Mercedes 200, 300, 400, 500: Kein Mercedes kombiniert Motoren und Karosserien so vielfältig wie die Baureihe 124. Wir vergleichen fünf Versionen in glatten Hunderter-Schritten, vom E 200 bis zum 500 E.
In besseren Kreisen ist Klasse keine Frage des Geldes, sondern der Herkunft. Warum sonst hätte der Käufer akzeptiert, dass es zwischen seinem Mercedes 300 E und dem 200er mit Vergasermotor keinerlei sichtbare (Standes-) Unterschiede gab? Und das trotz 12.000 Mark Preisunterschied! Sogar Alus kosteten beim Sechszylinder extra. Vom einfachsten Saugdiesel bis zum raffinierten 500 E galt: Mercedes ist Mercedes. Diese unausgesprochene Botschaft lebte die auf kühle Art reizvolle "Mittlere Baureihe" 124 bis zum Schluss. Mit dem im Dezember 1984 vorgestellten Nachfolger des W 123 setzte die Daimler-Benz AG der Mittelklasse ein spätes Denkmal, kurz bevor dieses Fundament des Automobilbaus nachgiebig zu werden begann. Denn als der zur ersten E-Klasse gereifte 124er Mitte 1997 abtrat, erodierte auch die bürgerliche Mitte – kein Wunder, dass viele ihrer Vertreter bis zum Schluss an ihrem Sternwagen festhielten, rostenden Wagenheberaufnahmen und bröselnden Motorkabelbäumen zum Trotz.
Die Baureihe 124 hält viele Variationen zum Glücklichwerden bereit. Das Klassiker-Gen tragen alle fünf Typen in sich.
Bild: Roman Rätzke
Es war unter dem Niveau eines 124, sich durch Ausstattungslinien aus der Marketing-Retorte aufzutakeln. Erst als maßvoll dynamischer Sportline lernte er Ende der 80er das Spiel mit der Eitelkeit. Mischen durften die Kunden selbst: Zwischen zwei und fünf Liter Hubraum war alles drin. Aus 15 Triebwerken, vier Karosserie-Varianten und der endlosen Aufpreisliste ließ sich ein Benz für jede Lebenslage kombinieren. Auf die LimousineW 124 folgte im September 1985 das praktische T-Modell S 124, das Coupé C 124 brachte im Frühjahr 1987 feinherben Chic ins Modellprogramm. Als letzte Spielart stieß 1992 das Cabriolet A 124 hinzu. Das erste mit vier Sitzen seit dem W 111 und das erste mit Vierventiltechnik. Der 124 als Technologieträger der besseren Gesellschaft, auch diese Rolle spielte er mit Bravour und Überzeugungskraft. Wer einen 124er als Diesel kaufte, handelte aus Überzeugung oder aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus. Im Coupé und im Cabrio gab es die Ölbrenner nie, die Hautevolee trat ausschließlich mit Vier- und Sechszylinder-Benzinern an. Ausgerechnet das feine Cabriolet steht bei unserem Vergleich als E 200 mit Basismotorisierung am Start. Der zweitürige 300 CE trägt standesgemäß und konservativ Sechszylinder, das T-Modell vom Typ 300 E-24 einen in seinen Kreisen exotischen Vierventiler. Zwei Limousinen mit V8-Motor komplettieren den Kreis der oberen Einhundert: ein kraftvoll stiller 400 E und sein dominanter Bruder, der monumentale 500 E. Doch Form und Leistung sind nicht alles. Das Gesamtkunstwerk muss überzeugen.
Der 500 E gewinnt überlegen. Gegen so viel Kraft, Exklusivität und Image kommen die anderen W 124-Modelle nicht an.
Bild: Roman Rätzke
Dass ausgerechnet der 500 E den Vergleich der oberen Einhundert gewinnt, scheint wenig überraschend. Er ist grandios motorisiert, von überlegener Machart und beherrscht dennoch den Alltag, ist tief in seinem Innern also ein W 124 geblieben. Porsche-Gene und Seltenheitswert sichern ihm den höchsten Sammlerstatus. Der Rest der Familie bleibt jedoch nicht so blass, wie es der Punkteabstand vermuten lässt. Der Zweitplatzierte 300 TE-24 bringt Variabilität und Raumangebot ins Spiel. Die gelungene Sportline-Ausstattung und der hoch drehende Sportmotor machen ihn zum 500 E fürs schmalere Budget. Und der stimmig motorisierte, brillant getarnte Leistungsträger 400 E landet nur deshalb knapp hinter dem T-Modell, weil der Kombi praktischer ist. Das Coupé glänzt hingegen mit Design und Aura. Es ist der klassischste Mercedes im Vergleich. Mit dem 300 CE möchte man in feinem Hemd und guter Hose an den Wörthersee fahren, dort aber den Sonnenschein im E 200 Cabrio genießen. Der kleine Motor schmälert kaum dessen Reiz: Wo sonst gibt es einen offenen Viersitzer von derart hochwertiger Qualität und Stilsicherheit? Heute ist es wie früher. Wer einen Mercedes 124 fährt, gehört zu den Gewinnern. Der Vergleich zeigt: Zufriedenheit definiert sich nicht über Hubraum.
Schon spannend, wie verschieden die fünf 124er trotz gleicher Anlagen sind. Cabrio und Coupé sind Typen zum stillen Genießen, 400 E und 500 E Fahrmaschinen mit unterschiedlicher Zielsetzung. Der sportliche 300 TE-24 ist fast ein Alleskönner. Ich verehre den 500 E, weil er auch ein Porsche ist, aber meinen Traumwagen, einen 400 TE Sportline, hat Mercedes leider nie gebaut. Ich könnte mir keinen besseren 124 vorstellen.