Mercedes S-Klasse: So überholte der W 116 den W 108
So übertrumpfte der W 116 den Vorgänger
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Mit neuester Technik ließ die S-Klasse W 116 den Vorgänger W 108 alt aussehen. Dank Schräglenkerachse und ABS stieß der Benz die Tür zum modernen Autobau auf. Technik-Rückblick!
Mit der S-Klasse-Generation W 116 ließ Mercedes zu Beginn der 70er-Jahre den Vorgänger W 108 alt aussehen. Noch bis Anfang der 70er hielt Mercedes bei der Baureihe an der Eingelenk-Pendelachse fest. Ihre Ursprünge hatte sie schon im Typ 170 der 1930er-Jahre. In der Baureihe W 108/109, dem Vorläufer der dann erstmals offiziell S-Klasse getauften Baureihe, überlebte sie bis 1972. Der Nachfolger W 116 jedoch bekam eine Schräglenkerachse und machte mit ihr einen riesigen Schritt nach vorn.
Mercedes W 108 – instabile Fahrzustände im Grenzbereich
W 108 mit Pendelachse: Beim Bremsen stellt sich das Heck stark auf, die Hinterräder knicken ein.
Die prinzipbedingten Nachteile der antiquierten Pendelachse im Mercedes W 108 von 1971 werden besonders im Grenzbereich deutlich. Wenn der Vorderwagen beim scharfen Bremsen eintaucht, bekommt das Auto hinten "O-Beine": Die entlasteten Hinterräder entwickeln positiven Sturz, die Spur wird schmaler – was vor allem in Kurven zu instabilen Fahrzuständen führen kann. Darüber hinaus verkörpert der W 108 jedoch den Daimler-Stil der guten alten Zeit: filigranes Hupring-Lenkrad, teilweise fast manufakturhaft wirkende Qualität, herrschaftlicher Ausblick über eine erhaben geschwungene Motorhaube auf den stolzen, letztmalig auf einem Sockel stehenden Stern. Der Fahrkomfort ist vorzüglich, nur der beim Hochdrehen rau klingende Sechszylinder mit 160 PS und die hemdsärmeligen Schaltrucke der Automatik stören das Feingefühl automobiler Gourmets.
Mercedes W 116 – besseres Kurvenverhalten dank Pendelachse
W 116 mit Schräglenkerhinterachse: kein Eintauchen des Vorderwagens, sturzkonstante Hinterräder.
Die Revolution kam mit dem W 116 (1972 bis 1980). Er übernahm die vier Jahre zuvor im Mittelklassemodell Strich-Acht eingeführte Schräglenkerachse. Sie wurde im Mercedes-Jargon als "Diagonal-Pendelachse" bezeichnet, um den parallel angebotenen W 108 nicht veraltet erscheinen zu lassen, und besteht aus einem bumerangförmigen Fahrschemel sowie pro Rad einem dreieckigen Schräglenker. Dieser ist mit zwei in diagonaler Linie angeordneten Silentbuchsen im Fahrschemel befestigt. Spur- und Sturzänderungen sind dadurch auf ein Minimum reduziert, was das Kurvenverhalten maßgeblich verbessert.
Tank-Position und ABS: Innovationen beim W 116
Im Cockpit sitzt ein Vierspeichen-Sicherheitslenkrad mit dick umschäumten Lenkradkranz.
Weitere Sicherheitsaspekte flossen beim W 106 ins Interieur- und Exterieurdesign ein. Der Innenraum war umfassend gepolstert, breite Velourssessel verströmen Gemütlichkeit. Im Cockpit sitzt ein klobiges Vierspeichen-Sicherheitslenkrad mit dick umschäumtem Lenkradkranz. Außerdem ist der W 116 besser geräuschgedämmt als sein Vorgänger und daher beim Fahren messbar leiser – das liegt wohl auch an den panzerschrankmäßigen Türen. Der Tank fasst jetzt 96 Liter und liegt kollisionsgeschützt über der Hinterachse. 1978 war der W 106 das weltweit erste Auto, das mit einem elektronisch analog gesteuerten Antiblockiersystem (ABS) lieferbar war. Revolutionär ist an ihm neben der Fahrwerkstechnik nicht zuletzt der optische Auftritt: Mit dem Wechsel von senkrecht stehenden zu horizontal angeordneten Frontscheinwerfern brach 1972 in Stuttgart auch stilistisch eine neue Ära an.