Manchmal ist der Ruf schneller als das schnellste Auto. Auf der IAA 1983 präsentierte Porsche ein Fahrzeug, das alles hatte und alles konnte. Schlagzeilen feierten das "Über-Auto" als "Wunderwerk der Technik" und fuhren mit dem "High­Tech-Sportwagen des 21. Jahrhunderts" schon auf und davon. Dabei konnte das Wunderwerk noch gar nicht laufen. Herbst 1985, die nächste IM: 200 Käufer hatten jeweils 50.000 D-Mark Anzah­lung überwiesen, aber der 959 (Preis: 420.000 D-Mark) war noch nicht in Sicht. Als Auslieferungsdatum wurde jetzt der Spätsommer 1986 genannt.
Eine gewagte Prognose, denn zu Weihnachten 1986 hat noch immer kein 959-Kunde sein Auto. Neuer, jetzt realistischer Termin: Früh­jahr 1987. Die Verspätung des schnellsten Serienautos der Welt hat Gründe: Die Entwicklungszeit des ehrgeizigen Projekts war zu kurz. Denn die geballte Technik des 959 stellte die Ingenieure vor Fragen, die bisher noch niemand be­antwortet hatte. Ein elektronisches, von der Fahrgeschwindigkeit abhängiges Dämpfungssystem, zwei Turbolader mit Registeraufladung, ein ABS-System in Verbindung mit variablem Allradantrieb oder einfach ein alltagstauglicher Rei­fen, der mehr als 300 km/h verträgt – das alles erforderte fundierte Antworten.
Ein anderes Problem: die Stückzahl. 200, das ist zuviel für eine handgemachte Kleinserie und zuwenig für eine rentable Großserie. Besonders die Zulieferfirmen kamen nicht nach. Da der Porsche 959 zudem von England bis Japan, von Schweden bis Australien in die verschie­densten Märkte exportiert wird, hat er den landesüblichen Gesetzen und Spezi­fikationen zu entsprechen. Das erfordert Feinarbeit im Detail. Wenn es nach dem Perfektionswahn einiger Porsche-Ingenieure gegangen wäre, müssten die 959-Käufer noch ein weiteres Jahr warten. Es gab Überlegun­gen, die neue, im Rennsport erprobte PDK-Kupplung in den 959 einzubauen.

So fährt der Porsche 959

Doch als Werbeträger für den For­schungstempel Weissach dient der 959 auch mit konventionellem Getriebe. Por­sche-Entwicklungschef Helmut Bott: "Viele der Erkenntnisse aus dem 959-Projekt werden in Zukunft auch in unsere anderen Modelle fließen, vor allem in die nächste 911-Generation." Nicht nur das. Insider sind sicher, dass es in zwei Jahren eine zweite Auflage des 959 geben wird. Der Ruf eilt schon voraus.