Porsche und Turbo, das ist eine Geschichte voller Leistung und Legenden. Ihren Anfang nimmt sie im Jahr 1971 auf der Rennstrecke, 1974 fährt der erste Turbo im Straßenverkehr. Auf der Piste und im Alltag – genau dort hat AUTO BILD KLASSIK gut 40 Jahre später fünf 911 getestet, jeder das Topmodell seiner Baureihe, um herauszufinden, welcher am meisten Turbo ist.

Porsche 911 Turbo 3.0 - stille Eleganz

Fünf Porsche Turbo im Vergleich
911 Turbo 3.0 (930): Damals wie heute braucht der Ur-Turbo im Grenzbereich eine kundige Hand.
Ist der 911 Turbo 3.0 noch ein Auto oder schon eine Reliquie? Ferry Porsche saß hier früher am Lenkrad und diktierte Anweisungen und Briefe auf Kassette. Porsche-Fans, denen der erste 911 Turbo ohnehin als Heiligtum gilt, erkennen am dunkelgrünen Lack und dem Schottenkaro innen den Geschmack des Chefs. Sanft und wohltemperiert zieht der Ur-Turbo los. Kraftvoll und gelassen, nicht pausenlos hektisch brodelnd wie seine Saugmotor-Verwandten. Der Lader im Abgasstrom dämpft vornehm die Geräuschkulisse, Schiebedach, elektrische Fensterheber und die damals als Luxus geltende "Kälteanlage" machen es dem Fahrer bequem. Hinzu kommen komfortstiftende Ballonreifen und ein Fahrgefühl, das wegen der Sitzposition und stehenden Pedale noch dicht am VW Käfer ist.

Im Grenzbereich braucht es eine ruhige Hand

Das Getriebe lässt sich unerwartet glatt durchschalten. Vier Gänge müssen reichen, fünf gab es erst zum letzten Modelljahr 1989. Um im 930 schnell zu sein, müssen Drehzahl und Druck stimmen: untenrum reagiert der Turbo-Boxer zäh, erst ab 4000/min setzt hart und plötzlich die Leistung ein. Wer jetzt in der Kurve ängstlich das Gas lupft, lernt den anderen, bösen 911 Turbo kennen. Der Elfer dreht in die Kurve ein, die Lenkung macht weiter zu. Der erste Lastwechsel lässt sich noch parieren, der Gegenschlag ist fast noch stärker. Es geht nur mit viel Gefühl und Konzentration. Einlenken, gegenlenken, einlenken – so zwingt der erfahrene Pilot den 930 um den Kurs. Nach zwei gemessenen Runden kühlt der Motor knackend im Leerlauf ab, Reifenabrieb klebt an den Flanken – was würde Ferry dazu sagen?

Porsche 964 Turbo S - ruppig, laut und filterlos

Fünf Porsche Turbo im Vergleich
911 Turbo S: Kein 911 fühlt sich so sehr nach Rennsport an wie der ruppige, laute, filterlose 964.
Der 964 ist so etwas wie der Übergang vom Mittelalter (930) zur Moderne (993). Er sieht noch ein wenig nach altem Elfer aus, besitzt aber schon ein zeitgemäßes Schraubenfederfahrwerk, Servolenkung und ABS. Es gab ihn auch mit Allradantrieb und Tiptronic-Automatik. Schnickschnack wie diesen mögen Porsche-Puristen nicht, weshalb der 964 lange ignoriert wurde. Luxusprobleme. Ein 964 Turbo S ist alles andere als normal, bequem oder zwischendrin. Porsche baute den S, weil ein frisierter Turbo in den USA die populäre IMSA-Meisterschaft gewonnen hatte und die Kunden solch ein Auto wollten. Am Ende wurden allerdings nur 86 Fahrzeuge verkauft, zum Stückpreis von atemberaubenden 295.000 Mark.

Sehr sportlich, aber schwer zu fahren

Er ist also ein Rennauto mit Straßenzulassung, das sich de facto nur auf der Piste wohlfühlt. Auf schlechtem Belag springt der 964 Turbo S trocken und hart von Asphaltnaht zu Bodenwelle, die Lenkung stößt und ruckt, in den nackten Radhäusern rauschen Steinchen und Kiesel wie bei einem Hagelsturm. Es gibt weder Radio noch Rücksitze. Es ist ohnehin besser, alle Aufmerksamkeit den zornigen 381 PS im Heck zu schenken. Unterhalb von 3000/min sind sie nur teilweise vorhanden, kurz darüber fallen sie plötzlich alle zugleich über Fahrer und Auto her. Dann zuckt der Super-Elfer und ist schon gleich wieder im roten Bereich des Drehzahlmessers angekommen. 290 km/h Spitze fährt er, nur fehlt die Zeit für den Blick auf den Tacho, weil der Turbo S keine Ablenkung erlaubt.

Bildergalerie

901-Fund in Brandenburg: Der Porsche aus der Scheune
901-Fund in Brandenburg: Der Porsche aus der Scheune
901-Fund in Brandenburg: Der Porsche aus der Scheune
Kamera
Rares Porsche 901 Cabrio versteigert

Porsche 911 Turbo WLS - der letzte luftgekühlte Turbo

Fünf Porsche Turbo im Vergleich
911 Turbo WLS II (993): 450 PS und Allradantrieb - der letzte luftgekühlte Elfer fährt in seiner eigenen Klasse.
Der 911 Turbo WLS ist das Ende der Fahnenstange, mehr 911 Turbo geht nicht, zumindest nach klassischer luftgekühlter Lesart. Zum Ende der Laufbahn schnürte Porsche beim 993 auf Wunsch das Super-Turbo-Paket mit "Werksleistungssteigerung II", kombinierte den stärksten verfügbaren Motor mit dem größtmöglichen Luxus. In Zahlen bedeutete das: Für 29.800 Mark Aufpreis gab es 450 statt 408 PS und damit auch 300 km/h Spitze. Biturbo-Aufladung, Allradantrieb und Sechsganggetriebe sind beim 993 Turbo schon serienmäßig.

Gereift und berechenbarer als seine Vorgänger

"Hier passt die Leistung zum Fahrwerk, der 993 ist schon deutlich weniger bockig als 930 und 964", sagt Cheftester Dierk Möller. "Allerdings ist der Gegenschlag beim Lastwechsel immer noch heftig." Der Liebhaber blickt anders auf den 993. Er freut sich, dass er hier alles auf einmal bekommt: einen Elfer mit Aufladung und Luftkühlung und massig Leistung, die verlustfrei auf alle vier Räder verteilt wird. Er ist nicht so bissig und fordernd wie die Vorgänger, sondern gereifter und berechenbarer. Mit dem 993 Turbo fällt es leicht, schnell zu sein. Sitzposition, Cockpit-Layout und sogar der Geruch sind dabei aber immer noch typisch 911, das macht ihn nebenbei altmodisch und heimelig. Im Kreis der fünf Elfer ist der 993 Turbo der perfekte Klassiker.

Bildergalerie

Porsche 911 2.0 Coupé
Martkanalyse Porsche 2021 -  Porsche 911 Coupé
Porsche 912
Kamera
Marktanalyse Porsche: Elfer-Preise kühlen ab

Porsche 911 Turbo S - Luxus bis zum Anschlag

Fünf Porsche Turbo im Vergleich
911 Turbo S: Mit Wasserkühlung und mehr Platz markierte der 996 einen Neuanfang.
Während die anderen Elfer rauschen, bellen oder aus tiefer Kehle böse grollen, brummt der 996 nur so im Leerlauf vor sich hin. Wenn wir ihm also unbedingt etwas vorwerfen wollten, dann einen Mangel an Sound und Klangfarbe – keinesfalls aber an Leistung, Kompetenz oder gar Tempo. Als weichgespülter Kompromiss kam der 996 vor 20 Jahren rüber. Die Spuren des damals total angesagten Bio-Designs trägt auch der späte, erst 2004 vorgestellte Turbo S. Scheinwerfer, Stoßfänger, Schalter und Tasten – alles ohne Ecken, immer rund, gebogen, pastillenförmig. Das arg günstige Plastik von Mittelkonsole und Armaturentafel zeigt schließlich noch an, dass in den 90ern selbst beim 911 gespart wurde.

Luxus bis zum Anschlag

Im Vergleich zum 930 wirkt der 996 innen doppelt so groß, der längere Radstand (plus 78 mm) schafft Platz und bringt Ruhe ins Fahrverhalten. 450 PS und Allradantrieb, die Eckdaten sind die gleichen wie beim 993. Hinzu kommt die erste Porsche-Bremse mit Keramik-Verbundscheiben, erkennbar an den gelb lackierten Bremssätteln. Je wärmer die Super-Stopper werden, desto fester beißen sie zu, der Allradantrieb egalisiert die letzte Feuchtigkeit der Piste. Der Fahrprofi schaltet das serienmäßige Stabilitätsprogramm aus und ist vom Gesamtkunstwerk schnell begeistert. Die Liste der Extras reicht von Telefon bis Tempomat, die Luxus-Karte weiß er zu spielen. Die Preis-Leistungs-Wertung gewinnt der 996 mit Abstand, auf der Rennstrecke wird er Zweiter.

Bildergalerie

Porsche 911 als Kaege Retro
Porsche 911 als Kaege Retro
Porsche 911 als Kaege Retro
Kamera
Porsche 911 als Kaege Retro

Porsche 911 GT2 RS - großer Sport

Fünf Porsche Turbo im Vergleich
911 GT2 RS (997): Der leichte und austrainierte GT2 RS entstand als Spielerei einiger Ingenieure.
Als die Stoppuhr ein zweites Mal bei 1:25 min und ein bisschen stehen bleibt, haben wir Gewissheit: Der GT2 RS aus dem Porsche Museum hat gerade eine neue Rekordzeit auf dem Contidrom-Handlingkurs aufgestellt. Nicht in diesem Vergleich – nein, generell. Das Turbo-Tier liegt fast zwei Sekunden vor seinem Sauger-Verwandten, dem aktuellen 911 GT3 RS mit 500 PS. Was für ein Monster! Maximale Biturbo-Power und Heckantrieb sind seit 993-Zeiten die Zutaten jedes GT2. Wenig Gewicht und Ausstattung sollten den GT2 für die Piste vorbereiten. Beim Modell der Baureihe 997 haben die Ingenieure das Ganze derart zugespitzt, dass am Ende echter Rennsport, also ein RS, herauskam – der bis heute stärkste und schnellste Porsche mit Straßenzulassung.

Schnellster Porsche mit Straßenzulassung

Ein mit Spezialteilen und Hightech-Legierungen modifizierter Rennmotor arbeitet im Heck. Aber weil’s ein Porsche mit Nummernschild ist, muss auch der Laie mit 620 PS im Nacken schnell und problemlos unterwegs sein können. So ist trotz exzessiven Leichtbaus und nur 1370 Kilo Leergewicht Restkomfort in Form von Navi, Klima und elektrischen Fensterhebern an Bord. Theoretisch könnte der Tempomat bei 330 km/h Spitze fixiert werden. Sechs Gänge werden von Hand geschaltet, die Kupplung ist extrahart, hinten rumpelt ihr leichtes Einmassenschwungrad, das Fahrwerk taugt dazu, Zahl und Größe der überfahrenen Kiesel zu bestimmen. Der Fahreindruck findet in Extremen statt. Das flaue Gefühl im Magen bestätigt die Rundenzeit – dieser Turbo fährt im Grenzbereich.
Schnelle Runden im Elfer sind wie ein Ritt auf der Kanonenkugel. Das Antriebskonzept mit Heckmotor sorgt für Super-Traktion und Riesen-Fahrspaß, doch das (Über-)Gewicht im Heck verlangt nach blitzschnellen Reaktionen und geübter Hand. 930 und 964 sind tückische Übersteuerer, Turbo-Einsteiger greifen besser zu 993 oder 996 mit Allrad.