Mit top-modischer US-Optik wollte Opel 1958 die deutsche Oberklasse revolutionieren. Doch der Schlüsselloch-Kapitän scheiterte. AUTO BILD KLASSIK verrät die Gründe.
August 1957, Opel liefert opulente Schlagzeilen: Mit dem Rekord P1 debütieren die berühmten Panorama-Scheiben. Glasklare Folge: Der im Juni 1958 vorgestellte Opel Kapitän P 2.5 bekommt ebenfalls die extrem gebogenen Fenster. Viel wichtiger aber ist die neue Form. Die altbackenen Vorgänger mag keiner mehr sehen. Der Neue fährt voll auf Ami-Mode ab. Die Halbstarken tragen ja auch keine Knickerbocker mehr, sondern Nietenhosen. Die Radios dudeln zwar noch Kurt Edelhagen & Co., aber Elvis setzt sich durch und bei Bill Haleys "Rock around the clock" geht mal eben das Mobiliar des Berliner Sportpalasts zu Bruch. Amerika ist bei uns angekommen. Die Jugend hört Radio Luxemburg oder AFN. Was interessiert sie das Platz-Problem im Heck der Kapitäns-Kajüte. Das löst der Nachfolger (Kapitän 2.6).
80 solide PS müssen 1340 Kilo Leergewicht bewegen. Trotzdem zählten Kapitäne zu den Herrschern der linken Spur.Machen wir also erst mal unseren Diener vor 4,83 Meter Länge und 1,51 Meter Gesamthöhe (der Corsa ist nur zwei Zentimeter flacher), schwingen elegant hinter das "Sicherheitslenkrad mit tiefliegender Nabe" (Verkäufer-Handbuch). Riechen genüsslich das biologisch nie mehr abbaubare, über fünfzigjährige Geruchs-Gemisch aus welken Gummis, verrauchten Brasil-Zigarren und wabernden Motor-Dünsten. Der Dreh am Zündschloss schickt ganze sechs Volt zum Anlasser und weckt zuverlässig die sanft säuselnden sechs Zylinder, die nunmehr 80 PS leisten. Sie sollen für 142 km/h gut sein, die wollen wir heute nicht mehr ausfahren. Zu wertvoll das Blech, zu rar diese Modellvariante. Nur 34.842 Stück wurden von Juni 1958 bis Juni 1959 gebaut. Überlebt haben keine 100 Exemplare.
Im Innenraum überwiegen Chrom und Blech, man wiegt sanft auf sofaähnlichen Sitzen.Drehen wir die Zeit zurück. Das geht im Kapitän, denn die "Acht-Tage-Zeituhr" wird per Aufziehkurbel vom Handschuhfach her bedient. Stellen wir uns vor, wie es war, als der Chef noch hinten auf der angetrieben Starrachse saß. Na ja, die selbst fahrenden (Metzger-?)Meister waren wohl in der Überzahl. Wussten noch nichts von elektrischen Fensterhebern und Sicherheitsgurten, von Zentralverriegelung, Klimaanlage oder gar Automatikgetriebe. Das vermisst der Fahrer auch nicht. Drei Gänge genügen. Der Autotester Werner Oswald schreibt: "Im dritten Gang kann man bereits aus zehn km/h herausbeschleunigen." Kapitäne haben ein Patent auf Gemütlichkeit. Gute Übersicht, sprungfederweiches Gestühl. Vor dem Steuermann die Lenkung mit Tendenz zum Geradeausfahren, neben ihm eine Petticoat-Mieze. Wunsch wird ja manchmal Wirklichkeit. Denn der Kapitän gilt als Sechssitzer. Nur wer den teureren "L" bestellt oder 150 Mark Aufpreis bezahlt, bekommt den Fünfsitzer mit Einzelsesseln, die Mieze muss jetzt aber opulenten Abstand halten.