Frontantrieb! Luxus! Styling! Der Oldsmobile Toronado, der Name ebenso eine Kunstform wie am Ende das ganze Auto, hatte die besten Ingenieure und Designer bei GM mehr als sieben Jahre lang beschäftigt. Über 1,5 Millionen Testkilometer waren zurückgelegt worden, bis das Projekt XP-784 im Jahr 1966 der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Warum dieser ganze Aufwand, wieso nur alles anders machen, weshalb das Auto komplett neu erfinden? Weil sie es wollten, und weil sie es konnten! Die Story des Toronado ist eine amerikanische Geschichte. Von Fortschrittsglauben und grenzenloser Begeisterung. Wie die Eroberung des Wilden Westens. Bei der Wiederentdeckung des Frontantriebs ließen die Entwickler nur ein Vorbild gelten, den längst legendären Cord 810 von 1936. Angetriebene Vorderräder, V8-Motor, ein wegweisendes Design und Klappscheinwerfer machten ihn berühmt und erfolglos. Er starb in Schönheit.
Oldsmobile Toronado
GM hüllt die neue Technik in eine schnörkellose, Kraft ausstrahlende Fastbackform.
GM belebte die Idee 30 Jahre später erneut. Mit den verborgenen Scheinwerfern, dem längsgerippten Kühlergrill und den gelochten Rädern verbeugten sich die Designer vor dem Original und schufen um die Zitate etwas völlig Neues. Endlos die Front, wo die revolutionäre Antriebstechnologie, das Herz des Toronado, zu Hause war. Dazu ein Fließheck, dessen C-Säulen ohne Unterbrechung ins glatte Heck ausliefen, und breit ausgestellte Radhäuser als Symbol für Kraft und Selbstbewusstsein. Kaum Zierleisten, kein Firlefanz, alles aus einem gewaltigen Guss. Die Form des Toronado gehört zum Besten, was US-amerikanisches Autodesign je hervorgebracht hat. Kein Zufall, dass sich die Oldsmobile-Division mit dem Technologie-Träger schmücken durfte. In der Hierarchie der Marken reihte sich Amerikas ältester Autobauer, 1897 von Random Eli Olds gegründet, im oberen Mittelfeld neben Buick ein, Sport und Luxus prägten das Bild.
Oldsmobile Toronado
Durch das schräg von unten nach oben gezogene Cockpit ohne Kardantunnel und Mittelkonsole entsteht viel Platz in der ersten Reihe.
Bei Oldsmobile war traditionell Platz für Experimente, die GM-Zukunft fand hier immer etwas früher statt: V8-Motor (1949) und Turbolader (1962) wurden bei Olds eingeführt. Mit dem Toronado fischte GM jene Kunden der stylish-gediegenen "Personal Luxury"-Class ab, die neben Ford Thunderbird und Chrysler 300 etwas völlig Neues und Andersartiges suchten. Was sie fanden, war ein 5,36 Meter langes und 210 km/h schnelles Kingsize-Coupé, das mit makellosem Geradeauslauf überzeugte und bei scharfem Fahrstil und wechselnden Lenkeinflüssen in Windeseile den Gummi von den Vorderrädern fetzte. Was sie genossen, war das Odeur des Besonderen, des technischen Fortschritts. Was sie nicht sahen, ja kaum erahnen konnten, war der Aufwand, den General Motors getrieben hatte, um konventionelle Motoren und Getriebe zu einem Frontantriebspaket zusammenzuschnüren.

Zahmere Alternative: Ford Mustang

Lenkung, Bremsen, Ansaugtrakt, Kühlung, Kraftschluss – alles musste für den Toronado speziell konstruiert werden. Ein Kunstgriff koppelte die Dreistufen-"Turbo-Hydra-Matic" an den Siebenliter-"Super Rocket"-V8. Der Drehmomentwandler sitzt hinter dem Motorblock, Getriebe und Differenzial seitlich versetzt unter der Zylinderbank auf der Fahrerseite, verbunden sind beide durch einen Kettentrieb. Diese unkonventionelle, aber (meist) haltbare Konstellation schafft Platz für sechs Personen im Innenraum, kein Kardantunnel wölbt das Bodenblech. Und: Langsam und ohne Hast rollten die Montagebänder im Oldsmobile-Werk in Lansing/Michigan. Der Toronado galt als hochwertig gebaut, als kaum reparaturanfällig. Und weil Olds auch den Ruf einer sportlichen Marke zu verteidigen hatte, meldeten einige Wahnsinnige aus dem Marketing die Fronttriebler sogar beim Bergrennen auf dem Pikes Peak. 40.963 Käufer entschieden sich 1966 für einen Toronado. Und als im Jahr darauf der frontgetriebene Eldorado auf den Markt kam, erhielt das Antriebskonzept endgültig höchste Weihen. Ein Cadillac mit Vorderradantrieb – der Westen war wieder etwas weniger wild geworden.

Historie

1966: Debüt des Oldsmobile Toronado, im selben Jahr wählt die Zeitschrift "Motor Trend" den frontgetriebenen Gran Turismo zum „Auto des Jahres“. 6333 Basis- und 34.630 Deluxe-Modelle werden verkauft. 1968: Facelift mit geänderter Front und Stufenheck sowie größerem 7,5-Liter-V8. Auf Wunsch steht eine High-Performance-Variante mit 400 SAE-PS zur Verfügung. 1970: Die zweite Generation erscheint, immer noch mit Frontantrieb, aber mit konventioneller Karosserie und frei liegenden Scheinwerfern. 1976 wird der 7,5-Liter-Motor durch einen 6,6-Liter-V8 ersetzt. 1978: Die dritte Generation des Toronado schrumpft und wird erstmals auch mit einem 120 PS starken 5,7- Liter-V8-Dieselmotor angeboten – "Oberklasse-Luxus bei Kompaktklasse-Verbrauch". 1981 ersetzt ein V6-Motor den Standard-V8. 1985: Der letzte Toronado erscheint, wieder mit Klappscheinwerfern. Einzige Motorisierung ist ein 3,8-Liter-V6 mit Benzineinspritzung und 142 PS. 1990 erhält der Toronado ein letztes Facelift mit neuer Karosserie, 1992 läuft die Baureihe aus. Im April 2004 stellt GM die Marke Oldsmobile ein.

Technische Daten

Oldsmobile Toronado
Der V8 ist ein Monster des amerikanischen Motorenbaus.
Oldsmobile Toronado: V8, vorn längs • zwei Ventile pro Zylinder, über zentrale Nockenwelle und Hydrostößel angetrieben • Vierfach-Fallstromvergaser • Hubraum 6964 ccm • Leistung 283 kW (385 SAEPS) bei 4800/min • max. Drehmoment 645 Nm bei 3200/min • Dreistufenautomatik • Vorderradantrieb • Einzelradaufhängung an Querlenkern und Schraubenfedern vorn, Starrachse an Blattfedern hinten • Reifen 8.85 H 15 • Radstand 3023 mm • Länge/Breite/Höhe 5360/1990/1345 mm • Leergewicht 2200 kg • 0–100 km/h 8,5 s • Spitze 210 km/h • Verbrauch 24 l Super • Neupreis 1966: 4585 Dollar.

Plus/Minus

Oldsmobile Toronado Cockpit
Das spacige Cockpit mit Walzen-Tacho könnte auch von Citroën stammen.
Mit dem Oldsmobile Toronado kehrte 1966 der Vorderradantrieb in den US-Fahrzeugbau zurück, Antriebstechnik und Design machen diesen Ami zum Meilenstein in der Autogeschichte. Zudem ragt die Qualität aufgrund sorgfältiger Fertigungsmethoden über das übliche Mittelmaß hinaus. Wer es ganz anders mag, liegt bei diesem Fullsize-Coupé also goldrichtig. Damals wie heute gelten Toronado-Besitzer als Nonkonformisten mit Technikkompetenz, bezahlen dafür aber Aufpreis. Rost ist immer ein Thema; fehlt oder geht etwas am Olds kaputt, wird es teuer. Noch größer als der Verschleiß der hoch beanspruchten Reifen an der Vorderachse ist der Durst des Siebenliter-V8, der sogar in den USA als Säufer gilt. Über 20 Liter Super sind vollkommen normal.

Ersatzteile

Selbst in den USA sind Ersatzteile für Toronado der ersten Generation Mangelware. Aufgrund geringer Stückzahlen und herausgehobener Position im Markenverbund hilft noch nicht einmal ein Griff in den GM-Baukasten, allenfalls bei Motor und Bremsen passen Teile anderer GM-Fabrikate. Jährliche Modellpflege und fortlaufende Modifikationen erschweren die Suche.

Marktlage

Trotz großer Motoren mit hoher Leistung ist der Hype um die Muscle Cars am Toronado vorbeigegangen. Die meisten Autos wechseln im kleinen US-Fankreis die Besitzer, 15.000 bis 25.000 Dollar werden für gute bis sehr gute Exemplare der ersten Baujahre bezahlt. Hierzulande kosten Zustand-2-Autos etwas über 20.000 Euro.

Empfehlung

Niemals leichtfertig und aus einer Laune heraus einen Toronado kaufen. Ersatzteile und Unterhalt sind teuer, die Technik verlangt nach erfahrenen Händen, das Blech ist rostempfindlich, weil schlecht konserviert. Deshalb hier ein oft gehörter Rat: immer und unbedingt das beste bezahlbare Auto kaufen, auf das Vorhandensein aller Chrom- und Zierteile achten und die Mechanik sehr genau prüfen. Eine Instandsetzung kommt teuer, die Nachfrage in Europa ist gering – beim Wiederverkauf muss mit Verlust gerechnet werden.