Vor über 50 Jahren stritten Alfa Romeo Giulietta, Porsche 356 und MGA um die Herzen der Spider- und Roadster-Fahrer. Zweistellige PS-Zahlen reichten damals für berauschende Fahrleistungen und jede Menge Prestige. Schön war's! Und heute?
Die drei offenen Schönheiten prötteln im Formationsflug über die Landebahn des Flugplatzes Jesenwang bei München – und jeder denkt: So ganz langsam sind die ja gar nicht. Ach, wie schnell sich das Rad der Zeit dreht. In den späten 50ern waren Alfa Romeo Giulietta Spider, Porsche 356 A Super Convertible D und MGARoadster für Normalverdiener Autos von einem anderen Stern. Ein VW Käfer 1200 Standard quälte sich im Wirtschaftswunder-Deutschland mit seinen 30 PS tapfer auf 100 km/h und schien auf der Stelle zu kleben, wenn eine dieser Windsbräute brüllend an ihm vorbeizog. Denn selbst der Alfa Romeo mit nur 65 PS ermöglichte rund die Hälfte mehr Topspeed. Und das eben nicht nur auf der Autobahn, sondern auch ganz legal auf der deutschen Landstraße. Tempo 100 wurde da ja erst 1972 eingeführt. Der Verzicht auf Viersitzigkeit zeigte, dass die Windgesichter hinter den großen Lenkrädern jedes Nutzwertdenken bei der Kaufentscheidung ausgeblendet hatten. Keine Familie, dafür ein gut bezahlter Beruf. Und immer ein Plätzchen frei für das Fräulein, das seine Haare unter einem Kopftuch und die Augen hinter einer Sonnenbrille mit spitzen Ecken verbarg.
Im Wesen sehr unterschiedliche Autos mit höchst individueller Konzeption.
Unseren Vergleichstest gewinnt der Porsche 356 Convertible und damit das ausgewogenste Auto. Natürlich ist auch der Porsche für heutige Verhältnisse ein sparsam motorisierter und auch enger Typ – sein Fahrer muss sich einrichten hinterm dünnen Lenkrad, muss Ein- und Aussteigen ebenso üben wie bei den Konkurrenten. Doch die Fahreigenschaften, die – relativ gesehen – guten Bremsen und der starke Motor bringen dem 356 ebenso Vorteile wie der gute Fahr- und Bedienkomfort sowie seine solide Machart. Der abgehobene Marktpreis geht allerdings nicht in die Wertung ein. Der Alfa Romeo ist ein graziler Spider mit einem technisch faszinierenden, harmonischen Motor. Dass der die schwächsten Fahrleistungen bietet, machen gute Handling-Eigenschaften zum Teil wett – und beim sonntäglichen Ausflug über Land ist das wirklich kein Grund, den Alfa zu verschmähen. Er ist eben ein typischer Italiener. Der relativ preisgünstige MGA – gerade auch mit den damals rund 400 Extra-Mark teuren Speichenrädern – ist ein Bild von einem britischen Roadster. Dieser Hüftschwung, dieser schon ab Standgas kräftig anpackende Motor mit seinem nach Rennstrecke klingenden Sound, das ist Lebensfreude ohne Allüren. Das überschaubare Platzangebot und vor allem das widerborstige, umständlich zu montierende Verdeck sind zwar britische Automobilgeschichte, bringen aber deutliche Punktabzüge. Daher teilen sich Alfa Romeo Giulietta und MGA verdient den zweiten Platz.
Fazit
von
Michael Harnischfeger
Der Umgang mit den drei Schönheiten war eine traumhafte Reise in die 50er-Jahre. Sie zeigt, was uns heute fehlt: im Wesen sehr unterschiedliche Autos mit höchst individueller Konzeption. Wenn man den damaligen Preisvorteil berücksichtigt, wird klar, wieso der MGA der Volkssportler war. Auch heute bietet er am meisten Spaß für sein Geld.
Von
Michael Harnischfeger
Bilder: Sportler der 50er
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In den späten 50ern waren Alfa Romeo Giulietta Spider, Porsche 356 A Super Convertible D und MGA Roadster für Normalverdiener Autos von einem anderen Stern. Der ...
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... Verzicht auf Viersitzigkeit zeigte, dass die Windgesichter hinter den großen Lenkrädern jedes Nutzwertdenken bei der Kaufentscheidung ausgeblendet hatten. Was zeichnet die drei Klassiker aus, was machte sie attraktiv für den Mann von Geld?
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Der Alfa Romeo Giulietta Spider betört mit seiner Linienführung und seinem famosen Motor, der Basis vieler späterer Alfa-Erfolge. Dass er als 1300er kein Reißer ist und nur mildes Temperament zeigt, muss man akzeptieren.
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Der Komfort und die dank des großen Kofferraums gute Reisetauglichkeit trösten über die nonchalante Verarbeitung hinweg. Faszinierend, wie groß die 15-Zöller an dem zierlichen, nur 3,86 Meter kurzen Spider wirken.
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Die Lenkung des Alfas ist beim Rangieren und bei langsamer Fahrt ein kleines Muskelaufbau-Training und ist dennoch so indirekt, als wolle die Signorina freundlich darauf hinweisen, dass sie keinen Sinn für Tempobolzerei habe.
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Das Platzangebot? Man muss sich eben mögen bei nur 1,25 Meter Innenbreite, wobei die selbsttragende Karosserie gefühlt geräumiger wirkt.
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Sollte es regnen, ist das nachlässig gefertigte Dach lässig und schnell geschlossen. Aber wirklich dicht hält das Alfa-Verdeck nicht.
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Das klassische Rot steht dem Spider exzellent. Die Sitze mit den roten Kedern sind frisch restauriert und trotzdem frei von Seitenhalt.
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Anders als die Coupés behielt der Spider das halbrunde Instrumentenbrett bis zum Schluss – griffige Zugschalter inklusive.
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Die Schaltung passt mit ganz präzise definierten Wegen und guter Schalthebelführung gut zum Spider. So macht es Spaß, auf den stehenden Pedalen, die natürlich das Markenlogo tragen, ein wenig zu tanzen.
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Was für ein Prachtstück von Motor sitzt da unter der langen Haube! Aluminum statt Grauguss, zwei oben liegende Nockenwellen, Ventilbetätigung über Tassenstößel. Feine Rennsport-Technologie für die Straße.
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Ciao, Bello! Der Spider trägt ein in seiner Schlichtheit raffiniertes Kleid. 1957 kostete er mit 13.980 Mark mehr als der stärkere Porsche 356 Super Convertible. Dafür bekommt der Käufer aber auch ein liebevoll gestaltetes Lenkrad im Alfa.
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Im Porsche 356 Convertible begegnen uns viele Qualitäten, die noch heute einen Elfer auszeichnen: Temperament bei niedrigem Verbrauch, die Solidität eines Ingenieur-Autos, Agilität und Sportlichkeit. Soll bloß keiner denken, dass er sich wegen des Heckmotors wie ein Käfer fährt. Er ist ein echter Porsche. Der echteste womöglich.
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Natürlich ist auch der Porsche für heutige Verhältnisse ein sparsam motorisierter und auch enger Typ – sein Fahrer muss sich einrichten hinterm dünnen Lenkrad, muss Ein- und Aussteigen üben.
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Damenhaft wirkt es, unser 356 Convertible D im zarten Farbton Meissenblau. Dabei ist das Convertible – das D im Namen steht für das Karosseriewerk Drauz in Heilbronn – Nachfolger des 1958 eingestellten Speedster und damit dem Wildsein mehr verpflichtet als das parallel gebaute Cabrio.
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Dank seiner Hecklastigkeit fordert der Porsche beim Lenken relativ wenig Kraft. Befehle werden spontan, aber nicht zackig umgesetzt. Um Übersteuern, die klassische Porsche-Hinterlist, zu erleben, muss der Fahrer schon viel Unsinn anstellen – und das am besten bei Nässe.
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Bis hin zum dicken Verdeck ist der 356er sehr solide verarbeitet: Die Dachkonstruktion des Porsche ähnelt heutigen Lösungen und bieten besten Bedienkomfort.
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Hoppla, das Zündschloss sitzt ja rechts vom Lenkrad! Ja, das Cabriolet, das Convertible D und der Speedster hatten das so.
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Durchdacht eingerichtet mit Türtaschen und einer großen Ablage hinter den Sitzen ist der 356. Unter der vorderen Haube geht es dafür eng zu, denn im Kofferraum machen sich das Ersatzrad, der Tank und Teile des Bremssystems breit.
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Eine höhere Windschutzscheibe, Kurbelfenster und die größere Heckscheibe im relativ bequem zu handhabenden Verdeck unterscheiden das Convertible vom Speedster – und außerdem dicker gepolsterte Sitze. Die Solisten-Persenning sitzt perfekt, sie kostete damals etwa 180 Mark.
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Der Boxer bollert natürlich im Heck, wo noch viel Luft ist für Mechanikerhände. Ein Wunder an Drehfreude ist der Boxer mit seiner zentralen Nockenwelle nicht, doch jenseits der 4000 Umdrehungen kommt noch einmal ein zweiter Wind.
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Fahrmaschine: Der 356 Super Convertible ist ein ein effizienter Sportwagen, der früher für alle Tage taugte. Damals kostete er 13.750 Mark, heute gern über 100.000 Euro
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Der MGA Roadster ist ein Engländer wie aus dem Klischee-Bilderbuch. Kerniger Motor, skurrile Konstruktion mit Sperrholzplatten-Boden, dazu jede Menge sehr eigenwilliger Detaillösungen, die die Handhabung und die – heute unwichtige – Alltagstauglichkeit nicht verbessern.
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Der MGA Roadster brach mit der MG-Tradition nostalgischer Kotflügel und aufrecht stehender Kühler und entschädigte dafür mit fast schon erotischen Rundungen und guter Aerodynamik.
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Der Fahrer sitzt in kleinen, aber führungsstarken Sesseln in einem puppenstubenengen Cockpit, legt den Arm auf die von ihrer Steckscheibe befreite Tür und genießt die alte Roadster-Herrlichkeit: Lange Haube und tiefe Sitzposition.
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Die Fahreigenschaften des Roadsters, der ganz klassisch auf einem Stahlrahmen aus Kastenprofilen ruht, sind – hm – old-fashioned. Man zwingt ihn in die Kurven, in die er sich nicht ganz frei von Verwindungen deutlich neigt.
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Das Verdeck ist im Grunde eine Frechheit, bestehend aus Streben, Plane, Drehknöpfen und vielen Optionen auf abgebrochene Nägel und gequetschte Finger. Türgriffe? Nein, einfach ins Auto greifen und nach dem dünnen Zugseil angeln.
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Das Einsteigen erfordert eine ausgefuchste Choreografie, bei der das rechte Bein zur Blutgrätsche gestreckt unterm riesigen Lenkrad hindurch eingefädelt wird, sofern der Fahrer sich nicht als Weichei outet und das große Rund per Schnellverschluss abnimmt.
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Die Lenkung fordert immens viel Kraft und erinnert daran, dass bei alten Sportwagen eben auch der Pilot in Form sein musste, wollte er nicht nach drei Stunden entkräftet aus seinem Vehikel kippen.
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Eines dieser modernen Reifen-Reparatur-Kits hätte der MG gut gebrauchen können, denn das Reserverad füllt den gar nicht mal so kleinen Kofferraum ziemlich gut aus.
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Der gusseiserne Vierzylinder packt mit sonorem Ton kräftig an, wobei er seine stärksten Momente bei niedrigen und mittleren Drehzahlen hat. Wegen seiner nur drei Kurbelwellenlager zeigt sich der Langhuber obenheraus als Raubein.
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Der MGA ist knorrig, männlich und wundervoll proportioniert. Speichenräder sind Pflicht, kosteten aber 400 Mark extra. Der Roadster lockte die Käufer mit niedrigen Preisen. 1956 war er für 8850 Mark zu haben, heute für das Dreifache – in Euros.
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Der Umgang mit den drei Schönheiten war eine traumhafte Reise in die 50er-Jahre. Sie zeigt, was uns heute fehlt: im Wesen sehr unterschiedliche Autos mit höchst individueller Konzeption. Wenn man den damaligen Preisvorteil berücksichtigt, wird klar, wieso der MGA der Volkssportler war. Auch heute bietet er am meisten Spaß für sein Geld.
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Mit dem Porsche 356 Convertible gewinnt das ausgewogenste Auto den Vergleich. Die Fahreigenschaften, die guten Bremsen und der starke Motor bringen dem 356 ebenso Vorteile wie seine solide Machart. Der abgehobene Marktpreis geht allerdings nicht in die Wertung ein. Alfa Romeo Giulietta und MGA teilen sich verdient den zweiten Platz.