Nur 4144 Käufer konnten sich einst einen Porsche 356 Speedster leisten. Schade – denn deshalb ist er für uns heute immer noch viel zu teuer. Selten war der reine Verzicht so kostspielig.
"Die Straßenlage", schrieb Porsche in einem Speedster-Prospekt, "ist so ideal, dass man auch bei Spitzengeschwindigkeiten nie das Gefühl der Sicherheit verliert." 1955 war das. Und sie hatten recht. Heute sehen wir das ein wenig anders: Wie zickig sich lächerliche 55 PS geben können. Lächerlich? Sie genügten für 160 km/h Spitze geradeaus, und in Kurven – bitte schön, das ist doch ein Sportwagen! – muss der Porsche-Pilot eben seine sieben Sinne beisammenhalten. Also mit dem Lenkrad schön sägen, nur nicht den Gasfuß lupfen (schon gar nicht auf nasser Piste) und das Anbremsen vorher erledigt haben. Dann ist er mächtig flott mit dem Speedster, den Porsche auch in einer "Super"- Variante mit 70 PS anbot. Für die Mutigen. "Der Form nach ist er der Traumwagen von morgen", lesen wir heute im 356-Speedster-Prospekt: "Pantherhaft geduckt – als könne er jeden Augenblick zu einem machtvollen Sprung ansetzen – steht er da."
1955 war das, was der 356 Speedster konnte, eine Offenbarung.
Gedrechselte Worte für einen Asketen wie ihn. Denn damals baute Porsche betont uneitle Automobile. Sportwagen, die sich sehr reduziert gaben, die nichts sein wollten als – Sportwagen. Ohne Tricks und Gimmicks, ohne jeden Tand und Firlefanz. Nackt und schön, möchte man heute sagen. Dabei konzentriert der Speedster den 356 rigoros auf das, was Spaß macht: den Boxer im Heck, ein Minimum an Karosserie, dazu eine spartanische Ausstattung. Das war preiswert, nicht exklusiv. Speedster hieß also Verzicht. Verzicht auf Dinge, die kein Speedster-Fahrer je vermisst hätte: Kurbelfenster, Ablagen, Sonnenblenden, Heizung. Der Speedster ist als Sparversion für die wilde Westküsten-Jugend der USA gezüchtet worden. Für James Dean & Co also, und die scherten sich einen Teufel darum, ob Steckscheiben fummelig und Verdecke bei Wolkenbruch wasserdicht sind. Dass es nur den schnellen Griff nach hinten braucht, um das Faltdach zu schließen – auch egal, denn geschlossen funktioniert kein Speedster.
Der Speedster ist exakt die Art Porsche, von der wir heute träumen
Lustvoll lässt sich der radikal offene Porsche durch die Kurven treiben.
Der Kopf reibt ständig am Stoff. Mühsam späht der Fahrer durch Sehschlitze, dennoch bleibt von der Umwelt nicht viel mehr als eine Ahnung. Viel wichtiger sind die zupackenden Schalensitze. Sie lassen jeden Passagier schon beim Einsteigen wissen, dass es in diesem Wagen kräftig zur Sache gehen kann. Obwohl der 356 Speedster recht simpel ausfiel, bedeutete er für Porsche eine Menge Aufwand. Fünf Tage zog sich die Fertigung eines Wagens hin, viel länger als beim 356 Coupé, in dem deutlich weniger Handarbeit steckte. Zwar gelang es Porsche, in Spitzenzeiten bis zu acht Speedster am Tag zu bauen, doch war das nicht genug, um auf große Stückzahlen zu kommen: So beliebt der 356 Speedster heute ist, so wenige konnten ihn sich Mitte der 1950er leisten. Und einige, die es doch konnten, mochten ihn nicht, weil sie sich Wohlstand ohne Luxus nicht vorstellen konnten. Heute kennt die Leidenschaft für ihn kaum Grenzen.
Der leichte Speedster – nur 770 kg wiegt er leer – gilt als Porsche-Ikone schlechthin. Unerreicht ist die Version mit einem umständlichen Namen: 356 A 1500 GS Carrera. Dessen Königswellen-Motor rockt die hinteren Pendel-Halbachsen mit vollen 100 PS. Wer die ins Traben bringen will, sollte wissen, was er tut. Dabei ist es schon ein Wunder, wie Porsche auch den Basis-Speedster mit seinen 55 PS (ab 1955: 60 PS) laufen ließ. Nicht wirklich schnell. Doch gefühlt sehr flott, besonders in Kurven, durch die sich der ehrgeizige Pilot sägt. Kein Meter gelingt ohne Nachjustieren am Lenkrad, minimal nur, aber nötig: noch ein bisschen mehr einschlagen, einen Hauch zurück, und noch mal leicht drücken, zu viel, also etwas dagegenhalten – und dann noch mal richtig rein. Während ein 356 so die Kurve durcheilt, wischt er gern lustvoll mit dem Heck nach außen. Da ist viel Leben in der Bude, dank Heckmotor und dem noch recht eigensinnigen Fahrwerk.
Wie Free Jazz: der 356 Speedster
Ein schneller 356 ist wie ungestümer Free Jazz auf dem Asphalt, voller Spannung, intensiv, manchmal dissonant. Doch nie ohne die große Linie. Dabei klingt er wie ein Käfer, bassiger zwar und stärker, aber unverkennbar. Dieses Luftgebläserauschen von hinten, so vertraut und schön. Porsche hat den 356, für seine Zeit, gut hinbekommen. Nicht zu fragil, aber mit leichter Hand zu bedienen. Firmenboss Ferry Porsche allerdings war die Speedster-Idee nicht geheuer. Zu abgemagert schien er ihm. Vielleicht, weil Speedster-Wegbereiter Maxie Hoffman zu offensiv ein "Billigmodell" forderte. Doch sein Wort hatte Gewicht: Hoffman verkaufte damals rund ein Drittel der gesamten Porsche-Produktion. Und er lag richtig. Der Speedster passte perfekt nach Beverly Hills, Malibu und Pacific Palisades. In Kalifornien liebten sie dieses preiswerte, präzise Spielzeug aus Germany. Preiswert? Ach, bei uns nie. Selten war der Speedster immer, heute ist er längst die teuerste Form des 356-Genusses.
Historie
Der Boxer im Heck dreht schon bei 4500 Umdrehungen im roten Bereich.
Der Ur-Porsche entstand 1948. Mit der Projektnummer 356 absolvierte er seine ersten Testfahrten im österreichischen Gmünd und begründete so die Sportwagen-Marke, die bis heute tapfer am Heckmotor festhält. 1949 startete die 356-Serie mit gesuperter Käfer-Technik, und schon 1950 verlagerte Porsche die Produktion nach Stuttgart-Zuffenhausen. Neben dem Coupé bot Porsche nun ein Cabrio an. Sogar der Export in die USA lief bereits mit Erfolg. Maxie Hoffman, der weitaus mächtigste aller Porsche-Verkäufer, brachte 1952 den legendären "American Roadster" auf die Schiene. Doch mit seiner Alu-Karosserie war der Sportler viel zu teuer, Porsche konnte nur 21 Stück verkaufen. 1954 folgte der erste Speedster, der mit seinem Aufbau aus Stahlblech deutlich günstiger geriet. Den größten Teil der Speedster-Produktion exportierte Porsche in die USA: Es war ein Glück für die Stuttgarter, dass Jugend-Idole wie James Dean begeistert zugriffen. Im August 1958 schickte Porsche mit dem Convertible D (D für Karosseriebauer Drauz) einen nicht mehr ganz so radikalen Nachfolger ins Rennen.
Technische Daten
Porsche 356 1500 Speedster: Vierzylinder-Boxer, hinten • zentrale Nockenwelle über Stirnräder angetrieben, zwei Ventile pro Zylinder, zwei Fallstrom-Doppelvergaser Solex 32 PBI • Hubraum 1488 ccm • Leistung 40 kW (55 PS) bei 4400/min • max. Drehmoment 103 Nm bei 2500/min • Viergang-Schaltgetriebe • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung vorn an Kurbellenkern oben und unten, zwei Querfederstäbe, hinten Pendelachse an Längslenkern, Federstab • Reifen 3.25 D 16 • Radstand 2100 mm • L/B/H 3950/1660/1220 mm • Leergewicht 770 kg • 0–100 km/h in 17,0 s • Spitze 160 km/h • Verbrauch 10 Liter/100 km • Neupreis 1954: 12.200 Mark.
Plus/Minus
Kofferraum? Dieses Auto braucht keinen Platz für Gepäck.
Wer den puren Porsche sucht, kommt auf den Speedster. Keiner ist reiner, und doch hat man sich an seiner Form ein wenig sattgesehen: Zu viele Plastik-Nachbauten fahren herum. Fakten sprechen allerdings kaum gegen einen 356 Speedster: Er gilt als enorm wertstabil, bietet eine Menge Fahrspaß und gibt sich in seinem Auftritt trotz des hohen Preises bescheiden. Weil er so teuer ist, empfiehlt es sich, Historie und Zustand detailliert zu hinterfragen. Nahezu alle Speedster sind inzwischen restauriert worden – in welcher Qualität dies geschah, steht jedoch auf einem anderen Blatt: Pfusch, der in hübscher Optik verpackt ist, kann schnell einige Zehntausend Euro zusätzlich verschlingen. 356-Neulinge sollten vor dem Kauf einen unabhängigen Experten einschalten. Und Vorsicht: Es gibt auch gefälschte Speedster.
Ersatzteile
Er ist ein rares Auto, der 356 Speedster, und dennoch gibt's kaum Probleme bei der Teilebeschaffung. Porsche selbst und freie Händler kümmern sich um die 356-Fans, und das meiste passt glücklicherweise auch vom regulären Coupé und Cabriolet. Einige Teile sind sehr teuer, besonders im Vergleich zu ähnlichen Komponenten des VW Käfer. Doch dass ein 356 wegen nicht lieferbarer Ersatzteile eine Zwangspause einlegen muss, geschieht äußerst selten. Bei Teilen aus den USA lohnt sich stets ein genauer Blick auf die Qualität.
Marktlage
Was für ein Name: Speedster – moderner ließ das kaum sagen.
"Unter 150.000 Euro findet sich kein 356 Speedster mehr", sagt Marius Brune vom Marktbeobachter Classic Data, "oft kosten sie sogar deutlich mehr." Schnäppchen gibt es schon lange keine mehr: Wer heute einen Speedster verkauft, kennt dessen Wert. Die meisten wechseln von einer Sammlung in die nächste, nur wenige leisten sich einen 356 Speedster als echtes Fahr-Auto.
Empfehlung
Sammler lieben die Pre-A-Modelle (bis 1955). Als besonders interessant gelten unrestaurierte Exemplare, allerdings tauchen original erhaltene Speedster extrem selten auf. Das schlägt sich im Preis deutlich nieder: Trotz Zustand 4 bewegt sich ein 356 Speedster mit reichlich Patina heute auf dem Niveau eines hervorragend restaurierten Exemplars. Ebenso selten, doch noch mal ein gutes Stück teurer, sind die 1500 GS Carrera mit ihren technisch aufwendigen Königswellen-Motoren.