditionen fortsetzt? Eines, das sich an das Reinheitsgebot fürs Offenfahren hält: vier Räder, zwei Sitze, Antrieb hinten, im Kopf nichts als Flausen? Eine kleine, schlummernde Gemeinde von Offenfahrern (heute sagt man: community) kapierte viel flotter, welchen Schatz Mazda ihnen da fast zufällig beschert hatte.

Der Mazda MX-5 war 1990 heiß begehrt

Mazda MX-5
Der MX-5 war im Nu ausverkauft, wurde mit Aufpreisen gehandelt und hatte Lieferfristen wie sonst nur ein Mercedes. Im bewegenden Sommer 1990, als Deutschland den Fußball-WM-Titel und seine Einheit feierte, war mein roter MX-5 – zumindest gefühlt – das meistbegaffte Auto der Stadt. Nach den Cabrio-feindlichen 80er-Jahren genügte dieser einsame Japaner als Zündfunke, um eine alte europäische Leidenschaft wieder zu entflammen: die Lust auf den Roadster. Im Windschatten des Mazda-Erfolgs wagten sich andere in die riskante, aber so imageträchtige Nische: BMW Z3, Mercedes SLK, Fiat Barchetta ...

Englisches Roadster-Rezept: laut, eng, tief

Mazda MX-5
Das Geheimnis seines Erfolgs ist zugleich sein Auslesekriterium. Der MX-5 ist eng, laut, tief und hat fast keinen Kofferraum. Jede Sprudelkiste beim Samstag-Einkauf muss auf den Beifahrersitz. Oder auf den Beifahrer. Fertig. Ist der Mazda zu klein, bist du zu weich. Also drückte ich mich tief, jeden Millimeter ausnutzend, in die festen Sitze, duckte mich vor dem Dachbügel genau überm Kopf – es musste einfach gehen. Es musste, weil der Mazda das Erlebnis "Autofahren" in reinster Form bietet. Der Hintern knapp überm Asphalt, die Lenkung so zackig, als wolle sie den Asphalt zersägen. Die superkurzen Schaltwege – klick, klick – gelten bis heute als Maßstab für schnelle Gangwechsel. Und die Motoren, egal ob 90 oder 131 PS, reichen völlig für seine eigentliche Bestimmung: Fahrspaß, hier, sofort, vom ersten Meter an.

Zweite Generation komfortabler

Wer Langstrecken mit Dauervollgas angeht, den prügelt der MX-5 mit seiner harten Federung und dem tosenden Fahrtwind schnell weich. Dieser Roadster singt dir das Lied der Straße immer, in jeder Sekunde, auch dann, wenn du's nicht mehr hören willst. Deshalb hegen Mazda-Fahrer trotz aller Verliebtheit insgeheim stille Wünsche: mehr Platz, mehr Komfort, vielleicht eine Glasheckscheibe – alles Dinge, die der zweite MX-5 ab 1998 besaß. Wie schön, dass die Japaner dennoch am spartanisch-knappen Grundrezept ihres Trendsetters festhielten. Der Ur-Typ wurde mit 433.963 gebauten Exemplaren der populärste Roadster aller Zeiten – und mit seinen Schlafaugen allmählich ein gesuchtes Original.
Technische Daten Mazda MX-5: Vierzylinder, Reihe, vorn längs • zwei oben liegende Nockenwellen • Hubraum 1598 ccm • 85 kW (115 PS) bei 6500/min • max. Drehmoment 135 Nm bei 5500/min • Fünfganggetriebe • Hinterradantrieb • Scheibenbremsen, vorn innenblüftet • Reifen 185/60 R 14 • Länge/Breite/Höhe 3948/1676/1224 mm • Radstand 2265 mm • Einzelradaufhängung an doppelten Querlenkern vorn und hinten • Leergewicht 955 kg • Beschleunigung 0–100 km/h in 8,7 s • Spitze 195 km/h • Verbrauch 7,8 l Normal/100 km • Neupreis (1990) 35.500 D-Mark.

Von

Joachim Staat