An der Popularität gemessen, wäre dieser Vergleichstest schnell entschieden. Die Zahlen sprechen für sich: 504.153 Scirocco 1 verkaufte VW, 291.497 Scirocco 2, aber nur noch 97.521 Corrado. Und obwohl der Scrirocco ab 1974 als erster moderner VW-Sportler viel öfter gebaut wurde als seine beiden Nachfolger, ist er heute deutlich seltener und teurer. Zudem ist er als Einziger der drei ein unumstrittener Klassiker. Hier ein Vergleichstest der drei VW-Sport-Coupés.

VW Scirocco 1 – Urmeter und Ikone

Mercedes-Benz 230.6 /8
Doppelscheinwerfer und ab 1977 in die Kotflügel gezozgene Blinker gelten als Ideal-Kombi.
 
Start im Urmeter Scirocco 1: Das flache Coupé umfängt den Fahrer ähnlich kompakt wie ein alter Porsche 911, auch wenn die Frontscheibe weniger steil steht und das Dach nicht so schnell nach hinten abfällt. Der Umgang ist spielerisch, die Lenkung auch ohne Servounterstützung leichtgängig. Da macht sich das geringe Wagengewicht von 807 Kilo bemerkbar. Aber nicht nur da: Der ganze Wagen wirkt dünnhäutig und filigran, ein Kind der 70er mit damals üblicher Vergasertechnik, geringer Geräuschdämmung und (bei VW) noch wenig Erfahrung mit selbsttragenden Karosserien. Als der Scirocco 1 am 18. April 1974 zu den Händlern rollte, war er ein Vorbote des kurze Zeit später präsentierten Golf 1. Mit dem teilt er praktisch alles außer der Karosserie: Vorder- und Hinterachse, Lenkung, Armaturenträger, Sitze, Türgriffe, Kabelbaum, Auspuffanlage, Getriebe und die Motoren.

VW Scirocco 2 – wirtschaftlich und zuverlässig

Willkommen kleiner Sternenkreuzer
Scirocco II: Hecküberhang und runde Klappe, Spoiler und Schwellerverkleidungen verwässerten die Form.
 
Als VW den Scirocco 2 im März 1981 auf dem Genfer Salon gezeigt wird, steckt ihm technisch noch der Golf 1 in den Knochen: Der Radstand ist bis auf den Millimeter identisch und in den ersten Jahren war es auch das Motorenprogramm. Das ist beim Fahrverhalten zu spüren: Grundsätzlich untersteuernd, bei abrupten Ausweichmanövern aber mit sehr, sehr leichtem Heck, das früher oder später sogar Gegenlenken erfordert. Seine Form geht zu gleichen Teilen auf die Audi Avant-haft unentschlossene rundliche Form zurück und auf die 17 Extra-Zentimeter Außenlänge, die im Wesentlichen im hinteren Karosserieüberhang stecken.

Eigens gestaltetes Cockpit

Ausgerechnet im oft als betulich gescholtenen Scirocco 2 hat der Fahrer so etwas wie ein Sportwagen-Cockpit, während Vorgänger und Nachfolger mit kaum veränderten Großserien-Brettern auskommen müssen. Ob nun im Detail gelungen oder nicht: Der gefühlten Leichtigkeit tut der schlanke Armaturenträger gut. Sprung nach hinten auf die Rückbank, die jeweils nur für zwei Personen zugelassen, aber nur im Corrado zu zwei echten Einzelsitzen ausgeformt ist: In keinem der Autos sollten die Leute in der zweiten Reihe größer als 1,65 Meter sein.

VW Corrado – knackiges Design und tolle Fahreigenschaften

Willkommen kleiner Sternenkreuzer
Was dem Scirocco vielleicht an Oberklassen-Solidität fehlt, macht er durch seine Wuseligkeit wett.
Der Corrado erschien im Oktober 1988 glatte drei Jahre vor dem Golf 3 und ebnete den Weg für die neue Designsprache, basierte aber technisch noch auf dessen Vorgänger, auch wenn er bei Armaturenbrett, Seilzugschaltung und einigen Details Anleihen beim moderneren Nasenloch-Passat 35i nahm. Im Grunde beruhte seine Entstehung auf einem Planungsfehler. Konzipiert als Scirocco 3, geriet er schon in der Entwicklungsphase zu teuer und wurde daher flugs zum Technologieträger eine halbe Klasse über dem Scirocco erklärt – mit Vollausstattung inklusive ABS, Servolenkung, elektrischen Spiegeln und bei 120 km/h ausfahrendem Heckspoiler (dessen Motoren wie die der Spiegelverstellung erstaunlich laut sind). So fein und glatt wie der Corrado aussieht, fährt er keineswegs. Der Motor ist lauter als erwartet, das Fahrwerk trampeliger, als die Zeit vermuten lässt

Basis-Zweiventiler erschien erst kurz vor Schluss

Anfangs fuhr der Corrado ausschließlich mit dem damaligen VW-Topmotor mit 1,8 Liter Hubraum, G-Lader und 160 PS, später kamen als dessen Nachfolger die 2,9 Liter große Variante des VR6-Motors mit 190 PS dazu und ein 1,8-Liter-Vierventiler mit 136 PS. Erst zum Schluss erschien der Basis-Zweiventiler, mit dem der Corrado im Vergleichstest wie ein mit Dämmstoff und viel schwarzem Plastik ausgekleideter und etwas ausgebeulter Bruder des Scirocco 1 wirkt. 1995, gut zwei Jahrzehnte nach Verkaufsstart des Scirocco I, endete die Produktion. Sehen Sie den Scirocco und seine Nachfolger in der Bilderstrecke.

Fazit

von

Henning Hinze
Bei allem Respekt für die Ikone Scirocco: Man merkt auf jedem Meter, dass VW 1974 gerade erst begonnen hatte, leichte Frontantriebsautos mit selbsttragender Karosserie zu bauen. Am schönsten ist der Ur-Scirocco im Stand. Sitzt man drin und fährt, kann der Scirocco II trotz seines höheren Gewichts alles besser, manches sogar viel besser. Das hat viel mit Vernunft zu tun, aber auch mit Emotion. Und dann kommt der Corrado und fährt alles in Grund und Boden. Er ist das beste Auto im Vergleich, was wenig überraschend ist. Aber er ist 31 Jahre nach seiner Präsentation auch das spannendste: mit knackigem Design, tollen Fahreigenschaften und historischer Bedeutung.

Von

Henning Hinze